Der Salat der Zukunft wächst zwischen Brackel und Thieshope. “SalaVerde“ heißt die neue Sorte, die Deutschland größter Salatbaurer anbaut.

Der Blick schweift ungehindert. Nur ein Stück Wald, drei Windräder, die sich an diesem Tag mäßig drehen, und ein Dixie-Klo am Feldrand bieten Anhaltspunkte zur Orientierung. Hier irgendwo bei Brackel und Thieshope wächst Deutschlands Salat der Zukunft.

Deutschlands größter Salatbauer, die Behr AG, pflanzt hier eine Kreuzung aus Romana- und Kopfsalat an. "SalaVerde" heißt die neue Sorte, die nach etwa acht Jahren Entwicklungszeit in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist. Die Innovation vom Feld soll dem Salat das zurückgeben, was ihm bei der ständigen Optimierung für den Anbau abhanden gekommen ist: ein leckerer, aromatischer Geschmack.

Die Weiterentwicklung ist zart wie üblicher Kopfsalat, aber dank des Romana-Einflusses geschmacksintensiver und länger frisch als üblicher Kopfsalat. Sieben Tage mindestens hält der neue Salat sich im Kühlschrank - ideal für den Großstadtmenschen, dem die Zeit zum täglichen Einkauf abhanden gekommen zu sein scheint. Die länglichen Blätter eignen sich zum Buffet, als "Schiffchen" zum Anrichten von Dips.

Ganz so geheimnisvoll wie ein sogenannter Erlkönig in der Automobilbranche, also ein neuer Prototyp, ist eine neue Salatsorte zwar nicht. Sie wächst nun einmal auf dem Feld und lässt sich nicht verstecken. Die Namensrechte ihrer Erfindungen lassen sich die großen Gemüseerzeuger, 30 Erzeugerorganisationen in Deutschland haben Marktzugang, aber konsequent schützen, um sie exklusiv vermarkten zu können. Es geht um viel Geld: Etwa 150 Millionen Euro Umsatz macht die Behr AG.

4500 Jahre alt sind die ältesten Darstellungen von Salat. Reliefs, die dem Römischen Salat ähneln. In der Antike verbreitete sich der Salat von Ägypten aus in die griechische und römische Welt. Warum eigentlich, muss das seit Tausenden Jahren bekannte Naturprodukt eigentlich immer wieder neu erfunden werden?

"Salatinnovationen sind bei den Konsumenten und Händlern ausgesprochen beliebt", sagt Birger Exner. Das sei wie in der Süßwarenbranche: Lediglich ein paar Klassiker hätten die vergangenen zehn Jahre im Handel überlebt. Der 32 Jahre alte Gartenbauingenieur aus Neuenfelde ist der Chefvermarkter der Behr AG und damit einer der Strategen auf der Suche nach dem Gemüse von morgen.

Der "SalaVerde" ist im Kern leuchtend gelb. Neuheiten wie diese bringt im Seevetaler Salatimperium die Agrarmanagement GmbH, eine Tochter der Behr AG, in Zusammenarbeit mit dem Marketing und Salatgutlieferanten heraus. Die Entwicklung bis zur Markteinführung dauert sieben bis acht Jahre. Seit drei Jahren baut die Behr AG die von ihr erfundene Sorte "SalaRico" für den Handel an - knackig wie ein Eisbergsalat, aber mit mehr Geschmack.

"Im ersten Jahr zeigte sich die Sorte anfällig für Schädlinge", sagt Birger Exner. Mit Kulturmaßnahmen bekamen die Salatentwickler das Problem in den Griff: Sie duldeten kein Unkraut zwischen den Reihen, vergrößerten die Pflanzabstände. Einige Millimeter auf dem Feld können über den Ernteerfolg entscheiden.

Romanisch klingende Fantasienamen wie "SalaVerde" oder "SalaRico" assoziieren ein mediterranes Lebensgefühl, klingen nach Urlaub. An der Namensfindung für neue Salatsorten sind acht bis zehn Leute beteiligt. "Wir fragen Mitarbeiter im Unternehmen, Verbraucher und sprechen mit unseren Handelspartnern", sagt Birger Exner. Das könne bis zu einem Jahr dauern. Das letzte Wort habe Firmenchef Rudolf Behr. Allzu kreative Wortschöpfungen sind nicht gefragt: "Zu witzig sollte ein Name nicht sein", erklärt Exner, "wir haben es mit einer eher konservativen Käuferschicht zu tun."

Die ist aber durchaus empfänglich für Neues. "Spargoli" ist eine besonders gelungene Namensschöpfung. Ihre vor vier Jahren auf den Markt gebrachte Gemüseinnovation erinnert in Namen und Form an Spargel, ist aber reiner Brokkoli. "Spargoli" täuscht sogar die Sinne: "Die Leute haben die Assoziation und meinen, Spargel zu essen", hat Birger Exner bei Verbraucherbefragungen festgestellt. In den nächsten zwei Wochen, wenn die Spargelzeit in Deutschland endet, bringt die Behr AG den länglichen Brokkoli in den Handel und verlängert damit sozusagen die Spargel-Saison bis in den Oktober. "Spargoli" ist kein Anbautrick. Er ist vielmehr so alt, dass er wieder neu ist: die Urform von Brokkoli, wie sie schon von den Römern gegessen wurde.

Ohne neue Kommunikationstechnologien kommt selbst das Gemüse nicht mehr aus. Auf immer mehr Verpackungsfolien der bis zu 50 von der Behr AG vermarkteten Kulturen, befindet sich ein Quick-Response-Code. Wer sein Handy oder Tablet-PC vor das Wirrwarr aus schwarzen Mustern hält, lädt sich aus dem Internet Rezepte und Informationen über die Herkunft des Produktes herunter. Der "Schnelle-Antwort-Code" sei eine Anforderung der Handelsketten, sagt Birger Exner. Der Verbraucher scanne tatsächlich zunehmend seinen Salat, mit rapide steigender Tendenz: "In einem Monat hatten wir 320 Zugriffe - davor waren es lediglich 80."