Fünf Artotheken in der Region verleihen gegen eine geringe Gebühr rund 1000 Gemälde und Skulpturen regionaler und überregionaler Künstler.

Fünf mal vier Meter weiße Wand und keinerlei Inspiration? Ein Streifzug durch die Artotheken der Region zeigt, was möglich ist: Über dem grau melierten Sofa im Wohnzimmer könnte beispielsweise ein 104 mal 135 Zentimeter großes Bild mit dem Titel "Umbra" von Christopher Schultz-Brummer hängen. Den Platz daneben teilen sich ein handsigniertes Werk von Horst Janssen, eine Miniatur-Grafik von Max Pechstein und ein Acrylgemälde von Otmar Alt. Und die sonnige Zimmerecke im Süden bietet den richtigen Rahmen für eine Holzskulptur von Uwe Schloen. Das Tolle daran: Alle Kunstwerke sind für wenig Geld geliehen und können je nach Belieben ausgetauscht werden. Und die Auswahl ist groß: Der Bestand umfasst insgesamt mehr als 1000 Werke regionaler und überregionaler Künstler.

Artotheken funktionieren wie Bibliotheken. Gegen eine geringe Gebühr, die in der Regel zwischen drei und 15 Euro beträgt, dürfen Jugendliche und Erwachsene ein bis drei Werke verschiedener Künstler für die Dauer von zwei bis zwölf Monaten mit nach Hause nehmen. Meistens sind Artotheken tatsächlich einer Bibliothek angeschlossen; doch zu den Trägern gehören oft auch Museen, Kunstvereine, Kulturämter und Volkshochschulen. Was sich nicht im Eigentum der Artothek befindet, wird den Einrichtungen meist als Leihgabe aus Nachlässen oder von den Künstlern selbst zur Verfügung gestellt.

Die Idee des Kunstverleihs in Deutschland ist übrigens keine neue. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts gab der Kunst- und Buchhandel seinen Kunden gegen Gebühr verschiedene Werke mit nach Hause. Ziel war es, das Verständnis für Kunst zu fördern und Schwellenängste abzubauen. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 130 Arto- und Graphotheken.

Die größte Auswahl in der Region bietet zurzeit Buxtehude. Den städtischen Bilderverleih gibt es seit 1984. Zum Bestand gehören 460 Grafiken, Collagen, Radierungen, Aquarelle, Ölbilder, Bleistiftzeichnungen und Kleinplastiken sowie einige Skulpturen. Eigentümerin ist die Stadt. Lediglich zehn Prozent sind befristete Leihgaben.

Besonders beliebt bei den Kunden der Artothek an der Este sind die Bilder vom "Wettlauf zwischen Has' und Igel", der Geschichte, für die die Märchenstadt bekannt ist. Aber auch Bilder wie "Der kleine Drache" oder "Der Maler" von Otmar Alt werden regelmäßig verliehen. "Die sind bunt und sehr fröhlich", sagt Susanne Wiegel vom Kulturbüro. "Und das kommt immer gut an."

Einziger Wermutstropfen: Die Buxtehuder Artothek ist momentan geschlossen; der Bilderverleih beginnt erst wieder nach dem Umzug im Herbst. "Dann sind wir mit unserer Bildersammlung im historischen Rathaus zu finden", sagt Susanne Wiegel. In der Breiten Straße 2 sollen bis zu 300 aller vorhandenen Werke aus dem Bestand ausgestellt werden.

In der Ratsbücherei in Lüneburg, Am Marienplatz 3, werden seit 2001 Bilder und Skulpturen aus dem 400 Werke umfassenden Bestand der Sparkassenstiftung verliehen. Wer einen Leseausweis besitzt, kann Bilder von A. Paul Weber, Ernst Ludwig Kirchner und Horst Janssen mit nach Hause nehmen. Am häufigsten ausgeliehen wurden bisher allerdings der "Fisch" von Waldemar Drichel, die "Bunte Bohne" von Kurt Mühlenhaupt und das "Engelskarussell" von Regine Tarara.

Eine weitere große Artothek befindet sich in der Gemeindebücherei in Seevetal, Am Schulteich 1. Doch im Unterschied zu den meisten anderen Einrichtungen in der Region werden die angebotenen Bilder allesamt nach zwölf Monaten ausgetauscht und können sowohl ausgeliehen als auch gekauft werden. "Der Grund dafür ist, dass wir keinen Platz haben, um mehrere Exponate über längere Zeit zu lagern. Und das Budget für kulturelle Experimente ist ebenfalls knapp. Aber wir wollten unseren Bürgern trotzdem gern Kunst anbieten und haben deshalb ein eher unübliches Artotheken-Konzept entwickelt", sagt Leiterin Gabriele Maidorn. Und das komme gut an: "Auch Kunstwerke lesen sich manchmal aus wie ein Buch. Es ist wichtig, den Kunden immer etwas Neues zu bieten."

Aus diesem Grund stellen seit 2004 Jahr für Jahr immer vier bis fünf Künstler verschiedene Exponate in der Bücherei aus und machen damit Werbung in eigener Sache. Momentan sind in Naturfotografien von Olaf Krause aus Stelle, gegenständliche und halbabstrakte Acrylbilder von Regina Meier aus Stelle, blau gefärbte Bilder von Marion Sauer aus Hittfeld, abstrakte Acrylbilder von Werner Zickelbein aus Maschen und neuerdings auch Skulpturen von Ilona Schmidt aus Hamburg zu sehen. "Wir versuchen, bei unserer Auswahl immer eine gute Mischung aus verschiedenen Techniken und Stilformen hinzubekommen, damit für jeden Geschmack etwas dabei ist", sagt Gabriele Maidorn. "Dafür gehen wir dann auch schon mal über die Gemeindegrenzen hinaus." Die Leihgebühr in Seevetal richtet sich nach dem Verkaufswert des Bildes und liegt zwischen fünf und 15 Euro.

Auch in Neu Wulmstorf in der Bahnhofstraße 39 sind die Exponate der Artothek nicht ausschließlich Leihgut. Bis auf zwei der insgesamt 40 angebotenen Werke aus dem Privatbesitz verschiedener Hobbykünstler aus der Region sind alle für wenig Geld zu kaufen. "Leider steht unsere Artothek kurz vor dem Exitus. Wir werden sie wohl Ende des Jahres einschlafen lassen", sagt Büchereileiterin Ulla Vogt. Zwei Jahre nach der Gründung sei die Resonanz gleich Null. "Das liegt vielleicht auch daran, dass wir die Bilder aus Platzmangel über die Bücherregale hängen mussten. Wer nicht weiß, dass dort welche sind, schaut nicht unbedingt nach oben."

Die Artothek in der Stadtbücherei in Buchholz in der Nordheide, Kirchenstraße 6, bemüht sich derweil um einen Neuanfang: Büchereileiterin Heike Hansen: "Unsere Einrichtung haben wir 2008 komplett aufgelöst, weil die Bücherei renoviert wurde und wir deshalb keinen Platz mehr für die Exponate hatten. Jetzt sind wir gerade dabei, wieder neue Werke anzukaufen."