Für den 5. Mai ist eine Demonstration in der Buxtehuder Altstadt geplant

Stade. Das neue Finanzierungsmodell? Stimmig. Die Nachfrage? Ungebrochen groß. Und die werdenden Mütter? Die freuen sich, dass sie ihre Kinder weiterhin im Geburtshaus in Stade zur Welt bringen können. Immerhin ist die Einrichtung die einzige ihrer Art im Landkreis. Doch aus dem von den Betreiberinnen Dörthe Heyn und Regina Lieder-Schönn noch im Januar freudestrahlend verkündeten Happy-End wird nun nichts: Der Klapperstorch muss sich zum Jahresende endgültig ein neues Zuhause suchen.

2009 waren es die steigenden Betriebsausgaben, die den Betreiberinnen des Geburtshauses arg zu schaffen machten. Die Forderungen, die die Krankenkassen an eine Kostenbeteiligung knüpften, konnten Heyn und Lieder-Schönn nicht erfüllen. "Wir hätten unsere Einrichtung beispielsweise an 365 Tagen im Jahr öffnen und ein teures Qualitätsmanagement-System einführen müssen", klagten sie.

Jetzt folgt der nächste Schlag: Zum 1. Juli erhöhen die Haftpflichtversicherer ihre Prämienforderung für Hebammen von 2400 Euro auf bis zu 4600 Euro jährlich. Dem gegenüber stehen ein noch zu versteuerndes Durchschnittseinkommen einer Vollzeit-Hebamme in Höhe von etwa 1180 Euro pro Monat abzüglich Fixkosten für Miete, Telefon, Altersvorsorge, Auto und mehr. "Das bedeutet für uns nun endgültig das Aus. Meine Hoffnung beschränkt sich lediglich darauf, dass es uns wenigstens gelingt, das Haus zu halten und weiterhin Kurse anzubieten", sagt Heyn.

Nur jede dritte freiberufliche Hebamme im Landkreis arbeitet in Vollzeit

Nicht nur das Geburtshaus befindet sich derzeit vor dem finanziellen Aus. Auch andere freiberufliche Hebammen im Landkreis Stade sehen sich unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr in der Lage, ihren Beruf weiter wie gehabt auszuüben. "Die Frustration ist sehr groß", sagt Manuela Raydt, Kreisvorsitzende des deutschen Hebammenverbands. Zwei Kolleginnen, die in Buxtehude arbeiten, hätten bereits Konsequenzen gezogen: "Sie werden ihren Job aufgeben. Viele andere sind noch am Rechnen. Man darf ja nicht vergessen, dass von den 22 Freiberuflerinnen im Kreis lediglich acht in Vollzeit arbeiten. Für Teilzeit-Kräfte kommt die neue Belastung einem beruflichen Todesstoß gleich." Sollten Wirtschaft und Politik weiterhin die Augen vor der Existenz bedrohenden Situation verschließen, dann werde sich die Geburtenlandschaft in Deutschland mittelfristig drastisch verändern, meint Raydt. Das Szenario, das sie malt, ist düster: "Werdende Mütter aus ländlichen Gegenden können sich den Geburtsort ihrer Kinder künftig nicht mehr aussuchen und müssen weite Wege in Kauf nehmen, um ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen."

Die Kaiserschnitt-Quote dürfte dann auf mehr als 30 Prozent ansteigen, weil die Krankenkassen mehr Geld dafür bezahlen als für natürliche Geburten und weil Kliniken eben kostendeckend und wirtschaftlich arbeiten müssen. Denkbare Folge: Weitere Geburtshäuser und kleinere klinische Belegabteilungen müssten schließen, Hausgeburten könnten überhaupt nicht mehr angeboten werden. "Wir müssen uns schnellstens darüber klar werden, ob wir diesen Weg gehen wollen", sagt Raydt.

Um die Öffentlichkeit über ihre Situation aufmerksam zu machen, wollen die Hebammen aus dem Landkreis Stade am Mittwoch, 5. Mai, in Buxtehude auf die Straße gehen. Die Demonstration startet um 10 Uhr in der Lange Reihe vor der Dresdner Bank.