Denkt an Zukunft: Der SPD-Ratsherr Osman Can fordert eine Beteiligung von den Menschen im Altländer Viertel an dem Konzept für die Sozialarbeit.

Stade. Derzeit läuft die Jugendsozialarbeit im Altländer Viertel auf Sparflamme. Und die Zukunft ist ungewiss. Niemand, so ein Bewohner des Altländer Viertels, der namentlich nicht genannt werden will, wisse, wohin jetzt "für unsere Kinder und Jugendlichen die Reise geht".

Gerade erarbeitet die Verwaltung der Hansestadt Stade ein neues Konzept für die Kinder- und Jugendsozialarbeit. Das Konzept wird in zwei Wochen als Vorlage für die nächste Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugendliche, Senioren, Soziales und Familie am Mittwoch, 25. April, an die Ausschussmitglieder verschickt. Im Altländer Viertel wird viel Hoffnung an dieses neue Konzept geknüpft. Allerdings besteht auch die Sorge darüber, die Stadt könne an der falschen Stelle sparen wollen, und in ihrem neuen Konzept keinen Schwerpunkt in dem Stader Problemviertel setzen.

Der Vertrag des Streetworkers im Viertel läuft zum Jahresende aus. Die Stelle einer Sozialpädagogin im Jugendhaus wurde nicht wieder besetzt. Nachdem die Hansestadt den Vertrag mit der evangelischen Kirche, die hier offene Jugendarbeit angeboten hatte, Ende letzen Jahres auch noch kündigte, ist das Quartier eine Brache. An zwei Nachmittagen ist das Jugendhaus geöffnet. Ein Mal in der Woche können die Jungs Fußball spielen. Dazu können sie sich aber nicht mehr in der Sporthalle der Montessori Schule im Viertel treffen. Sie müssen ans andere Ende der Stadt reisen, in die Sporthalle der Schule Hohenwedel. Einer, der sich für die Menschen in seinem Wohnquartier einsetzt, ist Osman Can. Can lebt hier und kennt die Menschen. Er weiß, dass hier im Altländer Viertel die Integration weitgehend gescheitert ist. Jüngst soll eine Gruppe Sintis bei Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) einen Antrag eingereicht haben, in dem sie eine separate Unterbringung in Stade für ihre Volksgruppe gefordert haben.

Auch bei seinen eigenen Landsleuten hapere es mit der Integration, sagt Can. "Die Leute kommen nach Deutschland. Im Kopf haben sie, dass sie bald wieder in ihre Heimat zurückkehren. Man verlangt von diesen Menschen, dass sie sich, dass sich ihre Kinder, die hier geboren sind, integrieren. Aber niemand fragt sie, was sie brauchen. Und dann wundert man sich, dass Onkel Mehmet nach 20 Jahren harter Arbeit immer noch nicht richtig Deutsch spricht", sagt Can.

+++ Vier Millionen Euro für den Kreis +++

Um so mehr hofft der gebürtige Türke, der sich in der vergangenen Kommunalwahl auf SPD-Ticket in den Stader Stadtrat wählen ließ, auf ein Konzept, in dem sein Viertel besonders berücksichtigt wird. Can: "Wir werden sehr diskutieren müssen im Rat, bevor das endgültige Konzept steht. Denn eines muss der Stadt und dem Rat klar sein, wenn wir den Jugendlichen hier keine Perspektive anbieten mit einer guten Jugendarbeit, dann entwickeln sie sich zum Problem." Can warnt davor, den Menschen ein Konzept "von oben zu verpassen". Verwaltung und Politik würden, so der Stader Ratsherr, einen "großen Fehler machen, wenn sie die Ressourcen, die es vor Ort gibt, nicht in ihre Pläne einbeziehen".

Stade könne, so Osman Can, auch die Ressourcen der Vereine, die sich vor Ort etabliert hätten, mit in die Konzeptionierung der Kinder- und Jugendarbeit einbeziehen. Ende letzten Jahres gründete Can mit anderen Akteuren im Altländer Viertel und im Landkreis Stade den Dachverband "Sozial e.V.". Der Verband hat zum einen das Ziel, die Integration von Migranten zu fördern. Zum anderen will er gerade im Altländer Viertel die vielen Vereine, die die einzelnen ethnischen Gruppen wie Libanesen, Türken, Kurden, Sinti und Araber gegründet haben, öffnen. "Es hat keinen Sinn, wenn wir den Kindern und Jugendlichen in ihrem Jugendhaus beibringen, selbstbewusst durchs Leben zu gehen, sich als Teil dieser Gesellschaft zu fühlen, und das Elternhaus spielt nicht mit." Daher sei es gerade im Altländer Viertel wichtig, diese Vereine, in denen die Eltern derer organisiert seien, die in den Genuss der Kinder- und Jugendsozialarbeit kommen sollten, an dem Konzept zu beteiligen.

Als die Hansestadt die Verträge mit der Kirche kündigte, hatte Silvia Nieber diesen Schritt unter anderem damit begründet, dass Stade aus finanziellen Gründen eine zukunftsfähige Lösung für die offene Jugendarbeit finden müsse. Mit solchen Sätzen wird die Angst in Quartieren wie dem Altländer Viertel geschürt, die offene Jugendarbeit werde kaputt gespart.

Diese Angst teilt unter anderen auch Uwe Merckens (Bündnis 90/Die Grünen). "Wir wissen alle nicht, was kommt. Aber hier an der Jugendarbeit zu sparen, hätte fatale Folgen." Eine Ratskollegin Kristina Kilian-Klinge, Fraktionschefin der CDU ist der Überzeugung, dass mit dem neuen Konzept ein Neuanfang bei der offenen Jugendarbeit gemacht werden könne. Das gelte für das Altländer Viertel und für die ganze Hansestadt. "Die Ansprüche der Kinder und Jugendlichen haben sich geändert, und neue Personen bringen neue Perspektiven."