Die Stader Projektgruppe um Superintendent Thomas Kück hat ihr Bildungskonzept für eine evangelische Grundschule präsentiert

Stade. In seinen Augen ist ein kleines Strahlen zu sehen. Ein Blick, der Mut, Freude und Zuversicht vermittelt. Der Grund für diese Freude und Zuversicht liegt schwarz auf weiß vor dem Stader Superintendenten Thomas Kück: ein dreiseitiges Schriftstück, betitelt als "Impulspapier". Dieses soll nun der Eckpfeiler für die Zukunft, der Grundstock für die Bildungsbestrebungen der evangelischen Kirche in der Stadt Stade sein.

"Seit mehreren Jahren gab es in Stade Initiativen, eine private Grundschule zu errichten", sagt Kück. Er habe bei seiner Ankunft in Stade lediglich die unterschiedlichen Projekte, die in den vergangenen fünf Jahren entstanden sind, gebündelt, um Synergieeffekte zu erzielen und Gleichgesinnte zusammenzuführen. Das Ziel der bis dato an den grob skizzierten Bildungskonzepten Beteiligten war schnell umrissen. Sie wollten ein alternatives Lernangebot für Kinder bieten. Ein anderes didaktisches Konzept, eine Schule, die neue Qualitätsstandards setzen könnte. Eine Schule, die das Kind und das Soziale stärker in den Mittelpunkt stellt.

Die Kirche wurde wegen ihres Vorstoßes heftig kritisiert

Es war ein gut gemeintes Angebot, das da im November und Dezember des vergangenen Jahres publik wurde. Doch anstatt auf Zustimmung zu stoßen, riefen die Ideen der Kirche enorme Aufregung bei Eltern, Lehrern und Politikern hervor. Eine Eliteschule wolle der Superintendent, hieß es, eine Schule ohne Muslime. Die Kirche wolle eine Schule von der finanziell angeschlagenen Stadt übernehmen, damit diese Kosten sparen könne.

Und mehr noch: Man wolle sich staatliches Fördergeld schnappen, um die wegbrechenden Einkünfte der Kirche zu kompensieren. Die Vorwürfe schmerzten alle, die an der Idee einer neuen Grundschule bis dahin mitgewirkt hatten, nicht nur den Superintendenten. Doch das ist nun vergessen, Vergangenheit.

Traditionelle Noten soll es ebenso wenig geben wie Klassenstufen

Einige Monate sind seit der hitzigen Diskussion vergangen. Kück hat sich, wie er sagt, in dieser Zeit bewusst nicht zu Wort gemeldet, damit nicht noch mehr Gerüchte ihren Weg in die Öffentlichkeit finden und für weiteren Ärger sorgen. Nun, da sich die Wogen geglättet haben, sei aber die Zeit gekommen, den nächsten Schritt zu wagen. Das erste Positionspapier steht, es soll die Grundlage für eine sachliche und öffentliche Debatte bieten, die die evangelische Kirche, der Johanniter Orden und die Initiative "Kinder unserer Stadt" in Gang setzen möchten.

Was das Impulspapier vorschlägt, ist ein anspruchsvolles Schulkonzept. Geplant ist eine Grundschule, möglichst dreizügig. Das bedeutet, dass die kirchliche Ganztagsschule in etwa 320 Schüler betreuen könnte. Schulklassen im herkömmlichen Sinne solle es ebenso wenig geben wie traditionelle Noten. Diese würden nur am Ende der sogenannten vierten Klasse verteilt, da man hier vom Gesetzgeber zu einer Notenvergabe gezwungen sei.

"Konzeptionell schweben uns kleine übergreifende Arbeitsgruppen vor, also zwei Jahrgänge, die gemeinsam unterrichtet und von zwei Personen betreut werden sollen", sagt Elke Alsago, kirchliche Beraterin für Kindertagesstätten, die an dem Konzept mitgewirkt hat. Das letzte Wort soll hier der künftige Schulvorstand haben.

Klassische Schulfächer solle es ebenfalls möglichst nicht geben. "Unser Ziel ist kein Frontalunterricht. Vielmehr sollen die Kinder bei der praktischen Arbeit lernen, beispielsweise Mathematik", sagt Alsago. Wenn ein Tisch gebastelt wird, würden Addition, Multiplikation und Geometrie anschaulich vermittelt. Zudem sollen die Kinder zu einem guten Teil selbst die Schwerpunkte für die Bildung vorgeben.

"Es ist viel sinnvoller, mit dem Lernangebot auf das einzugehen, was die Kinder wirklich interessiert, als ihnen etwas aufzuzwingen, für das sie später nicht zu begeistern sind", sagt Michael Sostmann, Begründer von "Kinder unserer Stadt".

Der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut möchte es nicht erleben, dass Kinder, wie in vielen Schulen Usus, stundenlang einen Unterricht passiv absitzen, der sie nicht interessiert. "Das ist didaktisch wenig nützlich", sagt Sostmann.

Auch wenn es keinen Mathematikunterricht im klassischen Sinne geben werde, so werde das Fach dennoch einen Schwerpunkt des Lehrangebotes der Schule darstellen, betont Kück. Zudem werde der Fokus auf dem musischen, künstlerischen und sportlichen Bereich liegen.

Auch das Thema der Religion werde, wie bereits erwartet, eine wichtige Rolle spielen. "Es würde für alle Schüler evangelischen Religionsunterricht geben, aber für Muslime beispielsweise zusätzlich muslimischen Religionsunterricht", sagt Kück. Davon erhoffen sich die Beteiligten eine Stärkung des religiösen Dialogs und mehr Sozialkompetenz für das spätere Leben. "Was wir auf keinen Fall wollen, ist, dass der Religionsunterricht einen missionarischen Charakter erhält.", sagt Sostmann. Das sei kontraproduktiv.

Sozialkompetenz soll ebenfalls gestärkt werden, indem die Kinder beispielsweise Besuche in Altenheimen absolvieren und mit geistig und körperlichen Kindern gemeinsam lernen sollen. "Wir wollen eine inklusive Schule, die offen für wirklich alle Kinder ist", sagt Kück. Das bedeutet auch, dass der Zugang zu der Schule nicht am Geld scheitern dürfe.

Die Grundschule soll vor allem Musik, Kunst und Sport fördern

Kück betont, dass sich die Konzeptgruppe ernsthafte Gedanken hierzu gemacht habe. Für gewöhnlich müssen in der Bundesrepublik zwischen 50 und 150 Euro pro Monat pro Kind an Schulgebühren von Eltern an die privaten Schulen gezahlt werden.

Einige andere, darunter die kirchliche Schule in Wolfsburg, mit der die Stader im Dialog stehen, liegen unter dem Durchschnittssatz. In Wolfsburg müssen Eltern als Eingangssatz 25 Euro pro Kind zahlen.

Diese Zahl findet Kück "viel sympathischer" als die üblichen Summen. "Auch wenn wir am Ende vielleicht nur 25 Euro nehmen, wird es Fälle geben, in denen Eltern vom Schulgeld befreit werden können und müssen", sagt der Superintendent. Mit Stipendien wolle die Kirche denen helfen, die sonst außen vor bleiben müssten.

Die Schule wird für den Kirchenkreis Stade zum finanziellen Kraftakt

Dieses Engagement wird teuer werden. Wie teuer, das sei noch unklar. Kück: "Über Finanzierungsmodelle machen wir uns momentan noch keine Gedanken. Zunächst ist das didaktische Konzept dran, das wir mit den Bürgern erörtern wollen". Eines lasse sich aber bereits jetzt prognostizieren, nämlich dass das Projekt für die evangelische Kirche in Stade ein enormer finanzieller Kraftakt sein wird. Ein möglicher Neubau eines Schulgebäudes könnte die Kasse ebenso strapazieren wie das benötigte Lehrpersonal.

"Es ist für uns kein Gewinngeschäft, denn unser Schulkonzept ist teurer als eine normale Schule", sagt die Kindertagesstätten-Expertinder Kirche, Elke Alsago. Dennoch wolle die Kirche in Stade den Sprung in die Bildungslandschaft wagen, um angesichts sinkender Mitgliederzahlen christliche Werte in der Gesellschaft vermitteln zu können. Begründung: Die Kirche müsse jetzt handeln, wenn sie moralische, ethische und soziale Kompetenzen für kommende Generationen sichern wolle, und dies sei mit Lerninstituten am besten zu erreichen.

In den folgenden Monaten soll eine Informationskampagne für die Stader Bürger initiiert werden. Kück: "Dann wird deutlich, ob unser Konzept auf eine breite Zustimmung stößt oder ob wir das Projekt lieber begraben sollten."

Lesen Sie hier exklusiv das komplette "Impulspapier" von Superintendent Thomas Kück im Original als PDF-Dokument:

http://www.abendblatt.de/stade-impulspapier