Austauschschüler aus der japanischen Katastrophen-Region Sendai knüpften Freundschaften mit Schülern ihrer Partnerschule.

Stade. In der Stader Altstadt fällt die Gruppe entdeckungsfreudiger Japaner auf, die begleitet von einer Reiseführerin durch die verwinkelten Gassen mit Fachwerkhäusern zieht. Die Gäste aus Asien sind Schüler der Shokei Gakuin Highschool in Sendai, der Partnerschule des Vincent-Lübeck-Gymnasiums (VLG) Stade. Bereits zum dritten Mal sind nach 2007 und 2009 japanische Austauschschüler in Stader Gastfamilien. Schüler des VLG waren in den Jahren 2008 und 2010 zu Gegenbesuchen in der rund eine Million Einwohner zählenden Stadt Sendai an der Pazifikküste.

Das Verhältnis zwischen den beiden Partnerschulen wurde noch intensiver, als Japan 2011 schwer von dem Tsunami heimgesucht wurde und Schüler der Partnerschule direkt von der Naturkatastrophe betroffen waren. Die Stadt Sendai liegt nur etwa eine Stunde Autofahrt nördlich von Fukushima entfernt. Einige Schüler verloren Familienangehörige durch das Unglück, andere ihr Zuhause.

Um die Not zu lindern, sammelten Schüler und Lehrer des VLG mehr als 50 000 Euro und spendeten das Geld betroffenen Familien. Wo Eltern gestorben sind, konnte manchen Kindern wenigstens mit einem Stipendium geholfen werden. Und da auch ein Jahr nach der Katastrophe die Not in Japan nicht beseitigt ist, sammeln die Stader Schüler noch immer für ihre japanischen Freunde.

Bei ihrem offiziellen Empfang im Stader Rathaus bedankten sich die japanischen Schüler mit einem Wandteppich bei ihren engagierten Helfern für die großartige Unterstützung. Bis das Geschenk an das VLG übergeht, wird es im Stader Rathaus hängen.

Eine Woche bleiben die Austauschschüler in der Hansestadt. Nachdem die Schüler auch schon in Hamburg unterwegs waren, steht an diesem Tag eine Führung durch Stade auf dem Programm.

Stadtführerin Rosi Oltmanns zeigt den Schülern und drei Lehrern, darunter der stellvertretende Schulleiter, Kimio Saitoh, Stades schönsten Sehenswürdigkeiten. Bei der Führung vom Stadeum über den Burggraben, vorbei am Hahnentor zum Altstadt Café, sind die malerischen Fachwerkhäuser und geschwungenen Brücken über die Schwinge ein beliebtes Fotomotiv bei den Japanern.

Rosi Oltmanns erzählt dazu Geschichtliches und kleine Anekdoten über die Hansestadt. Allgemeines Kichern macht sich unter den japanischen Gästen breit, als Rosi berichtet, dass in dem Fluss Schwinge früher nicht nur der Hausunrat entsorgt, sondern dass aus ihm gleichzeitig das Wasser zum Bierbrauen geschöpft wurde.

Dolmetscherin Mihoko Kimura übersetzt ins Japanische. Sie kommt selbst aus Sendai und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Schwierigkeiten beim Dolmetschen gibt es nur, wenn Rosi Oltmanns Anekdoten "op Platt" zum Besten gibt. Die Tour führt weiter zum Hafen, vorbei an der Fischfrau, dem Schwedenspeicher und entlang der Hafencity.

Obwohl die Schüler aus einer Millionen-Metropole kommen, können sie sich für das beschauliche Stade mit dem historischen Charme begeistern. "Es ist sehr schön", sagt Hara Ayan, die das erste Mal in Deutschland ist. Die Führung endet nach unzähligen Schnappschüssen der Japaner an der Kirche St. Cosmae et Damiani. Hier treffen sie auf ihre deutschen Gastgeschwister.

Die 15 Jahre alte Luise Kahler begrüßt freudig Maho Sakata. Beide wohnen in der Woche zusammen und verstehen sich richtig gut. "Auch wenn es manchmal kleine Schwierigkeiten mit der Verständigung auf Englisch gibt, zusammen lachen klappt immer", sagt Luise Kähler.

Ziel des Austauschs ist es, Freundschaften zu knüpfen und Sprachbarrieren zu überwinden. Der Austausch fördert Toleranz und öffnet den Blick für andere Kulturen. "Auch über die Dauer des Austauschs hinaus bleiben viele Freundschaften bestehen", sagt Axel Kleindienst, Lehrer am VLG. Viele schreiben sich regelmäßig E-Mails. Gerne würde Luise ihre Gastschwester auch in Sendai besuchen. Ob dies möglich sein wird, ist ein Jahr nach der verheerenden Katastrophe jedoch noch fraglich.

An diesem Tag steht noch gemeinsames Kochen auf dem Programm. Die Schüler des VLG wollen mit ihren japanischen Gästen ein multinationales Gericht zubereiten. Nach ihrem Aufenthalt in der Hamburger Metropolregion geht es für die japanische Gruppe dann weiter nach Berlin. Wo sich die Austauschschüler und ihre deutschen Gastgeber wiedersehen ist unklar. Aber dass sie sich wiedersehen, da sind sich die Schüler sicher.