Die Getreidebauern im Landkreis Stade sind entspannt: Sie rechnen dieses Jahr mit einer guten Ernte. Jetzt braucht das Getreide nur noch Regen.

Schwinge. Johann Knabbe sieht entspannt dem Ende des nächsten Monats entgegen. Die Getreideernte, meint der Kreislandwirt aus Schwinge, dürfte im guten Mittel liegen. Vor wenigen Wochen noch, so Knabbe, hätten die Landwirte im Landkreis Stade die Befürchtung gehabt, es könne zu trocken bleiben. Aber dann setzten doch die Niederschläge ein und das Wintergetreide wie Roggen und Weizen konnte sich von der Trockenheit erholen.

"Jetzt kann eigentlich nicht mehr viel passieren. Und wir hatten im Landkreis Stade keine Verluste beim Wintergetreide durch Frostschäden, im Gegensatz zu anderen Regionen in Deutschland. Insgesamt mehr als 600.000 Hektar Wintergetreide sind dort erfroren", sagt Knabbe. Mit Nachfrösten bei Temperaturen von minus 25 Grad komme kein Getreide klar.

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Erfahrungsgemäß sei der Juli im Kreis der regenreichste Monat des Sommers, sagt Knabbe, der 1991 den Hof Forstkamp in Schwinge vom Vater übernommen hat und heute 95 Hektar Land bewirtschaftet. Aber zu viel Regen sei weitaus besser zu verkraften als zu viel Trockenheit. Er habe Respekt vor dem, was die Natur dem Menschen biete, und Regen oder Trockenheit seien nicht zu beeinflussen. Daher müsse man es nehmen, wie es komme. Dann rechnet Knabbe vor: "Ein Millimeter Niederschlag bedeutet einen Liter Wasser auf einen Quadratmeter Boden. Auf den Hektar umgerechnet bedeutet das 10.000 Liter oder zehn Kubikmeter Wasser. Das ist ein kleines Schwimmbad. Getreide braucht viel Wasser, weil es, im Gegensatz zu Mais verschwenderisch mit der Feuchtigkeit umgeht."

Wenn ein Regen zwei bis drei Millimeter Wasser bringt, sei das keineswegs "pflanzenwirksam", sagt er. Ein Landwirt, der in einer Trockenphase seine Felder beregne, müsse seinem Getreide im Schnitt 20 bis 30 Millimeter Niederschlag gönnen.

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Das Getreide, das im Landkreis Stade angebaut wird, landet fast ausschließlich in Tierfutter. Auf 13.500 Hektar wachsen hauptsächlich Gerste, Roggen und Weizen. Das sind laut Knabbe 3.000 Hektar weniger als in den Vorjahren. Mit 7000 Hektar Anbaufläche dominiere ganz klar der Winterweizen. Auf 19.000 Hektar wächst Mais. Den Ausdruck Vermaisung mag Johann Knabbe nicht. Denn der Anbau von Mais sei im Kreis Stade mit der Zunahme der Biogasanlagen nicht gestiegen. "Niemand redet von Verweizung, Verrapsung oder Verkartoffelung."

Gerade von Verkartoffelung kann im Landkreis Stade wirklich niemand reden. Der Anbau des einstigen Hauptnahrungsmittels der Deutschen ist enorm zurückgegangen. Heute werden hier lediglich auf 1.600 Hektar die gesunde Knolle angebaut. Der Verbraucher reguliere, so der Landwirt, eben das Angebot. "Sommergetreide spielen hier eigentlich keine Rolle, weil sie zu wenig Ertrag bringen."

Eine Ernte sei niemals sicher, bevor sie nicht auf dem Wagen sei. Gerade starke Regenfälle und Hagel, erklärt der konventionelle Landwirt aus Überzeugung, könnten eine Getreideernte noch kurz vor Toresschluss ruinieren. Ebenso gut könne es auch noch bis zur Ernte Trockenphasen geben. Das könne eben, und das sei das Risiko bei der Landwirtschaft, niemand genau voraussagen.

Im Landkreis Stade muss ein Getreidebauer mit 600 bis 1.200 Millimeter Niederschlag im Jahr klarkommen. Derzeit rechnen Knabbe und seine Kollegen mit einem Ertrag von 60 bis 80 Doppelzentner, also sechs bis acht Tonnen pro Hektar.

Der Pilzbefall der Pflanzen habe sich in diesem Jahr bislang in Grenzen gehalten. Pilzkrankheiten können ganze Getreidefelder zerstören, weil die Pilze die Blätter der Getreidepflanzen befallen und sie dadurch an der Fotosynthese hindern. Bislang habe er seine Felder lediglich zwei Mal spritzen müssen, das sei weniger als in anderen Jahren, sagt Johann Knabbe. Drei bis vier Anwendungen sind die Regel.

Der Landwirt verkauft sein Getreide an den Landhandel. Der wiederum verkauft das Getreide weiter an die Futtermühlen, die das Korn zu Tierfutter verarbeiten. Dann landet das Futter auch wieder in Knabbes Schweinemast-Stall in Schwinge. "Ich bin sehr für regionale Kreisläufe", sagt er. Auf die Frage, ob eine gute Ernte die Preise für die Landwirte ruiniere, kann Johann Knabbe nur lachen: "Ob die Ernte im Landkreis Stade gut oder schlecht ist, ist nur ein Fliegenschiss für den Weltmarkt."

In Chicago an der Börse würden die Preise für Agrarstoffe gemacht, die Rapspreise beispielsweise würden an der Börse in Paris gehandelt. Da sei Deutschland eine ganz kleine Nummer, und den Landkreis Stade habe da niemand auf der Rechnung. Er als Landwirt müsse den Weltmarkt im Auge behalten, um mit seinem Händler vor Ort für sich die besten Preise raushandeln zu können.