Bio-Landwirt Hinrich Poppe aus Ruschwedel setzt auf das Elefantengras Miscanthus. Die relativ unbekannte Pflanze taugt als Brennstoff und Baustoff

Harsefeld. Hinrich Poppe ist Bio-Bauer, und er ist Pionier. Der 50-Jährige setzt auf eine Pflanze, die außer ihm kaum jemand anbaut. Mehr noch: Die kaum einer kennt. Ihr Name: umgangssprachlich Elefantengras, offiziell Miscanthus.

Als der Mann aus Ruschwedel im Sommer 2008 die ersten Wurzeln kaufte, da wollte er ins Brennstoffgeschäft einsteigen. Es läuft gut dreieinhalb Jahre später. Allerdings ganz anders als geplant. "Wir vertreiben zwar Teile der oberirdischen Ernte als Mulch oder Einstreu für Tiere, aber nur wenig als Brennstoff. Sehr erfolgreich läuft hingegen der Verkauf der Rhizome genannten Wurzeltriebe", sagt Poppe, der seine Anbaufläche für Miscanthus seit 2008 verdoppelt hat. Auf knapp 30 Hektar pflanzt der Landwirt heute Elefantengras an. Aber nur von zehn Hektar erntet er wirklich Gras, von den 20 übrigen Rhizome. "Die Nachfrage ist groß, und der Vorteil der Rhizome ist, dass eines bis zu drei Triebe pro Jahr bekommt", sagt Poppe. "Die Wurzel vermehrt sich also ständig."

Begonnen hat der Landwirt mit 280 000 eingekauften Wurzelstücken, mittlerweile hat er mehr als eine Million selbst verkauft, sowohl in Deutschland als auch in europäische Nachbarländer. Insgesamt wird das Elefantengras in Deutschland laut dem Landwirtschaftmeister auf circa 2000 Hektar angebaut. In der Region läuft die Nachfrage allerdings noch schleppend, Poppe hätte hier gerne mehr Anfragen.

Auf die gewinnbringende Idee, die Wurzeln zusätzlich zur überirdischen Ernte zu verkaufen, kam Poppe, als er sich über den Preis des Pflanzguts informierte. Er kaufte die ersten Rhizome in Polen, und selbst dort fand er den Preis für das Pflanzgut hoch. Während der ersten Ernte im Frühjahr 2010 wurde ihm klar, woher dieser Preis resultiert. "Die Wurzel aus der Erde zu holen und sie zurechtzustutzen, das ist echte Handarbeit", sagt Poppe, "dafür haben heutzutage, wo es für so vieles Maschinen gibt, nicht mehr viele Landwirte Zeit." Poppes haben für die Wurzeltrieb-Ernte über vier Wochen hinweg fast 20 Helfer beschäftigt. "Die Arbeit ist anstrengend, aber rentabel."

Nachdem er diese Nische entdeckt hatte, strukturierte er seinen Betrieb um. Er vergrößerte die Anbaufläche und verkaufte seine 180 Kühe im vergangenen Frühjahr. "Den Kuhstall haben wir direkt danach entkernt. Damit wir ja nicht auf dumme Gedanken kommen und uns wieder Kühe anschaffen", sagt der Landwirtschaftsmeister und fügt hinzu: "Ich weiß nicht, ob ich in fünf oder zehn Jahren noch denke, dass die Entscheidung richtig war. Im Moment fühlt es sich aber richtig an."

Antrieb für die Verlagerung des Geschäfts auf Miscanthus war der Wunsch nach Veränderung. Zwar lief der seit 1998 anerkannter Bio-Landwirtschaftsbetrieb der Poppes gut. "Aber ich fühlte mich wie in einem Hamsterrad. Jeden Morgen früh aufstehen, die Kühe melken, und dabei ist man absolut abhängig vom Markt. Wir Landwirte sind das letzte Glied in der Kette. Als der Milchpreis mal wieder sehr weit unten war, haben meine Frau und ich uns entschlossen, etwas zu ändern", sagt der Vater dreier Kinder.

Wie der Landwirtschaftsmeister aus Ruschwedel in dieser Situation auf Miscanthus aufmerksam wurde, ist eine besondere Geschichte, die der Bio-Bauer gern erzählt: "Früher gab es hier im Dorf zehn landwirtschaftliche Betriebe, heute nur noch uns. Vielleicht ist das langjährige Bestehen unseres Betriebes - immerhin gibt es ihn seit dem frühen 16. Jahrhundert - auf die Risikobereitschaft zurückzuführen, sich nicht mit bestehenden Gegebenheiten abzufinden, sondern eigene Wege zu gehen und Trends zu setzen."

Auch Poppe ist ein Risiko eingegangen. Er kam auf einer "Visitenkarten-Party" mit einem Herren ins Gespräch, der sich als "Ihr Heizkostenhalbierer" vorstellte. Poppe fand das gleich interessant und lernte an diesem Abend das erste Mal etwas über Miscanthus. Heute ist das Gras sein Haupterwerbszweig. Zusätzlich bewirtschaften Poppes eine Ferienwohnung und ein Ferienblockhaus, bauen Gewürze und Heilkräuter sowie Gräser, Erbsen und Ackerbohnen an und haben eine Handvoll Pferde und Ponys.

Angst davor, sich mit dem Verkauf der Wurzeln Konkurrenz zu schaffen, hat Poppe nicht. "Ich schaffe mir Kollegen", sagt er. Und eben diese künftigen Kollegen brauchen oft nicht nur Poppes Rhizome. "Kauft ein Kunde bei mir Pflanzgut, dann fragt er meist auch gleich nach einer Pflanzmaschine."

Daher komme es vor, dass er mit seinem Gerät durch Deutschland fahre und mehrere Tage das Land eines Kollegen bestellt, sagt Poppe. "Denn es gibt für diese Pflanze keine Geräte von der Stange." Seine erste Miscanthus-Pflanzmaschine hat Hinrich Poppe von einem befreundeten Schmied anfertigen lassen. Heute steht eine neues, verbessertes Modell im ehemaligen Kuhstall. "Unser Sohn hat sie gebaut, die alte haben wir an einen Großkunden in Tschechien verkaufen können." Auch einen Kartoffelroder haben Poppes umgebaut - Poppe findet es reizvoll, sich in einer Nische zu bewegen und erfinderisch sein zu müssen, eben aus dem Hamsterrad auszubrechen und dabei auf, wie er sagt, "nachhaltige und zukunftsweisende Landwirtschaft" zu setzen.

Den ursprünglichen Plan, das bis zu vier Meter hoch wachsende Gras zu häckseln und es dann in loser oder gepresster Form in der Region als Biobrennstoff zu verkaufen, hat Poppe noch nicht aufgegeben. "Auch wenn ich das Gras zurzeit überwiegend als Einstreu oder Mulch verkaufe, weiß ich, dass auch andere Landwirte an die Zukunft von Miscanthus als Brennstoff glauben, sonst würden sich die Wurzeln nicht so gut verkaufen."

Er selbst lebt es vor. Rund 15 000 Kilogramm Trockenmasse erntet Poppe pro Hektar. Diese Menge benötigt er, um den eigenen Hof zu heizen. Mit seiner Hackgut-Heizung und dem darin verbrennenden Miscanthus sparen er und seine Frau Annegret, 48, laut eigenen Angaben rund 70 Prozent der bisherigen Energiekosten.

"Für mich ist die Miscanthus eine Zauberpflanze. Sie bringt bei wenig Aufwand viel Ertrag und ist vielseitig einsetzbar." So könnte das Gras in Zukunft auch auf Dächern verbaut werden - als Alternative zu Reet. "Optisch besteht kaum ein Unterschied", sagt Poppe, "und in Reet können sich schnell Pilze einschleichen."

Also baut Hinrich Poppe bereits einen Hektar für "Elefantengrasdächer" an und möchte in den kommenden Jahren entscheiden, ob sich das rentiert. Er ist und bleibt risikofreudig. Wer weiß, was er sich in drei Jahren mit dem Gras überlegt hat.