Rund 30 Millionen Euro muss die Hansestadt Stade in den kommenden 20 Jahren in ihre teilweise maroden Rohrleitungen investieren.

Stade. Rund 30 Millionen Euro wird die Hansestadt Stade in den nächsten Jahren in ihr teilweise marodes Kanalnetz investieren müssen. Derzeit wird das gesamte Netz systematisch auf Schäden untersucht. Neun von zwölf Abschnitten sind bereits untersucht, die Schäden klassifiziert und dokumentiert. Das Ergebnis der Untersuchung präsentierte Gerhard Hacker, Betriebsleiter der Abwasserentsorgung Stade (AES), jetzt den Mitgliedern des Betriebsausschusses des Stadtrates. "Tenor der Untersuchungsergebnisse, die wir bisher zusammengetragen haben, ist, dass wir einen großen Sanierungsbedarf haben. Aber man muss auch sagen, dass wir das System in einem vernünftigen Zeitrahmen auf Vordermann bringen können."

Zum Vergleich: Bundesweit rechnen Fachleute mit einem Sanierungsbedarf von 20 Prozent der öffentlichen Kanäle. Das entspricht einem mittelfristigen Sanierungsbedarf von etwa 50 bis 55 Milliarden Euro. Der insgesamt gesunkene Wasserverbrauch führt vielerorts dazu, dass Kanalrohre versanden. Auch das führt dauerhaft zu Schäden am System. In Stade, so Gerhard Hacker, sei dies "glücklicherweise" noch kein Thema.

Im Zuständigkeitsbereich der AES liegen 180 Kilometer Schmutzwasserkanal und 220 Kilometer Regenwasserkanal. Hacker: "Wir haben Stellen, an die wir jetzt sofort ran müssen, weil sie einfach kaputt sind." 1878 wurde in der Hansestadt mit der Verlegung des ersten Schmutzwasserkanals begonnen, einige Rohre sind dementsprechend sehr alt. Verschleiß und Alter sind die natürlichen Feinde eines Schmutzwasserkanals. Zudem macht der stark zunehmende Schwerlastverkehr nicht nur die Straßen kaputt, die Lkw schaden auch den Kanalrohren. Besonders gefürchtet bei Fachleuten ist der Einwuchs. Hacker erklärt: "Wenn Muffen undicht und beschädigt sind, dann suchen sich die Wurzeln der Pflanzen sehr schnell den Weg durch die undichten Stellen im Kanal." Unfachmännische Verlegung der Kanalrohre könne, so Hacker, sogar dazu führen, dass der Boden unter dem Rohr wegsacke und das Kanalrohr durchbreche. Schäden entstehen auch, wenn neue Hausanschlüsse unsachgemäß verlegt werden.

"Wir brauchen eine vernünftige Sanierungsstrategie für die kommenden Jahre", so der AES-Betriebsleiter. Auf rund drei Millionen Euro schätzen die Fachleute die Kosten für die Sanierung des Regenwasserkanals im Bereich Klein Thun, Riensförde und im Gewerbegebiet Stade Süd. Hier ist der Sanierungsstau am Regenwasserkanal stadtweit am größten. Auch der Schmutzwasserkanal in diesem Bereich weist einen großen Sanierungsbedarf auf: Rund zwei Millionen Euro muss die Hansestadt hier investieren. Hacker: "In Ottenbeck im Bereich der Neubaugebiete sieht die Lage recht gut aus, obwohl wir da auch noch sehr alte Kanäle aus den Zeiten der Kaserne haben." Die Materialien, die in der Nachkriegszeit unter dem Stader Stadtgebiet verlegt wurden, seien besonders schadhaft, weil das damals verfügbare Material schlecht war. Am wenigsten sanierungsbedürftig sind die Rohrleitungen des Schmutzwasserkanals im Untersuchungsabschnitt Hagen. Hier rechnen die Ingenieure der AES mit Kosten von "nur" rund 100 000 Euro für die notwendigen Reparaturarbeiten.

Je nach Investitionsvolumen, dass die Stadt für das Sanierungsprogramm frei gebe, so Gerhard Hacker, stünden zwei Varianten zur Auswahl. Variante I ist eine umfassende und ursachenorientierte Sanierung aller Schäden. Damit kann eine Lebensdauer des Kanals von 60 bis 80 Jahre erreicht werden. Die abgespeckte Variante II beinhaltet partielle Reparaturen der Schäden, "um die Mindestanforderung an die Standfestigkeit des Kanals zu gewährleisten", so Hacker. Diese Reparaturen haben im Durchschnitt eine Lebensdauer von fünf bis 15 Jahren. Variante II ist zwar kostengünstiger, aber eben nur Flickwerk. Die Schadensursache wird nicht behoben, neue Schäden sind programmiert.

Einen Lichtblick aber hat der Betriebsleiter der Stader Politik dann doch zu bieten: Die Baukosten für die Reparaturen seien in den vergangenen Jahren durch verbesserte und neue Techniken gesunken. Mit dem modernen Roboter-Verfahren sei es für kleinere Reparaturen sogar überflüssig geworden, sagt Gerhard Hacker, die Rohre freizulegen. Sogenannte Inliner, stabile Plastikschläuche, werden in das vorhandene, schadhafte Kanalrohr eingeführt. Hacker: "Wir versuchen, die Anwohner so wenig wie möglich durch die Reparaturen zu nerven. Und wir arbeiten in ganz enger Abstimmung mit der Straßenbauabteilung der Stadt."

Wann immer eine Straße aufgerissen, repariert oder erneuert werden muss, sind die Kanalbauer der AES zur Stelle, um an dieser Stelle den Kanal bei Bedarf zu reparieren. Abschließend rechnet der Betriebsleiter den Stader Politikern vor, dass die Stadt jährlich mit einem Investitionsvolumen von einer bis 1,5 Millionen Euro rechnen muss, um das Kanalsystem unter der Erde der Hansestadt zu sanieren.

Ausschlaggebend dafür, ob es eine grundlegende Sanierung geben wird oder lediglich die gröbsten Schäden repariert werden, ist die Entscheidung des Stadtrates der Hansestadt. Er muss die entsprechenden Mittel im Haushalt einstellen. Nun werden die Fraktionen intern darüber beraten.