Viele Ungereimtheiten und ein wachsender Zweifel am Wert der Anklagevorwürfe begleiteten den gestrigen Verhandlungstag vor dem Stader Landgericht, in dem sich der Filipino Michael D. wegen des Totschlags eines Stewards auf hoher See verantworten muss.

Stade. Die mit Spannung erwarteten Aussagen von Teilen der Schiffsbesatzung offenbarten: Einerseits wurde auf der Party, die an Bord des Containerschiffs einer Stader Reederei vor der mexikanischen Küste gefeierte wurde, nicht nur Bier und Wein konsumiert, wie vom Kapitän behauptet. Auch harte Alkoholika seien, so Schiffstechniker Jens N., konsumiert worden. Einzelne Besatzungsmitglieder seien "stark angetrunken gewesen". Zudem sei es dort, wo der Stewart Hadji J. totgeschlagen worden sein soll, sehr laut gewesen. "Mit den Kühlcontainern und dem Lärm der Schraube hätte niemand gehört, wenn da jemand schreit", so der Techniker. Daher habe wohl niemand die Tat sofort bemerkt.

Zum anderen gilt inzwischen der Zeitpunkt, an dem der philippinische Schiffssteward Hadji J. starb, alles andere als gesichert. Da das Schiff von Los Angeles aus in Richtung Panamakanal fuhr und in eine neue Zeitzone gelangte, wurden die Uhren der Crew in der Nacht wahrscheinlich zu sehr unterschiedlichen Zeiten um eine Stunde vorgestellt. Zugleich wurden die Schichten der Schiffswachen um je 20 Minuten verlängert, um den Zeitwechsel innerhalb der Arbeitsschichten auszugleichen. Bei der Schilderung des Geschehens hatten alle drei Zeugen, aber auch Gericht und Staatsanwaltschaft Probleme, die in dem Bordschreiben protokollierte Zeit, der zufolge Michael D. gegen 0.20 Uhr die Tat begangen haben soll, mit denen des tatsächlichen Bordgeschehens in Einklang zu bringen. Ob also der Totschlag, wie im Bordbericht erwähnt, gegen 0.20 Uhr oder erst gegen 1.20 Uhr stattfand, als Michael D. nach eigenen Angaben längst in seiner Kajüte schlief, bedarf der weiteren Klärung. Das Bordprotokoll selbst weise, so der Schiffsingenieur, mehrere zusätzliche Ungereimtheiten auf. Jens N. bezweifelt, dass der Seemann Eugen P., der Michael D. des Totschlags beschuldigte, diesen im Anschluss an die Feier an Bord habe sehen können.

"Wir waren auf der Backbordseite, Eugen P. aber auf Steuerbord. Das passt nicht zusammen", so der Ingenieur. Auch die Behauptung, von Eugen P., dass Michael D. den Stewart mit einem Eisenwerkzeug den Schädel eingeschlagen habe, sei wenig glaubhaft. Die angeblich benutzte Tatwaffe hätte sich in ungefähr 20 bis 25 Meter Entfernung vom Tatort in einer Kiste befunden. "Dass das Werkzeug einfach so am Tatort herumliegt, ist sehr unwahrscheinlich", so Jens N. Er glaubt, dass zwei Personen an dem Totschlag beteiligt waren.

Über den Toten konnte der Zeuge einiges berichten. So soll er sich in der Vergangenheit dem Hörensagen nach aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zur Crew-Agency "viel an Bord des Schiffes herausgenommen haben". Der 29-jährige Hadji J. soll seinen Kollegen gar mit beruflichen Konsequenzen gedroht haben, sofern er nicht seinen Willen an Bord bekam. Der Ingenieur bestätigte auch , dass es möglich sei, dass ein blinder Passagier auf das Schiff gelangt und später wieder unbemerkt von Bord gegangen sei. Der Fall wird fortgesetzt.