Stimmen aus dem Landkreis: Das Hakenkreuz auf dem Grabstein wird mit gemischten Gefühlen gesehen.

Wangersen. Peter Brinkmann versteht die ganze Aufregung nicht. Auf dem polierten Grabstein seines Vaters prangt ein Hakenkreuz. Der NPD-Politiker aus Wangersen ist der festen Überzeugung, dass die Nazi-Symbolik auf dem Grabstein seines Vaters "nichts Besonderes" sei.

Das umstrittene Hakenkreuz zuzuspachteln, kommt für ihn nicht in Frage. Brinkmann fragt: "Wieso sollte ich das Hakenkreuz entfernen? Mein Vater ist 1941 im Zweiten Weltkrieg für das Vaterland gestorben." Ein Hakenkreuz auf dem Grabstein sei damals "üblich" gewesen, so Brinkmann. Beschwert habe sich bei ihm noch niemand. Außerdem sei das Grab seines Vaters "eines der schönsten und gepflegtesten" auf dem Friedhof in Wangersen. Dass zwischen den akkurat geschnittenen Hecken und den zurechtgestutzten Büschen eine verbotene Symbolik aus der Nazi-Zeit prangt, interessiert den NPD-Funktionär nicht: "Ich komme noch aus einer anderen Generation und finde daran nichts Anstößiges".

Die Staatsanwaltschaft geht ebenfalls nicht gegen das Hakenkreuz vor. Warum, ist kompliziert. Maren Brandenburger, Sprecherin des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, kennt das Problem und auch die juristische Sachlage. "Obwohl das Hakenkreuz zu den verbotenen Symboliken in Deutschland gehört, liegt in diesem Fall keine Straftat vor", sagt Brandenburger.

Es bestehe nur die Hoffnung, so die Verfassungsschützerin, dass der Eigentümer mit einer "Einzelfallentscheidung" der Staatsanwaltschaft gezwungen wird, das Kreuz zu entfernen. "Hakenkreuze sind verboten, wenn sie zu Propagandazwecken genutzt werden", so Brandenburger. Auf einem Grab sei es aber "leider kein strafbares Propagandadelikt". So hatte auch die Staatsanwaltschaft in Stade entschieden - der Fall ist damit zu den Akten gelegt.

Ein weiterer Grund ist, dass das Kreuz vor der Gründung der Bundesrepublik eingefräst wurde. Somit handle es sich nach Meinung von Brandenburger um ein "zeitgenössisches Symbol".

Christian Hinrichs, Sprecher des landkreisweiten "Bündnisses gegen Rechts", sieht das Problem mit dem Hakenkreuz mit überaus gemischten Gefühlen. "Mein Bauch sagt mir, das Hakenkreuze im öffentlichen Raum nichts zu suchen haben", so Hinrichs. Die Rechtslage sei jedoch, so merkt er an, "überaus schwierig".

Letztlich hängt alles von der Anwendung und Interpretation des Paragraphen 86a des Strafgesetzbuches ab. Hinrichs: "Der Stein befindet sich im Privateigentum und ist noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt worden." Daran lasse sich einfach nichts ändern.

Recht ähnlich sieht es Egon Ohlrogge. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag findet, dass Hakenkreuze zwar "grundsätzlich beseitigt" werden müssen, dennoch müssten die rechtlichen Fragen zuvor geklärt werden.

Ganz anders beurteilt der Jorker Pastor Hans-Heinrich Tegtmeyer die Angelegenheit. Das sei eine "Frage des Blickwinkels", so Tegtmeyer. "Die Hakenkreuze auf den Gräbern sind ein historisches Zeitdokument und eine permanente Mahnung an den Krieg und die Gräuel des Nationalsozialismus", sagt der Pastor. Zudem gebe es auf fast jedem Friedhof ähnliche Grabsteine mit Nazisymboliken. "Sie geben zu erkennen, dass junge Männer, oft kaum Älter als 30 Jahre, dort beerdigt sind. Sie sind für eine schreckliche Sache gestorben, die sich niemals wiederholen darf", sagt der Pastor.

Auch Landrat Michael Roesberg ist sich Schwierigkeit der Angelegenheit bewusst. Deshalb rät er zu einer besonderen Aufmerksamkeit und Sensibilität. "Wir müssen als Gesellschaft sehr genau aufpassen, dass nicht unter Ausnutzung der Rechtslage in einem subtilen Rahmen die Rechte Gesinnung verbreitet wird", mahnt der Landrat. Er wünscht sich deshalb eine intensive Aufklärung der Bevölkerung zu dem heiklen Thema.