Politiker und Unternehmer beraten auf einer Konferenz im Stadeum in Stade über die Zukunft des Wirtschaftsraumes an der Unterelbe.

Stade. Die Erwartungen an die zweite Konferenz "Wirtschaftsraum Unterelbe" waren hoch. Nach dem Auftakt 2002 in Brunsbüttel hatten am Dienstag im Stadeum zahlreiche Politiker, Wirtschaftsvertreter, Unternehmer und Wirtschaftsförderer darauf gehofft, dass eine klare Linie gezeigt wird, wie der Ausbau der Unterelbregion zu einem global bedeutendem Wirtschaftszentrum vorwärts getrieben werden kann. Die Hoffnungen erfüllten sich nicht, denn neben viel Bekanntem, wie der Forderung nach einem Ausbau von Häfen, Straßen und Bahntrassen, hielt sich die Politik mit konkreten Aussagen zur zukünftigen Entwicklung der Region zurück.

Stades IHK-Präsident Lothar Geißler erklärte, dass der Standort Stade an der Unterelbe eine besondere wirtschaftliche Dynamik zeige und über ein erhebliches Potenzial verfüge. Die Region entwickle sich mit der Küstenautobahn A 20 und der A 26 und dem Ausbau des Seehafens kontinuierlich weiter. Der IHK-Präsident mahnte aber auch, diese Dynamik zu erhalten, um den Wirtschaftsmotor weiter am Laufen zu halten.

Wie das vor allem von bundes- und landespolitischer Seite geschehen soll, darüber fiel praktisch ein Wort. Mehr Kooperationen seien nötig, so die zur Diskussionsrunde geladenen Parlamentarier unisono. Und ein Ausbau der schnellen Internetverbindungen auf dem Lande müsse erfolgen. Doch bei der Frage, was in zehn bis zwanzig Jahren an Entwicklungen zu erwarten sei, wie die Region aussehen soll und welche Impulse nun gesetzt werden müssten, wollten sich weder Tamara Zieschang (CDU), Staatssekretärin im Schleswig-Holsteinischen Wirtschaftsministerium, noch Niedersachsens Staatssekretär im Wirtschaftsstaatsministerium Oliver Liersch (FDP), noch Hamburgs Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde Peter Wenzel (CDU), noch der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel festlegen.

Beim Thema Elbvertiefung waren sich alle einig: Die müsse kommen, je früher desto besser. Denn vom Hamburger Hafen hänge letztlich die ganze Metropolregion mit ab. Hamburgs Peter Wenzel rechnet damit, dass die Elbvertiefung bereits 2011 kommen werde. "Die Sicherheit der Menschen und der Arbeitsplätze ist für uns aber ebenso wichtig", so Wenzel. Das bedeutet im Klartext: Die Deichsicherheit muss für eine Fahrrinnenanpassung gewährleistet werden - eine Voraussetzung, die Niedersachsen seit Jahren vehement fordert. Die letzten Probleme bei der Fahrrinnenanpassung wolle Hamburg, so der Staatsrat, gemeinsam mit den Anrainerländern angehen.

Hier ist vorerst wenig Gegenwind von politischer Seite zu erwarten, denn die Elbvertiefung wird sowohl in Schleswig-Holstein, als auch in Niedersachsen als Zukunftsinvestition für den Hamburger Hafen, aber auch für die eigenen Häfen bewertet. "Es ist uns wichtig, dass der Hamburger Hafen brummt", so Zieschang. Damit die Wirtschaft sich aber weiter entwickeln kann, das war Konsens, bedürfe es einer wachsenden und funktionierenden Infrastruktur. Die kommt stückweise, für einige aber zu langsam.

Reiner Roghmann, Werksleiter der Dow in Stade, erklärte, dass für einen Weltkonzern wie die Dow Anlagengesellschaft eine gute Seeverbindung und Straßenanbindung von vitalem Interesse sei. "Beides ist heute wichtiger denn je im globalen Wettbewerb", so Roghmann. Doch die A 26, auch wenn sie jetzt gebaut wird, komme viel zu spät. Der Konzern warte seit Jahrzehnten auf die lange versprochene Autobahnanbindung. "Wir werden damit in unserem Wachstum stark behindert", sagte Roghmann, der kurz darauf für Irritationen unter den Konferenzteilnehmern sorgte. Er verwies darauf, in welchem rasanten Tempo in China die Infrastruktur wachse. "China ist hier Klassenprimus, daran muss man sich auch messen lassen. Während dort eine Autobahn in einem Zuge gebaut wird, geht es hier immer nur schrittweise voran", so der Dow-Manager.

Den Vergleich zu China fanden zahlreiche Konferenzteilnehmer deplaziert. "Die Frage ist ja immer, zu welchem Preis, auch für die Umwelt, dies alles in China geschieht", sagte Wolfgang Drusell vom Aktuellen Stade. Auch Karina Holst von der Stadt Stade und Stades Ratsherr Uwe Merckens (Grüne) fanden den Vergleich "mehr als unpassend". Reinhard Grindel erklärte ebenfalls, dass er "bei dem Vergleich doch etwas zusammengezuckt" sei. Ein Land wie China dürfe nicht für alles als wirtschaftliches Vorbild und Gradmesser herangezogen werden.

Dissonanzen gab es auch hinsichtlich der Entwicklungsperspektive der Unterelbregion. Während Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handelskammer und Frank Schnabel von der Brunsbüttel Ports GmbH erneut für eine konsequente Entwicklung und gemeinsame Vermarktung der Häfen entlang der Elbe warben, um gegen die Konkurrenz aus Amsterdam, Antwerpen und Rotterdam gewappnet zu sein, wollte Stades Bürgermeister Andreas Rieckhof (SPD) der Industrie keinen Freifahrtschein ausstellen. Zwar sei vieles in dem Positionspapier der Handelskammern richtig, jedoch müsse der Natur- und Landschaftsschutz angemessen beachtet werden. "Es müssen Tabuflächen benannt werden", so Rieckhof. Auch müssten in Abstimmung Ausgleichsflächen für Gewerbeansiedlungen geschaffen werden.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU), der zu der Konferenz eigentlich erwartet wurde, sagte sein Kommen ab. Der Hintergrund seiner Absage ist pikant: Nach den zuletzt widersprüchlichen Aussagen zur Verkehrspolitik, vor allem zur A 20, wurden laut Grindel die drei Staatssekretäre des Bundesverkehrsministeriums kurzfristig zu einer Klausurtagung einberufen, um, so Grindel, "das Sprechen mit einer Stimme zu organisieren".