Seit mindestens 450 Jahren gibt es eine prachtvolle Orgel in Jork. Das feiert St. Matthias mit monatlichen Musik-Gottesdiensten.

Jork. Ihre Klangpracht fasziniert ebenso wie ihre bauliche Erhabenheit und ihr beeindruckendes Gesamtbild unter dem blauen Deckengewölbe von St. Matthias in Jork. Der prachtvollen Barockorgel zu Ehren wird 2012 ein Festjahr mit vielen akustischen Höhepunkten. "Anlässlich der 450-Jahr-Feier des ältesten Orgelnachweises in der Jorker Kirche gibt es eine Reihe besonderer musikalischer Gottesdienste", sagt Pastor Hans-Heinrich Tegtmeyer.

Immer am letzten Sonntag des Monats stehen die Orgel und die Kirchenmusik im Mittelpunkt der Gottesdienste, die jeweils um 10.30 Uhr beginnen. Neben der Organistin und Chorleiterin Susanne Wegener werden namhafte Organisten auf der Jorker Orgel spielen. Etwa acht Millionen Klangkombinationen können Organisten einer solchen mittelgroßen Orgel mit 22 Registern entlocken.

Maßgeblich geprägt haben das heutige Klang- und Erscheinungsbild der Orgel in St. Matthias die Orgelbauer Arp Schnitger (1648 bis 1719) und Alfred Führer (1905 bis 1974), dessen Orgelbauwerkstatt bis zum Jahr 2003 in Wilhelmshaven bestand.

Wie die Jorker Orgel aussah, bevor Schnitger sie von 1678 bis 1679 um ein freies Pedal erweiterte und dreißig Jahre später Gehäuse und Prospekt, die äußere Ansicht, schuf, ist nicht mit Dokumenten überliefert.

Dass es eine Orgel im erstmals 1221 vom Verdener Bischofs Iso von Wölpe erwähnten Kirchspiel im Herzen des Alten Landes - im heutigen Jork - bereits 1562 gab, belegen Kirchenrechnungen, in denen Ausgaben für den Organisten notiert sind. Auch eine Abrechnung für Wartungsarbeiten, in der Kosten für Schmiere und Leinen aufgeführt sind, weisen auf eine Orgel hin. Der Lohn für die Arbeitenden wurde zum Teil in Naturalien "yn kost vn ber" - in Kost und Bier - verrechnet, ist den Dokumenten im Niedersächsisches Staatsarchiv Stade zu entnehmen.

Die Orgel in St. Matthias, unter deren Rückpositiv sich ein Bild mit der Botschaft der Hirten aus der Weihnachtsnacht befindet, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, etliche Orgelbauer bauten an ihr - mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

In den Jahren 1678/79 reparierte Arp Schnitger die barocke Orgel und vergrößerte sie um ein selbstständiges Pedal. 1709 nahm er einen grundlegenden Umbau vor. Die Arbeiten leitete sein Geselle Nicolaus Stöver. Dabei erhielt die Orgel eine "neue Structur", den heute noch erhaltenen Prospekt.

Für das Jahr 1764 ist eine Reparatur durch Marcus Hinrich Petersen in den Annalen bezeugt. Petersen setzte im Hauptwerk eine Vox humana 8', wahrscheinlich an die Stelle einer ursprünglich vorhandenen Zimbel. Umfangreiche Arbeiten führte auch der Hamburger Johann Paul Geycke im Jahr 1772 an dem Kircheninstrument aus. Weitere Reparaturen folgten 1789, 1807 und 1834/35 durch die Stader Orgelbauerfamilie Wilhelmy.

Im Jahr 1914 fiel die einzigartige Schnitger-Orgel dem modischen Zeitgeist zum Opfer. Schnitgers Werk wurde durch einen Neubau der Firma "Faber & Greve" ersetzt. Hinter dem Prospekt mit den stummgelegten Pfeifen im Hauptwerk, Rückpositiv und im Pedal entstand eine pneumatische Orgel mit 24 Registern und Transmissionssystem sowie vielfältigen Spielhilfen. Diese Orgel hielt nur etwa 60 Jahre.

1978 begann Orgelbauer Rudolf Janke aus Bovenden mit ersten Restaurierungen am Schnitgerschen Prospekt. Er stabilisierte den Rahmen und sicherte die alten Pfeifen. 1980/82 schuf der Orgelbauer Alfred Führer aus Wilhelmshaven dann den Neubau einer mechanischen Schleifladenorgel nach Schnitgerschem Vorbild mit 22 Registern in Hauptwerk, Rückpositiv und Pedal. Führer machte die Schnitgerschen Prospektpfeifen wieder spielbar. Zwei Keilbälge der Schreiber-Orgel in Loxstedt im Landkreis Cuxhaven versorgen das Werk mit dem nötigen Wind.

All diese Geschichtsdaten haben der Stader Pastor Peter Golon und der Autor Karl W. Kröncke recherchiert und 1983 in "Historische Orgeln im Landkreis Stade" veröffentlicht.

"Nachdem 2009 und 2010 die Orgel vom Orgelbauer Harm Dieder Kirschner aus Weener-Stapelmoor komplett überholt und gereinigt wurde, konnte auch ihr Klangbild, orientiert an den originalen Prospektpfeifen, korrigiert und verbessert werden", sagt der Jorker Pastor Tegtmeyer.

Und er schwärmt: "Es gibt kaum eine Region mit einer solchen Orgeldichte wie das Alte Land und Kehdingen." 25 historische Kircheninstrumente von so berühmten Orgelbauern wie Arp Schnitger oder Philipp Furtwängler gibt es in den Gotteshäusern im Landkreis Stade. "Dieser historische Orgelschatz ist ein Segen, den man pflegen und restaurieren müsse", sagt auch Dieter Kunze, Vorsitzender der Stader Stiftung für Kultur und Geschichte. Er hebt hervor, dass das Alte Land als etwas Exemplarisches zu verstehen sei, wenn es darum gehe, Orgeln als Kulturdenkmale zu betrachten. Deshalb seien mit großem finanziellen Aufwand in den vergangenen drei Jahren sowohl die Schnitger-Orgel in St. Matthias als auch die Gloger-Orgel in St. Marien zu Grünendeich und die Furtwängler-Orgel von St. Petri in Buxtehude restauriert worden.

Unterstützt wurden diese Projekte auch von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Denn, so haben Kunze und Tegtmeyer beobachtet, den Altländern Orgeln gelte inzwischen nicht nur überregionales, sondern auch weltweites Interesse.