Die Staatsanwältin klagt die Wirtin des Jorker Lokals Herbstprinz wegen Anstiftung zum versuchten Mord an ihrem Ehemann an.

Stade/Jork. Drangvolle Enge im Stader Schwurgerichtssaal zum Prozessauftakt um den versuchten Mord im Nebengebäude des Jorker Traditionslokals Herbstprinz. Sechs Angeklagte, einige in dunkle Kapuzenshirts gehüllt, waren mit ihren Verteidigern, bewacht von einer großen Anzahl Sicherheitskräfte zum ersten Termin der Hauptverhandlung vor der 13. großen Kammer des Landgerichts erschienen.

Staatsanwältin Nina Reinecker verlas die Anklageschrift, deren erster Teil die Angeklagten Mike S., 32, Patrick T., 34, Benjamin F., 21, und Kevin Z., 18, betraf. Den vier jungen Männern aus Hamburg wird darin Mordversuch in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung vorgeworfen. "Sie haben in der Nacht zum 30. März dieses Jahres aus Habgier den schlafenden Herbstprinz-Pächter Andreas S. überfallen, ihn geschlagen, mit einem Messer auf ihn eingestochen und ihn körperlich schwer misshandelt", sagte Reinecker. An die vermeintlichen Drahtzieher dieses Mordkomplotts, die 36-jährige Sandra T. und ihren Geliebten, den 31-jährigen Marc Kevin W., richtete sich der zweite Teil der Anklageschrift, wegen Anstiftung zum versuchten Mord.

Sandra T. war die Lebenspartnerin des heute 51-jährigen Opfers und Mutter der gemeinsamen Tochter. Marc Kevin W. arbeitete als Koch und Geschäftsführer im Herbstprinz, als die beiden eine Liebesaffäre begannen und planten, den 15 Jahre älteren Lebensgefährten von Sandra T. aus dem Weg zu räumen.

Sie sollen die vier Hamburger für diesen Mord angeheuert und dafür 5000 Euro versprochen haben, so die Staatsanwältin. Geflossen waren vor der Tat 1500 Euro. Für den nächtlichen Überfall sollen die vier Täter einen nachgemachten Schlüssel für das neben dem Restaurant befindliche Wohngebäude, in dem Andreas S. schlief, von ihren Auftraggebern bekommen haben.

Unbemerkt seien die Männer in das Haus eingedrungen und hätten unter anderem mit einem Küchenmesser, das eine 19 Zentimeter lange Klinge hatte, mehrfach auf den schlafenden Pächter eingestochen, um diesen wie geplant zu töten, so die Staatsanwältin. Andreas S. wurde dabei mit Stichen in Brust, Hals und Arm schwer verletzt.

Für den Herbstprinz-Pächter S. ging es in dieser Nacht um Leben und Tod, wie er dem Abendblatt schilderte. Er konnte sich wehren, die Angreifer türmten. Dass er dieses Mordkommando überlebt habe, verdanke er der Kunst der Ärzte im Buxtehuder Elbeklinikum, so Andreas S. gegenüber dem Abendblatt. "Die Ärzte haben mich wieder zusammengeflickt, und ich bin froh, dass ich überlebt habe", sagte der Gastronom, der sich nie hätte träumen lassen, dass sein vermeintliches Familienglück ein so jähes Ende findet.

S. hielt die nächtliche Attacke anfangs für einen Raubüberfall, weil die Täter seinen Fernseher mitgenommen hatten. Zunächst sah auch tatsächlich alles nach einem Raubüberfall mit gefährlicher Körperverletzung aus. Nach zwei Monaten Ermittlungsarbeit fanden die Kriminalbeamten der Buxtehuder Polizei jedoch heraus, dass es sich um einen gezielten Mordversuch handelte. "Es gab Hinweise, die auf ein versuchtes Tötungsdelikt gegen Bezahlung schließen lassen", sagte Stades Polizeisprecher Rainer Bohmbach im Frühjahr, kurz nachdem die Tatverdächtigen und ihre mutmaßlichen Auftraggeber in Hamburg festgenommen wurden.

Die Angeklagten bestreiten den Vorwurf der Tötungsabsicht. Fünf der Angeklagten sitzen seither in Untersuchungshaft, der inzwischen 18 Jahre alte Angeklagte, der zur Tatzeit noch nicht volljährig war, ist in einer intensivpädagogischen Jugendschutzstelle untergebracht.

Nach dem Verlesen der Anklage beantragte der Anwalt von Marc Kevin W., einen Gutachter zu bestellen, der W. möglicherweise verminderte Schuld- und Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt attestieren könne, so W.s Verteidiger. W. habe eine schwere Kindheit gehabt, sei von seinen lieblosen Eltern im Alter von knapp zwei Jahren ins Heim und später an eine Pflegefamilie abgeschoben worden. Dort habe man ihn auch misshandelt, sodass es bei W. zu einer massiven Persönlichkeitsstörung gekommen sei, die seine Steuerungsfähigkeit erheblich beinträchtige, so der Anwalt.

Dafür sah der Hamburger Anwalt Martin Krüger, der das Opfer Andreas S. als Nebenkläger vertritt, keinen Anlass. Allein aus dem E-Mail-Verkehr sei erkennbar, wie detailliert schon Monate zuvor die Tat geplant worden sei, so Krüger. "Die Zeit läuft uns davon", zitierte Anwalt Krüger aus einer weiteren Mail, in der W. beim Mitangeklagten T. auf baldige Ausführung drängte. Einzelheiten seien demnach mit den vier Tatbeteiligten genau abgesprochen und das Liebesverhältnis zwischen Herbstprinz-Wirtin und ihrem Koch vorsorglich verheimlicht worden.

"Ich liebe euch, meine Knutschis, wir schaffen das alles", mailte W. an Sandra T., die kurz vor der Tat mit der kleinen Tochter in verschiedenen Ferienwohnungen im Raum Hamburg abgetaucht war und von dort in Sachen Mordkomplott agiert haben soll, so Krüger.

Ihren Partner Andreas S. habe Sandra T. in Sicherheit gewiegt, indem sie ihm gegenüber vorgab, mit dem gemeinsamen Kind ein paar Tage Urlaub in der Schweiz zu machen.

"Im Verhalten des Marc Kevin W. vor, während und nach der Tat sehe ich keinen Hinweis auf verminderte Schuldfähigkeit", sagte Krüger und beantragte, keinen Gutachter für W. einzuschalten. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Matthias Dähre hat zunächst 16 Verhandlungstermine anberaumt.