Prozess um Mord im Herbstprinz: Fünf Angeklagte sind wieder auf freiem Fuß, Drahtzieher Marc Kevin W. bleibt weiter in Haft.

Stade/Jork. "Es war meine Idee und mein Plan, ich wollte nicht, dass Sandra da mit reingezogen wird", sagte der ehemalige Koch des Jorker Traditionslokals Herbstprinz gestern vor der 13. Großen Strafkammer des Stader Landgerichts, unter Vorsitz von Richter Matthias Bähre, aus. Als mutmaßliche Drahtzieher eines Mordkomplotts sind Marc Kevin W. und seine heimliche Geliebte, die Herbstprinz-Wirtin Sandra T., angeklagt.

Sie sollen vier junge Männer aus Hamburg angeheuert haben, Sandra T.s Lebensgefährten und Vater der gemeinsamen Tochter, Andreas S., aus dem Weg zu räumen, so die Staatsanwältin Nina Reinicker. Bei dem Überfall auf den schlafenden S., in der Nacht zum 30. März 2011, wurde der 51-jährige Gastronom mit Messerstichen in Hals, Brust und Arm schwer verletzt.

Motiv für den Überfall auf den 15 Jahre älteren Lebensgefährten der heute 36-jährigen Sandra T. war die heimliche Liebe zwischen der blonden Herbstprinz-Wirtin und ihrem 31-jährigen Koch.

Doch eine gemeinsame Zukunft war für das Paar nicht in Sicht. Zumindest nicht im Herbstprinz. Denn Sandra T. hatte für ihren Partner das Lokal Herbstprinz gekauft, weil Andreas S., der rund 60 000 D-Mark Altschulden beim Finanzamt hatte, keine Firma mehr hätte gründen können. Der Koch wurde zum Geschäftsführer an der Seite der Wirtin, während Andreas S. im Hintergrund die geschäftlichen Strippen zog.

Das Liebespaar will herausgefunden haben, dass S. mit dubiosen Geschäftspraktiken am Rande der Legalität den Herbstprinz, der keine Gewinne abwarf, über Wasser hielt. "Wir haben es dem Arbeitsamt, dem Ordnungsamt und dem Zoll gemeldet, damit sie alles aufdecken und Andreas S. das Feld räumen muss", sagte Marc Kevin W. Danach habe man den seit Ende 2010 geschlossenen Herbstprinz zur Sommersaison gemeinsam wieder öffnen wollen.

Doch die über Unregelmäßigkeiten informierten Ämter schritten nicht ein, die Saison rückte näher und so habe der Koch mit der Planung des Überfalls begonnen. Das habe beim "Zirkus Erich", einem Lokal auf der Hamburger Reeperbahn, das Andreas S. ebenfalls gehörte, schon einmal funktioniert. Aus Angst vor Leuten, denen er Geld schuldete, habe Andreas S. dort das Feld mit Sack und Pack geräumt. Nach dieser Masche will W. seinen Plan geschmiedet haben und holte seinen Freund, den vorbestraften Patrick T. dazu. Sein für den Führerschein gespartes Geld, 1500 Euro, habe er dem 34-jährigen T. angeboten, es sollte etwas unternommen werden, damit Andreas S. "abhaut aus Jork".

"Ich habe Andreas S. 2009 einen Hausschlüssel vom Bund geklaut"

Patrick T. organisierte aus seinem Freundeskreis Benjamin F., 21, Mike S., 32, und Kevin Z., 18., die nun wie T. auch wegen Mordversuch in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung angeklagt sind.

Gemeinsam wollten sie Andreas S. "bearbeiten", damit er kapiert, dass er sich vom Acker zu machen hat, so Marc Kevin W. "Maskiert, aber ohne Waffen sollte das ablaufen. "Andreas sollte ordentlich auf die Fresse kriegen und zwei Tage Zeit, das Haus beim Herbstprinz zu räumen", sagte W.

Auf Nachfrage des Richters Bähre, mit Blick auf die schmächtigen Angeklagten Benjamin F. und Kevin Z., räumte der kräftige W. ein, dass er sich zwar gewundert habe, dass Patrick T. mit so dünnen Typen ankam, zumal er diesem gesagt habe, dass Andreas S. 1,90 Meter groß und sehr kräftig sei. Aber letztlich habe er darauf vertraut, dass T. wisse, was er tue.

Ins Wohnhaus zu kommen sei kein Problem gewesen. "Ich habe Andreas S. 2009 einen Hausschlüssel vom Bund geklaut", gab W. an. Die Staatsanwältin verwies später auf die mehrfache Aussage des Opfers, es habe zum Haus nur zwei Schlüssel gegeben, einen hatte Sandra T. und einen Andreas S. selbst.

Am Tag des Überfalls seien sie alle sehr nervös gewesen. Mike S. sei im Wagen geblieben. Danach gehen die Darstellungen der Angeklagten deutlich auseinander. Während die drei von Patrick T. organisierten Mitangeklagten wie dieser aussagten, Marc Kevin W. sei allen voran ins Haus gestürmt und habe gegen alle Absprachen mit einem Messer das Opfer verletzt, bestreitet W. das. Im Gegenteil, er sei nicht ins Haus gegangen, weil Andreas S. ihn hätte erkennen können.

Nach seiner Aussage sei Patrick T. mit Benjamin F. und Kevin Z. ins Haus gegangen. Er habe auf dem Parkplatz des Lokals im Dunkeln gewartet. Dann seien die drei nach einiger Zeit hektisch, ja ängstlich aus dem Haus gerannt. T. soll gesagt haben, "es ist was schiefgegangen, wir müssen weg hier", und der zur Tatzeit 17-jährige Kevin Z. habe völlig verstört gesagt, "dass dort alles voller Blut war". Kein Wort sei zur Tat selbst gewechselt worden, schon gar nicht darüber, wer mit dem Messer zugestochen hat.

Er habe nach der Tat nur daran gedacht, wie er alles vertuschen könne und dass Sandra T. nichts bemerke, so der Herbstprinz-Koch. Als sie von dem Überfall erfuhr, habe die Herbstprinz-Wirtin die Liebesbeziehung zu W. beendet. Im Gericht würdigt Sandra T. Marc Kevin W. keines Blickes. Auch das Opfer, Andreas S., verfolgte mit mal bleichem, mal hochrotem Gesicht alle Aussagen.

Beunruhigen dürfte ihn wohl nun auch der Beschluss der Kammer am Ende des 11. Verhandlungstages: Sie hob nach Anträgen der Anwälte alle Haftbefehle für alle Angeklagten außer Marc Kevin W. auf. Damit kommen die vier Hamburger und Sandra T. wieder auf freien Fuß. Möglicherweise trugen W.s Aussagen und Bekenntnisse zu dieser Entscheidung der Kammer bei. "Ich dachte, wenn ich mich selbst schwer belaste, ist das glaubhaft und Sandra muss nicht ins Gefängnis", sagte W. und er beteuert: "Es gab keinen Mordauftrag."