Fischer klagen über schlagartig gesunkene Fänge. Es liege am Wetter und an der Vertiefung der Fahrrinne, sagen sie

Jork/Geversdorf. Dass es beim Fischfang mal bessere und mal schlechtere Tage gibt, ist nicht unbedingt etwas Neues für Walter Zeeck, der seit dem Jahr 1964 als Fischer auf der Elbe unterwegs ist. Doch in der zurück liegenden Woche brach der Fang auf eine Weise ein, die selbst er als "drastisch" bezeichnet. "Wir waren mit unserem Kutter in unserem Fanggebiet vor Wittenbergen unterwegs, als wir auf einmal nur noch 100 statt 200 Pfund Aale im Netz hatten. Einen Tag später waren dann nur noch fünf Pfund im Netz", sagt der in Geversdorf bei Cuxhaven ansässige Fischer.

Der erfahrene Elbfischer kennt den Grund für diesen Rückgang um fast 100 Prozent: "Wegen der Hitze gibt es in der Elbe zurzeit Sauerstoffmangel. Die Fische merken das und wandern weiter in Richtung der Mündung, um nicht zu ersticken."

Die Zersetzung von Algen verbraucht den Sauerstoff im Wasser

Das Phänomen, dass es im Sommer in Gewässern regelrechte Luftlöcher gibt, ist bekannt. Der Grund ist, dass in dem warmen Wasser mehr Algen wachsen. Wenn diese Algen absterben und auf den Grund sinken, werden sie von Mikroorganismen abgebaut. Dabei wird Sauerstoff verbraucht. Teilweise sinkt er an heißen Sommertagen in den Bereich des kritischen Wertes von drei Milligramm Sauerstoff pro Liter, von dem an manche Fische nicht mehr atmen können. Zeeck hat in den vergangenen Tagen 3,5 Milligramm pro Liter gemessen, bei diesem Wert verlassen Fische die sauerstoffarmen Bereiche.

In der Elbe ist es in der Vergangenheit immer wieder zu dem Phänomen gekommen. Doch die Plötzlichkeit und die Heftigkeit ist für Walter Zeeck ein Alarmzeichen. Denn er führt das verstärkte Auftreten der Sauerstofflöcher auf die bislang letzte Elbvertiefung zurück - und fürchtet, dass sie nach der geplanten nächsten Vertiefung noch viel häufiger auftreten werden. "In tieferen Gewässern gibt es auch weniger Sauerstoff. Deshalb laufen die Prozesse seit 1999 viel stärker ab, und das spüren wir", so der Fischer, der den Fangverlust der vergangenen Woche mit "500 bis 1500 Euro pro Tag" beziffert.

Umweltschützer fürchten, dass der Fluss an manchen Stellen umkippt

Walter Zeecks Beobachtung bestätigt auch der in Jork ansässige Elbfischer Lothar Buckow. "Ich habe zwar in den letzten Tagen noch keine Sauerstofflöcher festgestellt. Aber in den letzten Jahren sind sie mir immer wieder begegnet", sagt Buckow der vorwiegend etwas weiter flussabwärts, vor Wedel, fischt. Wie Zeeck sagt auch Buckow, dass das Phänomen besonders seit der letzten Elbvertiefung auftrete. Und wie sein Kollege plädiert auch er deshalb vehement gegen eine nächste.

Auch für Walter Rademacher, Sprecher des Regionalen Bündnisses gegen Elbvertiefung, ist Walter Zeecks Beobachtung ein klares Argument gegen die anstehende Elbvertiefung. Seiner Ansicht nach hätten dann nicht nur die Fischer, sondern auch die Anwohner ein Problem. "Das Problem des Sauerstoffmangels wird sich meiner Ansicht nach deutlich verschärfen. Es wird Stellen geben, an denen der Fluss im Sommer ganz umkippt", sagt Rademacher, der selbst Wasserbauingenieur ist. Die Folgen wären weithin spürbar: "Das Wasser würde anfangen zu stinken. Besonders der Bereich des Alten Landes wäre betroffen."

In der Hansestadt Hamburg, deren Regierung für eine Vertiefung des Flusses plädiert, ist Problem ebenfalls registriert worden. "Sauerstofflöcher treten leider immer wieder auf", sagt Volker Dumann, Sprecher der Hamburger Umweltbehörde. Dabei räumt er durchaus ein, dass die zurück liegende Elbvertiefung "ein Faktor" sei, der dazu führe, dass den Fischen teilweise die Luft wegbleibe. Andere Faktoren hätten allerdings einen viel größeren Einfluss. "Die Landwirtschaft in den Gebieten weiter flussaufwärts setzt massiv Kunstdünger ein. Die Nitrate werden in die Elbe gespült und führen hier zum Wachstum der Algen", sagt Dumann. Er verweist auf eine Studie, die im Auftrag der "Flussgebietsgemeinschaft Elbe", in der zehn Bundesländer organisiert sind, durchgeführt wurde. In dieser Studie aus dem Jahr 2007 ist der Einfluss der vergangenen Elbvertiefung auf den Sauerstoffgehalt mit dem Faktor "-0,2 bis -0,3" gekennzeichnet. Der Faktor "Anstieg der Sekundärverschmutzung in den 1990er Jahren" wird demgegenüber mit "-2", also etwa zehnmal so hoch, beziffert.

Direkt vor Stade gibt es schon längst keine guten Fanggebiete mehr

Walter Rademacher überzeugt die Studie nicht. "Die Nitrate brauchen Jahrzehnte, ehe sie in das Grundwasser wandern. Für einen so plötzlichen Anstieg können sie nicht sorgen", sagt er. Dumann hält dieser Auffassung wiederum das Urteil der Experten entgegen.

Die Elbfischer glauben indes an ihre Beobachtungen - und diese besagen, dass die Sauerstofflöcher direkt nach der letzten Elbvertiefung in die Elbe gekommen seien. Die nächste Ausbaggerung könnte ihrem Beruf ganz den Garaus machen, fürchten sie: "Wir könnten in unseren angestammten Gebieten dann wohl nicht mehr fischen", sagt Walter Zeeck. In Zukunft weiter flussabwärts zu fischen, sei auch keine Alternative. "Bei Stade und Cuxhaven kann man kaum noch etwas fangen. Da ist auch schon zu viel gebaggert worden."