Die Vereinigungen sind mehrere hundert Jahre alt und pflegen ihre Traditionen. Doch es mangelt ihnen nicht an Nachwuchs.

Stade. Hunderte Papierzettel werden am kommenden Sonnabend durch das Stader Rathaus fliegen. Denn dann feiert die Stader Schiffer- und Kaufleute-Brüderschaft im Königsmarksaal ihr jährliches Stiftungsfest. Die jüngste der drei Stader Vereinigungen - sie wurde 1556 gegründet - pflegt dabei ihre jahrhundertealten Traditionen und Ziele.

Der Gründungszweck war bei allen Brüderschaften gleich: Hilfe für die "verschämten Armen". Und die gibt es jetzt ebenfalls noch, auch wenn sie nun anders genannt werden. Heute sind es alleinerziehende Mütter und Hartz-IV-Empfänger, die unterstützt werden. Die Stader Vereinigungen spenden jährlich etliche Tausende Euro, die stets kurz vor Weihnachten an Bedürftige in Stade verteilt werden.

Die St.-Pankratii-Brüderschaft von 1414, die älteste Vereinigung ihrer Art in Stade, spendete im vergangenen Jahr rund 23 000 Euro. Das Geld wird vor allem auf dem jährlichen Stiftungsfest gesammelt. Die Brüder kommen in Frack und Zylinder, die Gäste in Smoking und Abendkleid. Bei den Festen, die häufig mehr als zwölf Stunden dauern, stehen mehrere Rituale auf dem Programm.

Das Bekannteste davon ist das Papierwerfen zwischen den Menügängen. Hunderte von Zetteln werden in die Luft geworfen, der Boden gleicht danach einem Schlachtfeld. Damit geben die Brüder vor, eine Art Straftat zu begehen: Wer beim Werfen erwischt wird (was jeder möchte), muss eine Strafe zahlen, die gespendet wird. "Früher wurden abgeknabberte Knochen geworfen. Dabei wurde die Sonntagskleidung verdreckt. Deshalb haben wir auf Papier umgestellt", sagt Karl Heinz Holz, präsidierender Ältermann der St.-Pankratii-Brüderschaft.

Je bekannter, einflussreicher und wohlhabender der festgebende Bruder und seine Gäste sind, desto mehr Geld kommt zusammen, sagt Günter Fricke, präsidierender Ältermann der Rosenkranz-Gottes-Hülfe-Brüderschaft.

Die St.-Pankratii-Brüderschaft zählt derzeit 85 Brüder. Nachwuchsmangel gebe es nicht: "Wir haben fünf neue Brüder in diesem Jahr aufgenommen." Und das, obwohl diese tief in die Tasche greifen müssen. Vor allem für die "festgebenden Brüder" fallen hohe Kosten an. Blumenschmuck und Musik und müssen unter anderem finanziert werden. "Das Fest kostet mindestens 3000 Euro, der Frack und das Abendkleid für die Ehefrau kommen noch dazu", sagt Fricke, dessen Rosenkranz-Gottes-Hülfe-Brüderschaft 75 Mitglieder zählt.

Die Brüder sind mittlerweile zwischen 30 und 80 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt liege allerdings deutlich über 50 Jahre. Dennoch habe die Rosenkranz-Gottes-Hülfe-Brüderschaft ebenfalls keine Nachwuchsprobleme. Fricke vereidigt Selbstständige, Kaufleute, Juristen, Ärzte und Ingenieure - also eher Wohlhabende. Trotzdem könnten auch Nichtakademiker und Arbeiter in die Brüderschaft eintreten, sagt der Rechtsanwalt und Notar im Ruhestand: "Wir sind für alle Berufsgruppen offen. Doch der Beitritt regelt sich häufig von selbst, weil die Brüder finanzielle Verpflichtungen haben." So muss neben den Spenden beim Stiftungsfest etwa auch das Sterbegeld gezahlt werden, das Witwen oder Witwer für die Beerdigung des Ehepartners erhalten.

Zumindest die Kleider für die Ehefrauen sparen sich die Brüder der St.-Antonii-Brüderschaft, denn sie feiern das Stiftungsfest nur alle 50 Jahre mit ihren Frauen. "1989 wurde zuletzt mit den Partnerinnen gefeiert", sagt Christian Feneis, Senior der St.-Antonii-Brüderschaft. Die meisten Paare würden nur einmal gemeinsam feiern. In der St.-Antonii-Brüderschaft sind traditionell der Landadel, höhere Verwaltungsbeamte, Offiziere und Akademiker organisiert. Sie sammelten im vergangenen Jahr 5000 Euro, die nicht nur an Bedürftige, sondern auch an den Stader Schulen verteilt wurden. Die Brüderschaft finanziert etwa Musikunterricht und Instrumente.