Prozess: Der 31-Jährige soll auf einem Schiff der Stader Reederei Oltmann einen Stewart erschlagen und über Bord geworfen haben.

Stade. Michael D. sitzt auf der Anklagebank, ein sanftes, fragendes Gesicht, eine schmächtige Körperstatur, eine dünne Stimme - und er weint. Der Filipino sagt, dass er unschuldig sei, dass er keine Ahnung habe, wie das Unglück passiert ist. "Ich kann so etwas nicht tun, ich fürchte mich dafür zu sehr vor Gott", sagt Michael D. Er habe Angst und wolle jetzt nur noch zurück nach Hause, zu seiner Familie.

Dem 31-jährigen Seemann wird Totschlag vorgeworfen. Er soll am 7. September vergangenen Jahres auf dem 207 Meter langen Containerschiff "Ute Oltmann" der Stader Schifffahrtsgesellschaft Oltmann einen Stewart erschlagen haben, als das Schiff rund 25 Seemeilen vor der mexikanischen Küste im Pazifik fuhr. Bei einem Streit, so Staatsanwalt Volker Lüer, habe der körperlich unterlegene Angeklagte den Steward Hadji J. in der Nacht mit einer Eisenstange getötet und anschließend über Bord geworfen. Die Leiche des Mannes wurde nie gefunden, trotz einer groß angelegten Suche an Bord des Schiffes und auf See bei ausgezeichnetem Wetter. Vermutlich wurde der getötete Seemann von der Schiffsschraube zerrissen. Nur einige Blutspuren auf einem Gang, ein Haarbüschel und ein ausgerissener Ohrring des Stewarts seien gefunden worden.

Zum Verhängnis wurde dem Filipino, dass er von einem anderen Seemann der Tat beschuldigt wurde und als einziges der 20 Mannschaftsmitglieder bei der Sicherstellung der Kleidung, die die Crew zum Tatzeitpunkt trug, die falsche Kleidung eintüten ließ. Hinzu kommt, dass er bei der Suche der Crew nach dem Vermissten von einer Leiter stürzte und sich den Arm brach.

Dies hielt der Kapitän, Hans-Dieter Steinau, für verdächtig. Er erklärte: "Dort, wo er stürzte, stürzt kein erfahrener Seemann". Vor der 2. Großen Strafkammer des Stader Landgerichts konnte der Kapitän ansonsten aber nur Gutes über den 31-Jährigen berichten. Michael D. sei pünktlich, fleißig und zuverlässig, ohne Fehl und Tadel. Kurz vor der Tat habe der Seemann noch mit dem Kapitän Wache auf der Brücke geschoben. Anschließend soll er, so die Anklage, den anderen Seemann getötet haben.

Bei den Ausführungen des Kapitäns wurde deutlich, dass die bisher vorliegenden Indizien vermutlich nicht reichen werden, um den Seemann zu verurteilen. "Ich kann nicht hundertprozentig ausschließen, dass ein blinder Passagier an Bord gewesen ist", sagte Steinau.

Zudem sei die Stimmung an Bord des Schiffes wegen einer sehr attraktiven und kokettierenden Frau, die zur Schiffsbesatzung gehört, zeitweise angespannt gewesen. Bei einer Feier an Bord wurden zudem Bier und Wein ausgeschenkt. Nach Ansicht der Verteidigung ist es nicht auszuschließen, dass andere Crewmitglieder am Ort des Geschehens gewesen sein könnten.

Nach Bekanntwerden des Unglücks habe die Crew-Agentur zudem Druck auf Besatzungsmitglieder ausgeübt und Konsequenzen angedroht. In der Folgezeit wurde Michael D. von einem Crewmitglied der Tat bezichtigt. Pikant: Der Tote Hadji J. war, so der Kapitän, ein Neffe eines Managers der Crew-Agentur.

Wie schnell der Prozess fortschreitet, hängt davon ab, ob und wann die Zeugen vor Gericht aussagen werden. Die meisten Zeugen sind derzeit auf den Philippinen oder sind auf hoher See.