In der Plattdeutsch-AG der Grundschule Altkloster in Buxtehude lernen die Kinder eine Sprache, die ihre Großeltern noch selbstverständlich konnten

Buxtehude. Es ist Mittwochmittag und Helga Peters öffnet ihre plattdeutsche Schatztruhe. "Use Katt het Junge kreegen", legt die Leiterin der Plattdeutsch-AG an der Grundschule Altkloster vor und zählt dann auf: "Een, twee, dree, veer, fief, söß, söben." Sofort wissen die Kinder Bescheid, springen der Reihe nach auf die Bühne in der Schul-Aula und wiederholen die Worte in perfekter Aussprache. Auch später, beim "Banana-Lied", singen sie ganz korrekt: "Wovon ward een Oop den woll satt?" Keine Frage, Affen essen Bananen. Was sonst?

17 Kinder wollen an der Grundschule Plattdeutsch lernen, die Sprache ihrer Großeltern, die ihre Eltern kaum noch beherrschen und ihnen wie eine fremde Welt erscheint - obwohl sie doch so nah sein könnte. Sie wollen eintauchen in die Geheimnisse der unbekannten Wörter, die sich zu einem "ganz großen Schatz" zusammenfügen, wie Helga Peters sagt. Ein Schatz, der ihnen nie wieder genommen werden könne. Denn selbst wenn die Kenntnisse einschlafen, blühten sie irgendwann wie eine kleine Blume wieder auf, sagt sie. "Englisch wird immer und überall angeboten, aber Plattdeutsch nicht."

Das weiß auch Rieke zu schätzen. Die Achtjährige freut sich seit ihrer Teilnahme an der AG darüber, dass ihre Eltern jetzt weniger Geheimnisse vor ihr haben können. "Wenn ich etwas nicht verstehen sollte, haben sie immer Platt gesprochen", erzählt sie. Damit dürfte bald Schluss sein, denn Rieke macht gute Fortschritte. Vor allem das Wort "kieken" hat es ihr angetan. "Das hört sich irgendwie süß an", findet sie.

Um dieses "irgendwie Süße" in der Sprache weiß auch Helga Peters. "Da schwingt etwas ganz Besonderes mit." Was genau, könne sie gar nicht benennen. Vielleicht ist es etwas Seelenvolles, Direktes, etwas, das mitten ins Herz trifft. Nicht umsonst werden selbst Unverschämtheiten dank Platt in einen charmanten Mantel gewickelt. So ist ein "Tüdelbüdel" etwa ein Mensch, der viel herumspinnt, und der "Gnadderkoop" nörgelt gerne und weiß alles besser - aber richtig böse ist man trotzdem nicht, wenn man so genannt wird.

Der Zusammenhalt unter den Plattdeutsch-Kindern sei enorm, berichtet Helga Peters, die die AG seit mehr als sieben Jahren leitet. Und auch die Motivation sei groß, die Sprache zu erlernen. "Vor allem die Erst- und Zweitklässler haben wenig Hemmungen, einfach drauflos zu sprechen." Damit die Kinder auch im Alltag Platt sprechen, hat fast jeder einen Paten gewählt, der mit ihnen regelmäßig übt. Bei Timo ist es der Vater, aber eigentlich beherrscht fast die ganze Familie die Sprache. Bei Marie ist es der Opa. "Meine Mutter kann zwar Platt verstehen, aber nicht so gut sprechen", erzählt die Achtjährige.

Kinder üben Niederdeutsch mit älteren Paten

Dieses Problem hat auch Karin Nerlich. Die 72-Jährige hat sich deshalb dazu entschlossen, als "Seniorstudentin" an Helga Peters AG teilzunehmen. "Wir sollten früher in der Schule nur Hochdeutsch sprechen", sagt die Buxtehuderin. So kam es, dass sie die Sprache mit der Zeit verlernte.

Genau an diesem Punkt setzt Helga Peters' Engagement an. Denn neben ihrer Tätigkeit an der Grundschule Altkloster hat sie gemeinsam mit Walter Marquardt das "Nettwark Plattdüütsch in Buxthu" auf die Beine gestellt, das sich für die Wiederbelebung des Plattdeutschen im Alltag einsetzt. Sie haben die plattdeutschen Ortsschilder, die bald im gesamten Stadtgebiet stehen sollen, initiiert, und sind mit den Buxtehuder Kindergärten ins Gespräch gekommen.

"Wir haben uns gesagt, wir müssen zuerst ganz unten ansetzen", sagt Helga Peters. In Volkshochschul-Kursen sollen die Erzieherinnen fit im Plattdeutschen gemacht werden, damit es an allen Kindergärten einheitliche Standards gibt. Auf diese Weise könnten schon die Jüngsten mit dem sprachlichen Kulturgut vertraut werden, das ihnen ja auch ein gewisses Stück Heimat sei. Eine Zusage vom Kindergarten Schäferkamp liegt bereits vor.

Veranstalter träumen von bilingualem Schulunterricht

Um eine noch breitere Öffentlichkeit zu erreichen, plant das Netzwerk zudem eine plattdeutsche Kulturwoche vom 25. September bis zum 3. Oktober. Auf dem Programm stehen plattdeutsche Märchen, ein Gottesdienst auf Platt und Lesungen. "Mein Traum wäre, wenn eines Tages bilingualer Schulunterricht" stattfinden würde, sagt Helga Peters. Doch dazu gebe es vermutlich zu wenig Lehrer, die die Sprache beherrschen.