Vier junge Brasilianerinnen lernen in Stade Deutsch - um der Armut zu entkommen. Der Verein “Ajude tambem - Hilf mit“ unterstützt sie.

Stade. Die Augen der vier Brasilianerinnen strahlen beim Anblick von Pommes und Steak in einem Restaurant in Stade. Zu Hause gibt es jeden Tag nur Bohnen mit Reis. Zu Hause, das ist in Nazaré. Die Kleinstadt liegt im Nordosten Brasiliens, in einer der ärmsten Regionen des Landes. Hier leben die vier 18 Jahre alten Mädchen Iuli Naponoceon, Liliane Santona, Cristiele Banbosa und Paloma Sontas mit ihren Familien in bescheidensten Verhältnissen. Die Mütter sind meist alleinerziehend und arbeitslos. Dass es dort überhaupt eine warme Mahlzeit gibt, verdanken die vier jungen Frauen einem Kindertagesheim in Nazaré und der Unterstützung des Fördervereins "Ajude tambem - Hilf mit".

Der Verein wurde 2003 von Frank Schollemann aus Stade gegründet, der früher oft geschäftlich in Brasilien unterwegs war und das Leid und die Armut der Bevölkerung nicht länger tatenlos hinnehmen wollte. Mit seinem Verein unterstützt Frank Schollemann nun schon seit einigen Jahren die Kinderbetreuungsstätte in Nazaré, vermittelt Patenschaften für die Kinder, sorgt für neue Schulräume, Lebensmittel, Medikamente und für noch viel mehr. Er ist es auch, der die vier Mädchen nach Deutschland geholt hat. Alle haben vor kurzem die weiterführende Schule in Brasilien erfolgreich abgeschlossen. Ein dreimonatiger Aufenthalt in Deutschland soll ihnen nun erste Grundkenntnisse der deutschen Sprache vermitteln. Ziel des Besuchs ist ein Deutsch-Zertifikat der Stufe A1. Mit diesem könnten die Mädchen anschließend ein Jahr als Au-pair nach Deutschland zurückkommen und die Sprache richtig lernen.

+++ Brasilien: Boeing und Embraer vereinbaren Kooperation +++

Die Entscheidung, die Mädchen nach Deutschland zu holen, haben sich die Mitglieder des Vereins nicht leicht gemacht. Sie aus der Armut ins wohlhabende Deutschland einzuladen und sie anschließend wieder zurückzuschicken ist ein großes Risiko. Letztlich überwog jedoch die Aussicht auf bessere Berufschancen in Brasilien, die die Mädchen durch diesen Aufenthalt bekommen. "Bildung ist in Nazaré der einzige Weg aus der Armut", sagt Schollemann. Mit Bedauern in der Stimme erzählt er von einem Mädchen aus der Tagesstätte, das mittlerweile Mutter ist und die Schule abgebrochen hat. "Sie wird dem Teufelskreis aus fehlender Bildung und Armut nie entkommen können", sagt Schollemann, der viele der 200 Kinder aus der Betreuungsstätte persönlich kennt und Anteil an den einzelnen Schicksalen nimmt.

Während ihrer Zeit in Stade wohnt Iuli Naponoceno bei Traute Tielmann, der Kassenwartin des Vereins. Die andern drei Mädchen wohnen momentan bei Frank Schollemann. Sie besuchen viermal wöchentlich für jeweils drei Stunden einen privaten Deutschunterricht. Dazu wurde den Mädchen im Pastor-Behrens-Haus in Stade unentgeltlich ein Raum zur Verfügung gestellt. Und der Unterricht zahlt sich aus. Nur zwei Monate nach ihrer Ankunft Anfang Februar zeigen sich erste Erfolge. Noch etwas unsicher bei der Aussprache, aber frei erzählen die Mädchen auf Deutsch von ihren Hobbys, von ihrer Familie und was sie einmal werden möchten. "Ich habe einen Traum, ich möchte Ärztin werden", sagt Liliane Santona. Ein ehrgeiziges Ziel. Die Aussicht, dass sie es auch wird erreichen können, ist leider gering.

"Die Kosten für ein Studium kann der Verein finanziell nicht tragen", sagt Schollemann. Trotzdem lohnt es sich, Deutsch zu lernen. Die Mädchen könnten mit guten Fremdsprachenkenntnissen in der wachsenden Tourismusbranche in Brasilien unterkommen und so endlich der Armut entfliehen.

Für den Moment genießen die Mädchen ganz unbeschwert die Zeit in Stade in vollen Zügen. Sie gehen tanzen, zum Volleyball, ins Konzert, machen Radtouren und unternehmen Ausflüge in die Region. Ende April müssen die Mädchen wieder zurück nach Brasilien. Wie es dann für sie konkret weitergeht, ist noch ungewiss. Wo möglich, sollen die jungen Brasilianerinnen aber auch weiterhin von dem Verein und ihren Paten unterstützt und begleitet werden. Liliane Santona hat sogar schon eine Stelle als Au-pair bei einer deutschen Familie in Aussicht. Mit dem Besuch der vier ist Schollemann schon jetzt so zufrieden, dass weitere Sprachaufenthalte in Stade mit Kindern aus dem Kindertagesheim geplant sind.

Wer den Verein "Ajude tambem - Hilf mit" finanziell unterstützen möchte oder eine Patenschaft für ein Kind übernehmen will, der kann sich bei dem Ersten Vorsitzenden Frank Schollemann melden und informieren. Er ist zu erreichen per E-Mail unter frank@schollemann.de oder telefonisch unter 04141/98 14 49.