Der Bildungsbericht des Landkreises stellt die Institutionen Balje, Oederquart und Haddorf infrage, doch die Verwaltung rudert zurück.

Stade/Haddorf. Der Bildungsbericht des Landkreises Stade sorgt für Wirbel. Im Entwurf steht, dass wegen des demografischen Wandels Grundschulen geschlossen werden müssen. Explizit genannt werden die Standorte Balje, Oederquart und Haddorf. Während die Akteure vor Ort zum Teil überrascht und mit Unverständnis reagieren, rudert der Landkreis zurück. In der endgültigen Fassung falle dieser Satz weg, sagt Stades Erster Kreisrat Eckart Lantz auf Abendblatt-Nachfrage.

Hartwig Faby ist sichtlich überrascht, als er hört, dass seine Schule im Bildungsbericht im Zusammenhang mit erforderlichen Standortschließungen genannt wird. Doch in großer Sorge ist der Schulleiter der Grundschule Haddorf nicht. Ein wichtiger Grund dafür ist die Rückendeckung von seinem Schulträger, der Hansestadt Stade. "Es gibt keine Gespräche oder Pläne, die Grundschule Haddorf infrage zu stellen", sagt Stades Erster Stadtrat Dirk Kraska.

Es habe ihn gewundert und überrascht, dass die Grundschule Haddorf in dem Bericht erwähnt wurde. Schließlich sei der Schulträger für Standortentscheidungen verantwortlich. Stades Erster Kreisrat Lantz bemüht sich jetzt, die Wogen zu glätten: "Es war und ist nicht das Ziel, eine konkrete Standortdiskussion zu eröffnen." Zwar verweist er darauf, dass der Bildungsbericht derzeit lediglich im Entwurf diskutiert wird und verweist auf die Einschränkung "gegebenenfalls", räumt gleichzeitig jedoch ein, dass diese Aussage des Berichts missverständlich sein kann. Deshalb werde der Satz für die endgültige Fassung gestrichen.

Dennoch sei es beabsichtigt und berechtigt, die Aufmerksamkeit auf die Folgen des demografischen Wandels für die Schullandschaft zu lenken, sagt Lantz. Doch dieses Bewusstsein ist in den betroffenen Standorten schon angekommen. "Wir sind klar auf dem Weg zur Einzügigkeit", sagt Haddorfs Schulleiter Faby mit Blick auf die schwindenden Schülerzahlen. Zurzeit besuchen 102 Kinder die Haddorfer Grundschule. Im Jahr 2013 werden noch knapp über 30 Kinder eingeschult, danach werde es drastisch weniger, sagt Faby.

Deshalb setzt die Grundschule, die im Jahr 2010 gegründet wurde, auf ihr pädagogisches Konzept und Kooperationen. So gibt es beispielsweise seit 2010 eine Kooperationsklasse mit der Förderschule Ottenbeck. Außerdem gibt es in der Grundschule Haddorf eine sogenannte Eingangsstufe. Die Schüler der ersten und zweiten Klasse haben gemeinsam Unterricht und lernen dabei auch voneinander.

Eine besondere Herausforderung des Grundschulstandorts Haddorf ist das soziale Umfeld. Fast 40 Prozent der Kinder haben Eltern oder Großeltern, die ausgesiedelt wurden. Deshalb ist laut Faby der Sprachförderunterricht besonders wichtig. Dabei würden die Schüler auch stark individuell gefördert. "Das gelingt gut, auch weil unser System nicht so groß ist", sagt Faby. Dennoch wäre seiner Ansicht nach eine Zweizügigkeit für Haddorf ideal. Dass diese schon bald nicht mehr erreicht werden kann, damit habe er sich allerdings abgefunden, sagt Faby.

Weitaus dramatischer ist die Situation in der Samtgemeinde Nordkehdingen. Jährlich verliert die Kommune im Schnitt 50 Einwohner. Bei ihrer Gründung 1971 hatte die Samtgemeinde noch knapp 9500 Einwohner, mittlerweile sind es nur noch rund 7500. Das wirkt sich natürlich auch auf die Schülerzahlen aus. "Es ist für uns nicht neu, dass die Schülerzahlen rückläufig sind", sagt Nordkehdingens Samtgemeindebürgermeister Edgar Goedecke.

Deshalb müsse die Kommune gemeinsam mit den Schulen überlegen, was zu tun ist, welche Möglichkeiten es gibt, gerade die kleinen Standorte zu halten. In Niedersachsen erlaubt der Gesetzgeber auch, kleine Schulen zu betreiben. In Nordkehdingen gebe es schon seit Jahren Gespräche, wie die Zukunft der Schulstandorte aussehen könnte. Allerdings gebe es noch keine spruchreife Lösung. Das Spektrum der alternativen Möglichkeiten reiche von einer Lösung, nur die ersten und zweiten Klassen in einem Ort zu halten, bis zum schlimmsten Szenario: der Schließung von Schulen.

Entscheidungen würden laut Goedecke jedoch erst in den nächsten drei bis fünf Jahren getroffen. Dass zwei Schulstandorte aus seiner Samtgemeinde explizit im Bildungsbericht des Landkreises genannt wurden, habe ihn nicht überrascht. Dennoch müsse bei Schulen gerade im ländlichen Raum mehr berücksichtigt werden als nur die Entwicklung der Zahlen.

Das ist ein Grund dafür, dass Gunda Remien, Leiterin der Grundschule Balje, zuversichtlich ist. "Eine Schließung kommt in den nächsten zehn Jahren nicht infrage", sagt sie. Hintergrund sei die Lage der Grundschule Balje, die zurzeit 42 Kinder besuchen. Sie liegt weit außerhalb. Zudem sei die Schule stark im Ort integriert, gestalte zum Beispiel regelmäßig Altennachmittage.

Wie sich die Zukunft der kleinen Schulstandorte im Landkreis Stade entwickelt, ist ungewiss. Der Bildungsbericht hat das Problem des demografischen Wandels thematisiert. Wenn die endgültige Version gedruckt wird, finden sich die Grundschulen Balje, Oederquart und Haddorf nicht wieder. Das dürfte zumindest in Haddorf für etwas mehr Ruhe sorgen. Schulleiter Faby: "Es ist schon ein anderes Gefühl, wenn man es schwarz auf weiß hat."