IHK Stade legt ihr neues Positionspapier vor. Bis 2015 müssen viele Probleme in der Region bewältig werden

Stade. Die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen sind einem rasanten Wechsel unterworfen. Davon ist auch der Elbe-Weser-Raum betroffen. Was die Wirtschaftsregion maßgeblich verändert und wie diese Veränderungen zum Positiven hin gestaltet und gesteuert werden können, darauf hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade Antworten gesucht. Die Ergebnisse ihrer Nachforschungen und Empfehlungen hat sie jetzt in ihrer neuen Broschüre "IHK-Positionen 2010-2015" auf 72 Seiten zusammengefasst.

Es ist das zweite Mal, das die IHK ein solches Papier herausgebracht hat. Dass es nötig ist, erneut einen derartigen Leitfaden herauszubringen, dessen ist sich die Kammer sicher. "Wir wollen weiterhin Transparenz für unser Handeln schaffen, sowohl gegenüber unseren Mitgliedern als auch gegenüber der Bevölkerung. Und wir wollen zusätzlich eine Messlatte haben, an der sich der Erfolg unserer Aktionen ablesen lässt", sagt Kirsten Kronberg, Pressesprecherin der Kammer. Die Ziele, die sich die Kammer gesteckt hat, so Kronberg, seien hoch.

Die Herausforderungen, vor denen die Region steht, sind ebenfalls groß. "In den Bereichen des demografischen Wandels mit all seinen Folgen sowie der Bildung und der infrastrukturellen Entwicklung gibt es großen Handlungsbedarf", sagt Lothar Geißler, Präsident der IHK Stade. Auch die Energieversorgung wird immer wichtiger. "Vor allem der demografische Wandel ist bei uns jetzt spürbar angekommen", so Geißler. Die Zahl der Absolventen an den Schulen ist gesunken, das Alter der Belegschaften steige zugleich weiter an. Dieser Trend werde sich in den kommenden Jahren weiter verstärken "Das wird vor allem im technischen und wissenschaftlichen Bereich zu einem starken Fachkräftemangel führen", so der IHK-Präsident. Daher sei eine umgehende Förderung von Kindern bereits im Kindergartenalter nötig. Nur wenn frühzeitig dem Fachkräftemangel mit gezielter Bildung entgegengelenkt werde, lasse sich das Fachkräftedefizit langfristig beheben. Auch die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Hochschulen müsse forciert werden. Zugleich müsse die Fortbildung älterer Arbeitnehmer intensiviert werden.

Auch bei der Familienfreundlichkeit von Gesellschaft und Unternehmen bedürfe es dringender Nachbesserungen. "Wir sollten uns nichts vormachen: Familienfreundlichkeit ist, trotz aller positiver Worte, die bisher gefallen sind, ein sehr zähes Geschäft", so Geißler. Die Fühler würden zwar in die Richtung von mehr Betriebskindergärten, Gleitzeitmodellen und ähnlichem ausgestreckt, doch es sei kompliziert, diese positiven Ideen woanders auch nachhaltig umzusetzen.

Vor allem im ländlichen Raum ließen sich Betriebskindergärten nicht so einfach realisieren, wie in Großstädten. "Das hat in besonderem Maße damit zu tun, dass in der Großstadt eine ganz andere Betriebsdichte vorhanden ist, so dass dort mehrere Unternehmen einfacher gemeinsam solche Einrichtungen organisieren und unterhalten können", sagt Jörg Orlemann, Hauptgeschäftsführer der IHK Stade. Für einen Betrieb im ländlichen Umfeld sei es oft nicht möglich, für drei oder fünf Kinder eine Betreuung anzubieten. Dennoch seien Fortschritte erreicht worden. In Verden und Cuxhaven seien bereits die ersten Betriebskindertagesstätten eingerichtet worden.

Die Mobilität bezeichnet Orlemann als typisches Problem des ländlichen Raumes. Viele Betriebe, die keine geeigneten Nachfolger für ihre Betriebsführung finden, würden eingehen. "Das hat bei auch Konsequenzen für die Nahversorgung", so Orlemann. Bürger müssten längere Wege für ihre Besorgungen einplanen, selbiges gelte für viele Betriebe. "Das Mobilitäts- und Nahversorgungsproblem wird stärker , wenn die Kommunen nicht vom Kirchturmdenken wegkommen", so Orlemann. Die Landkreise müssten gemeinsame Konzept entwickeln. Bei der Infrastrukturentwicklung mache die Region gute Fortschritte. "Die Hinterlandverkehre sind von zentralem Interesse", sagt Orlemann. Die Investitionen seien nicht nur von regionalem, sondern vor allem von nationalem Interesse, das sollten auch Kritiker der Vorhaben realisieren.

Ähnlich sieht es auch bei der Energieversorgung aus. "Die erneuerbaren Energien sind das Thema der Zukunft", sagt Orlemann. "Aber wir werden damit nicht alle Energieprobleme sofort lösen können." Ein direktes Umschalten von konventionellen auf erneuerbare Energien sei nicht zu machen. Die IHK schätzt, dass zumindest in den kommenden 20 Jahren weiterhin konventionelle Kraftwerke gebraucht werden, um die bundesweite Stromversorgung sicherzustellen.

"Was wir in den kommenden Jahren auch angehen müssen, ist das Image der Branche. Das Bild des ehrbaren Kaufmanns hat zuletzt stark gelitten", sagt Geißler. "Schuld daran sind einige schwarze Schafe, doch die große Masse des Mittelstandes hat gut gearbeitet. Das wird aber nicht so differenziert gesehen, sondern in einen Topf geworfen", so Geißler.

Verantwortung, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit müssten aber dennoch generell wieder stärker in den Fokus des kaufmännischen Handelns gerückt werden. "Das bisherige anlegergetriebene Verhalten der großen Aktienunternehmen ist zudem ein Problem, denn es schadet der ganzen Branche", so Geißler. Der Mittelstand als stabiles Rückgrat der Wirtschaft ticke da zum Glück anders.