Buxtehuder Ehepaar ist auf einem norwegischen Pilgerweg gewandert. Ein Filmteam und ein Pastor waren mit dabei

Buxtehude. Was so eine sperrige Vokabel wie "Europäischer Kulturweg" bedeutet, kann Helfried Weyer mit einem Szene deutlich machen, die er erst kürzlich auf einem solchen Weg erlebt hat. "Wir waren den ganzen Tag lang im Regen durch die Einöde gewandert, irgendwann machten wir an einer kleinen Hütte Halt. Es lagen nur ein paar Matratzen darin. Irgendwann, da war es schon stockdunkel und regnete noch immer, kamen irische Pilger, da sind wir zusammengerückt. Später kamen noch norwegische hinzu, da sind wir noch weiter zusammengerückt. Und am nächsten Morgen haben wir alle zusammen einen Gottesdienst abgehalten. Dreisprachig!"

Die geschilderte Szene hat sich in Norwegen zugetragen, auf dem sogenannten Olavsweg, der seit kurzem den diesen Titel tragen darf. Im Mai hat der Europarat in Straßburg den ehemaligen Pilgerweg, der von Oslo nach Trondheim führt, als "Europäischen Kulturweg" ausgezeichnet. Diesen hoch offiziellen Titel trägt sonst nur der berühmte Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Spanien.

Der Weg führt 500 Kilometer weit von der Stadt Hamar nach Trondheim

Helfried Weyer und seine Frau Renate, die in Buxtehude leben und unter anderem als Buchautoren tätig sind, gehörten zu den ersten Wanderern, die nach seiner Ernennung zum Kulturweg auf dem Olavsweg gepilgert sind. Sie wanderten von der norwegischen Stadt Hamar aus bis ins 500 Kilometer weiter nördlich gelegene Trondheim. Im dortigen Dom liegt nämlich angeblich jener König Olav begraben, der den Norwegern vor rund 1000 Jahren ihre heidnischen Götter austrieb, ihnen dafür das Christentum brachte und schließlich heilig gesprochen wurde.

Im Mittelalter wurde Trondheim zu einem bedeutenden Pilgerzentrum. Die Reformation beendete später die Wanderzüge, die von mehreren europäischen Städten aus in den hohen Norden führten. Doch jetzt könnte die europäische Auszeichnung wieder mehr Besucher in die wilde norwegische Natur bringen. Denn mit dem Geld aus Brüssel sollen acht Pilgerzentren eingerichtet werden, außerdem gibt es schon jetzt neue Beschilderungen.

Renate und Helfried Weyer haben schon viele Bildbände veröffentlicht

Wandern ist für Renate und Helfried Weyer, Jahrgang 1949 und 1939, die für ihre aufwendigen Bildbände schon in der Antarktis, in der Sahara und so ziemlich jedem Winkel der Welt unterwegs waren, nicht unbedingt etwas Neues. Der Olavsweg als spiritueller Ort allerdings ist etwas Besonderes - und deshalb war auch der Pilgerpastor Bernd Lohse mit von der Partie. Lohse, der aus Buxtehude stammt und jetzt in der Hamburger St.-Jacobi-Kirche tätig ist, begleitete die Weyers während der letzten beiden Wochen ihrer einmonatigen Reise. Ein Filmteam des Norddeutschen Rundfunks schloss sich an und dokumentierte diesen letzten Steckenabschnitt. Zudem wanderte auch der Autor und Journalist Franz Alt mit, der mit den Weyers privat bekannt ist.

Dafür, dass es zu einem wirklich religiösem Erlebnis wurde, sorgte Bernd Lohse. "Wir haben Morgen- und Abendandachten gehalten, außerdem haben wir sehr gute Gespräche geführt", sagt Helfried Weyer. Dabei ist Pilgern natürlich etwas anderes, als zuhause die Einkehr zu üben. Den Unterschied erklärt Renate Weyer: "Wir sind pro Tag 20 bis 30 Kilometer gewandert, teilweise bergauf. Dabei wird man an seine Belastungsgrenze geführt, es ist normal, dass Erwachsene bei solchen Erschöpfungszuständen anfangen, zu weinen. Dann gibt man auch die Kontrolle auf, auf die es vielen so sehr ankommt. Und dann gibt man auch etwas von sich preis, erzählt zum Beispiel von früheren Erlebnissen, die man schon verdrängt hat." Natürlich hilft auch die Natur dem Pilger dabei, zu sich selbst zu kommen - und Natur, die dazu geeignet ist, findet sich auf der Strecke des Olavsweges eine Menge. Besonders hat die Weyers das "Dovre Fjell" beeindruckt, eine Gebirgsebene in 1100 Metern Höhe.

"Das ist eine steinige, windige Fläche, in der es nur kleine Gewächse und Sträucher gibt. In so einer Landschaft fühlt man sich ein bisschen wie ausgesetzt", sagt Helfried Weyer. Generell begegne man sehr, sehr wenigen Menschen. Und das sei der große Unterschied zum Jakobsweg, auf dem die Weyers auch schon gepilgert sind: "Auf dem Jakobsweg begegnet man immer wieder anderen Pilgern, es bilden sich richtige Grüppchen. Auf dem Olavsweg ist so etwas sehr viel seltener, man ist mehr bei sich", sagt Helfried Weyer. Auch der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung verlaufe anders: "In den spanischen Dörfern rufen einem die Menschen sofort zu, wenn man sich einmal kurz vom Weg entfernt. In Norwegen gibt es in dieser Gegend gar keine Dörfer, sondern vereinzelte Gehöfte. Und wenn man mal Leuten begegnet, wissen sie gar nicht, was der Olavsweg ist. Auch, wenn er mitten durch ihr Grundstück verläuft", erzählt Helfried Weyer. Und ergänzt: "Trotzdem sind sie aber sehr offen und freundlich."

Buch soll im November erscheinen, Reportage wird im Dezember gezeigt

Begegnungen mit anderen Pilgern blieben die Ausnahme. Ganz anders als die Tage in der einsamen Natur verlief dann allerdings der Abschluss der Reise. Denn den feierte die Reisegruppe am 29. Juli im Nidaros-Dom in Trondheim. Der Tag wird in Norwegen als Namenstag des heiligen Olav gefeiert. Und so war die Gruppe ganz und gar nicht allein in der prächtigen Kathedrale, sondern umgeben von 1000 weiteren Pilgern, die zu einem Festgottesdienst gekommen waren. Unter den Teilnehmern waren auch das norwegische Kronprinzenpaar Mette-Marit und Haakon Manus.

Ihre Erlebnisse verarbeiten Renate und Helfried Weyer zurzeit in einem Buch, das voraussichtlich Ende November erscheinen soll. Die Reportage im NDR-Fernsehen soll in der Weihnachtszeit ausgestrahlt werden. Wer sich bis dahin schon einmal einen einlesen möchte, kann sich einer Lektüre widmen, die auf ganz eigene Art die Stimmung auf dem Olavsweg einfängt. Denn Pastor Bernd Lohse, der auch ein Schriftsteller ist, hat schon vor Jahren einen Krimi geschrieben, der auf dem Pilgerweg spielt. "Familienbande" heißt das Werk und ist im Friedrich Wittig Verlag erschienen.