Interview mit Felix Meyer. Er wurde in der Lüneburger Fußbängerzone entdeckt und zieht mit seiner Band immer wieder dorthin, wo die Karriere begonnen hat.

Felix Meyer ist einer dieser viel gereisten Straßenmusiker. Er spielte mit seiner Band schon auf fast allen Straßen Europas. Entdeckt wurde der gebürtige Berliner aber ausgerechnet in Lüneburg.

Hamburger Abendblatt : Lüneburg spielte für dich und deine Karriere eine große Rolle. Kannst du dich an deinen ersten Kontakt mit der Stadt erinnern?

Felix Meyer : Ja, klar. Wir hatten zu Schulzeiten in Berlin eine Band, mit der wir immer mal wieder quer durch Europa reisten. Eines Tages haben wir am Bahnhof von Montpellier junge Musiker aus Lüneburg kennengelernt. Weil wir uns auf Anhieb ganz großartig verstanden haben, wurde beschlossen noch eine Nacht in Montpellier zu verbringen und Straßenmusik zu machen. Das ist bestimmt schon 20 Jahre her, aber da kam das erste Mal Lüneburg ins Spiel.

Du hast hier auch Zivildienst geleistet .

Felix Meyer : Ja, genau. Ich fand die Stadt auf Anhieb sehr schön und entschied mich, für einige Zeit hier zu leben. Ich hab dann meinen Zivildienst im Landeskrankenhaus gemacht und in der Zeit natürlich mit der Musik nicht aufgehört. Zum Beispiel habe ich mit meiner Band häufiger kleine Lüneburg-Touren gemacht, bei denen wir jeden Tag in einer anderen Kneipe spielten. Nach dem Ende meines Zivildienstes sind wir als Band wieder mehr durch Europa gereist, einer der Gitarristen dabei war dann auch aus Lüneburg. Das ist neben der Liebe zur Stadt auch der Grund dafür, dass unsere meisten Auftritte in Deutschland bisher wohl in Lüneburg stattfanden.

Hier wurdet ihr auch sozusagen entdeckt!?

Felix Meyer : Genau, bei einem unserer Auftritte lief uns Peter Hoffmann, der Produzent von Tokio Hotel, über den Weg. Wir haben damals auf der Straße gespielt, um ein Konzert am Abend anzukündigen. Dabei stand er im Publikum und kam dann abends mit seiner Familie zum eigentlichen Auftritt. In der Pause sprach mich Peter Hoffmann an und lud mich zu einem Treffen ein. Unsere Auffassung von Musik stimmte ganz gut überein und wir waren uns auch über die Ausrichtung - grobe Richtung: deutscher Chanson - einig.

Etwas später stellte er mir dann seinen alten Produzentenfreund Franz Plasa vor. Ab diesem Zeitpunkt war ich völlig dabei. Immerhin hatte Franz Plasa mit "Keimzeit" und "Selig" zwei Bands meiner Jugend produziert. Deshalb bin ich auch sehr glücklich, dass er sowohl unser erstes Album "von Engeln und Schweinen", als auch die aktuelle CD "erste Liebe/ letzter Tanz" produziert hat.

Gerade am Rande der Musikindustrie gibt ja viele Spinner und Wichtigtuer. Wie häufig wird man als guter Straßenmusiker von solchen Leuten angesprochen?

Felix Meyer : Du hast mit dieser Einschätzung völlig recht. Im Laufe der Jahre gab es unglaublich viele Menschen, die uns nach einem Auftritt vor 70 oder 100 Leuten eine Visitenkarte in die Hand gedrückt haben. Dann fielen gerne solche Sätze wie "Ich kenne Campino von den Toten Hosen, ruft mich mal an." Klar ist man bei so etwas eher skeptisch. Dazu kommt noch, dass ich es gar nicht darauf angelegt hatte, Musiker zu werden. Als mich Peter Hoffmann ansprach, hatte ich gerade mein Fotografiestudium abgeschlossen und war auf dem besten Weg, Fotograf zu werden.

Wie skeptisch warst du als grundsolider Straßenmusiker eigentlich, als plötzlich der Produzent von Tokio Hotel vor dir stand?

Felix Meyer : Wie Du Dir vorstellen kannst, konnte ich nicht so viel mit Tokio Hotel anfangen. Aber man merkte bei Peter Hoffmann gleich, dass er keinen Quatsch erzählt. Der Produzent von Tokio Hotel zu sein, das denkt sich keiner aus. Außerdem waren mit Falco und Ben Becker auch zwei Namen dabei, mit denen ich deutlich mehr anfangen konnte. Darum habe ich ihn kurze Zeit später in Vögelsen besucht und mein positiver erster Eindruck hat sich dort bestätigt. Auch wenn wir beim neuen Album nicht mehr zusammengearbeitet haben, unterhalten wir uns immer noch viel und gerne über Musik.

Du hast inzwischen einen Plattenvertrag bei 105 music, dem Label von Ina Müller. Dein zweites Album ist gerade erschienen. Schaffst du es überhaupt noch auf der Straße zu spielen?

Felix Meyer : Klar! Die letzten drei Jahre haben wir sowohl auf der Straße als auch in Clubs gespielt. Häufig waren wir schon vorher in der Stadt und haben in den Fußgängerzonen für unsere Konzerte Werbung gemacht. Oft dreimal am Tag jeweils eine Stunde - ganz ohne Verstärker. Viele der Passanten sind dabei nicht nur stehen geblieben, sondern kamen dann auch abends zu den Konzerten.

Würdest du also sagen, dass sich Straßenmusik lohnt?

Felix Meyer : Definitiv, man bekommt natürlich erst mal ein sehr direktes Feedback auf die Musik und die Texte. Finanziell gesehen würde ich nicht mein ganzes Leben darauf bauen wollen, aber als Studentenjob habe ich das immer als sehr angenehm empfunden. Ich musste dadurch nicht Kellnern. Wir haben fast jedes Wochenende in Lüneburg gespielt und konnten davon dann wieder eine Zeit lang unseren Lebensunterhalt bestreiten.

In jeder Stadt gibt es eine Genehmigungsordnung für Straßenmusiker. Wie bekommt man die in Lüneburg?

Felix Meyer : In Lüneburg kann man sich für - ich glaube 3,50 Euro - eine Genehmigung kaufen.

In welcher Stadt ist die Auflage denn besonders absurd?

Felix Meyer : Wir haben leider noch nie in München gespielt. Dort geht es echt kurios zu. Es wird nämlich pro Tag nur eine bestimmte Anzahl an Genehmigungen vergeben und dafür muss man dann entsprechend beim Amt vorspielen. Das hat schon etwas von einem kleinen Casting.

Hand aufs Herz! Habt ihr euch in jeder Stadt an die Genehmigungsordnung gehalten?

Felix Meyer : Nein, meistens haben wir es wirklich drauf ankommen lassen. Die Auflagen sind einfach zu unterschiedlich. Es gibt Städte, in denen man nur mit vier Personen auftreten oder kein Schlagzeug benutzen darf, egal wie man es spielt. Darauf kann man sich als Band nicht immer neu einstellen. Darum haben wir meist die Regeln ignoriert und abgewartet, was passiert.

Wie flexibel sind denn die städtischen Ordnungsbeamten?

Felix Meyer : Wir haben überwiegend sehr positive Erfahrungen gemacht. Viele Ordnungsbeamte entscheiden das wirklich nach Augenmaß. Da stehen jetzt 150 Leute um die Band und haben Spaß. Das gehört einfach auch zur Atmosphäre einer Stadt dazu und sollte auch bestehen bleiben. Manchmal wurden wir über die Regeln aufgeklärt mit dem Zusatz: "Wir sind jetzt erst mal woanders unterwegs und in einer Stunde kommen wir wieder. Bis dahin solltet ihr fertig sein."

Habt ihr in Lüneburg das gleiche Programm gespielt, wie zum Beispiel in Lyon oder Marseille?

Felix Meyer : Das hat sich entwickelt. Früher haben wir fast nur auf Zuruf und ohne eigene Songs gespielt. Von Sting über französische Chansons und Ben Harper bis hin zu Manu Chao war alles Mögliche dabei. Nachdem "von Engeln und Schweinen" rauskam, haben wir uns mehr auf die eigenen Lieder konzentriert und sind seitdem nicht mehr so viel in ganz Europa unterwegs.

Wie empfindest du denn die Konkurrenzsituation unter Straßenmusikern? In Berlin gibt es ja viel mehr Mitbewerber um die Aufmerksamkeit. Ist das zum Beispiel in Lüneburg entspannter?

Felix Meyer : Berlin ist wirklich kein idealer Platz für Straßenmusiker. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass es keine direkte Innenstadt wie in beinah jeder anderen Großstadt gibt. Natürlich spielen dort auch wahnsinnig viele Straßenmusiker, mit denen kommt man sich aber kaum in die Quere, sondern findet immer eine gute Lösung.

Ist Lüneburg also besser?

Felix Meyer : Das kann ich nicht pauschal sagen. Wir sind immer gerne nach Lüneburg gekommen, weil wir dort wirklich sehr viel Zuspruch bekommen haben und regelrecht aufgesogen wurden. Allerdings können wir dort nur am Samstag auftreten, in der Woche wären wir wahrscheinlich recht einsam in der Fußgängerzone. Dieses Problem hat man natürlich in den größeren Städten nicht. Darum kann ich gar nicht sagen, was besser ist. Viel mehr haben beide Orte ihre Vor- und Nachteile.

Worin liegt denn der Hauptunterschied zwischen dem Auftritt auf der Straße und in einem Club?

Felix Meyer : Wenn du in einem Club spielst, sind die Zuschauer wegen uns dort. Auf der Straße muss man sie erst von sich überzeugen. Man kann nicht einfach mit einer ruhigen Nummer einsteigen, sondern muss gleich versuchen, aufzufallen. Mit einer guten Songauswahl kann man so auf einen Schlag oft 50 bis 60 Leute für sich gewinnen. Die ruhigen und intimen Stücke kann man dann mittendrin spielen, wenn einem schon viele zuhören.

Legst du großen Wert darauf, diese besondere Atmosphäre von der Straße auch auf dein jeweiliges Studioalbum zu übertragen?

Felix Meyer : Ich finde, das sollte man gar nicht versuchen. Es gibt einfach eine Trennung zwischen Album- und Liveversionen. Eine Album-Produktion darf ruhig ein ganzes Stück komplexer sein als die Straßenversion. Man muss sich dann nur überlegen, wie man das zu sechst gut live umsetzen kann. Mit dem Megafon versuche ich, die Trompeten zu ersetzen, die Chöre springen für die Streicher-Arrangements ein.

Am 7. März spielt ihr ja in Lüneburg. Werdet ihr die beiden Tag davor auch wieder in der Fußgängerzone musikalisch aktiv sein, um Werbung für euch machen?

Felix Meyer : Wahrscheinlich eher nicht. Der Winter ist doch sehr hart für Straßenmusik. Gerade für Gitarristen sind die Auftritte bei Null Grad wirklich schmerzhaft. Deshalb haben wir uns vorgenommen, es bei dieser Tour einmal ohne die Konzerte auf der Straße zu probieren. Hoffentlich kommen trotzdem genug Menschen. Aber in Lüneburg kann es schnell mal sehr voll und gemütlich werden. Das wird bestimmt richtig gut.