24.000 Menschen feierten am Wochenende bunt kostümiert die fünfte Jahreszeit beim Karneval in Stade und beim Faslam in Winsen.

Stade/Stöckte/Winsen. "Eins, zwei!" - "Helau!" "Drei, vier!" - Helauuuu!" Am Sonnabend stand Stade Kopf beim Karneval, als das Narrenschiff "Gertrud" erneut durch die Gassen der Stader Altstadt segelte. Auch Stöckte und Winsen standen schon vor dem heutigen Rosenmontag ganz im Zeichen des Faslams, dem Karneval für norddeutsche Jecken. Der Stöckter Faslam ist der größte Faslam in Norddeutschland und stolze 20 000 Zuschauer säumten die Straßen.

Pünktlich um 15 Uhr setzte sich am Sonnabend in der Stader Altstadt das Narrenschiff der Stader Fasnachtsgilde, die berühmte "Gertrud", mit gehissten Segeln in Bewegung und führte einen Zug von etwa 30 bunt kostümierten Gruppen an, die in diesem Jahr den Fasnachtsumzug begleiteten. Alles verlief nach Plan - bis auf zwei Kleinigkeiten. Zum einen blieb die "Gertrud" unverhofft in der Altstadt stecken, denn ein Karnevalsfeind hatte mit seinem Auto den Weg, den das Narrenschiff nehmen sollte, zugeparkt. Dieses Problem ließ sich aber beheben.

Nicht beheben ließ sich dagegen das zweite Problem für die Stader Narren: Das Wetter. Während des gesamten Umzugs war es nass und kalt, Petrus ließ es unablässig auf die Stadt regnen. Dennoch: Die Stimmung war ausgelassen - trotz Regen und dunklen Wolken. Dafür sorgten auch die zahlreichen Blasorchester, die den Narrenumzug begleiteten, und der ein oder andere Schnaps, der an das frierende Publikum verteilt wurde.

Im Vergleich zu den Vorjahren war der Festumzug durch die historische Altstadt der Hansestadt in diesem Jahr deutlich kürzer. Wegen des Regens hatten mehrere Gruppen kurzfristig ihre Teilnahme an dem Umzug abgesagt. Doch nicht nur der Narrentross war kleiner als sonst, es waren auch sehr viel weniger Stader als sonst unterwegs, um auf die bunte Narrenschar zu warten. Nur etwa 4000 Menschen, darunter unzählige kunterbunt kostümierte Kinder, kamen in die Innenstadt, um die fünfte Jahreszeit mit den Karnevalisten zu feiern.

Diejenigen, die zum Festumzug kamen, waren jedenfalls gut gelaunt und stürzten sich auf die Kamellen und Bonbons, die kiloweise auf die bunte Bürgerschar zwischen Sande und Pferdemarkt niederprasselten. Für die Polizei war es übrigens ein ruhiger Umzug. Alles verlief friedlich, so wie es sich zum Karneval gehört.

Beim Faslam in Stöckte buhlten 18 Themenwagen und Fußgruppen in diesem Jahr um den ersten Preis. Darunter die Wagen "Baron Münchhausen", "Tierische Reise zum Nordpol - Klimawandel lässt grüßen", "100 Jahre Titanic", "Fiesta Mexicana" und "BILD dir deinen Wulff - Wildwest in Berlin". Der Wulff-Wagen strahlte zwei Tage nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten die größte politische Aktualität aus. "Eigentlich wollten wir einen Themenwagen zu 170 Jahre Karl May machen", sagte Uwe Ehlers, 41, von der Baugruppe Ehlers, "aber dann kamen die Skandale um den Bundespräsidenten dazwischen."

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Gebaut hatte die 25-köpfige Gruppe bereits die Kalkbergkulisse von den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg. Dann geriet der Bundespräsident in die Bredouille. Also bauten die Stöckter noch einen Marterpfahl mit Wulff-Schlagzeilen aus der Bild-Zeitung und einem Bundesadler darauf.

Erst hieß das Motto: "Der mit dem Wulff tanzt", daraus wurde dann noch "BILD dir deinen Wulff". Gruppenmitglied Axel aus Stöckte wurde dazu als Christian Wulff verkleidet an den Marterpfahl gefesselt. Dazu tanzten Cowboys und Indianer mit Tomahawk, Pfeil und Bogen auf dem Wagen. 2011 hatte die Baugruppe Ehlers gewonnen mit dem Wagen "Stöckte 21 - ein Deich ist nicht genug?!".

"Ich mache jetzt schon seit 35 Jahren beim Stöckter Faslam mit", sagte Uwe Ehlers. "Nur einmal habe ich flachgelegen wegen einer Mandelentzündung." Was für ihn das besondere am Stöckter Faslam ist? "Im Rheinland", sagt der Faslamsbruder, "baut jeder Verein einen Wagen. In Stöckte hingegen wird der ganze Umzug von einem Verein getragen - den Faslamsbrüdern Stöckte."

Irgendwann im 19. Jahrhundert ist in vielen Dörfern der Elbmarsch und der Nordheide der Faslamsbrauch entstanden. Die Herkunft des Begriffs "Faslam" konnte bisher nicht endgültig ergründet werden. Der Name kommt von den Begriffen Fastelovend (Köln) und Fasnacht. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass er sich nicht von Faselobend (Plattdeutsch) herleitet.

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Noch am Sonnabend verpassten die Baugruppen in Stöckte den Wagen den letzten Schliff. Die Baugruppe Beecken verkleidete am Stöckter Deich den Flaschengeist Dschinni mit Stoff, baute die Musikanlage auf und testete die Hydraulik ihres Themenwagen "Aladins Wunderlampe - werden Wunder wahr?"

"Nichts ist schlimmer, als wenn man losfährt, und es klappt nicht", sagte Hartmut Beecken, 54. "Der Stöckter Faslam ist kein Vergleich zu den großen Umzügen im Westen. Dort regiert der Kommerz, bei uns in Stöckte steckt noch richtig Herzblut drinnen."

Zweieinhalb Monate hatte seine Baugruppe gebastelt und gebaut. Die Frauen hatten Pumphosen, Westen und Turbane für 37 Baugruppenmitglieder genäht. Hartmut Beecken fuhr am Sonntag den Trecker mit Aladins Palast. "Für mich", sagte der Stöckter, "ist der Umzug kein Spaß, weil da sehr viel Verantwortung für meine 36 Leute auf dem Fahrzeug dranhängt. Man muss höllisch aufpassen, dass man die Zuschauer nicht unter die Räder bekommt. Ich bin immer froh, wenn wir wieder heil zu Hause sind."

Ursprünglich wurde der Faslam in Stöckte nur von den Knechten und Handwerksgesellen ausgerichtet. Im Laufe der Jahre wurde das Fest dann allen Dorfbewohnern zugänglich. An der Spitze der bunten Schar stehen immer Faslamsmudder und Faslamsvadder, beides Männer. Die bunte Gesellschaft nannte und nennt sich Faslamsbrüder, und so durften damals Frauen aus dem Dorf nicht dazugehören.

Aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg ist bekannt, dass Frauen den doppelten Eintrittspreis zahlen mussten, wollten sie an den Tanzveranstaltungen teilnehmen. Die ersten Satzungen der Faslamsbrüder Stöckte ließen die Mitgliedschaft von Frauen noch nicht zu. Erst im Jahre 2000 wurden Frauen in den Verein aufgenommen. Der Stöckter Faslam klingt am Aschermittwoch mit einem Frühschoppen aus.