Gemeindeverwaltung sieht sich machtlos. Der Stein gehört zum Familiengrab des NPD-Funktionärs Peter Brinkmann.

Wangersen. Seit fast 70 Jahren steht er dort, zwischen akkurat geschnittenen Hecken und auf Hochglanz polierten Marmorsteinen. Er sieht auf dem ersten Blick aus wie ein ganz gewöhnlicher Grabstein auf einem ganz gewöhnlichen Friedhof in einem gewöhnlichen kleinen Dorf. Doch der Grabstein aus dem Jahre 1941 auf dem Friedhof in Wangersen bei Ahlerstedt ist alles andere als gewöhnlich.

Auf seiner polierten Oberfläche schimmert im Sonnenlicht inmitten eines Eisernen Kreuzes ein Hakenkreuz. Der Grabstein in Wangersen ist für die Samtgemeinde Harsefeld, zu der Wangersen gehört, ein ungeliebtes Politikum. Am liebsten würde die Verwaltung den Grabstein loswerden, doch das ist angeblich gar nicht so einfach. Dem Sachgebietsleiter der Samtgemeinde Harsefeld, Harald Polter, hat dieser Stein bereits viel Mühe bereitet, denn ein Bürger hatte das 2,51 Zentimeter große Hakenkreuz im Jahr 2008 entdeckt und Anzeige erstattet. Die Angelegenheit wurde von der Staatsanwaltschaft Stade verfolgt - und vor wenigen Tagen zu den Akten gelegt. Ergebnis der Untersuchung: Es besteht angeblich kein Straftatbestand, das Hakenkreuz bleibt.

Das Pikante dabei: Die Bürger aus Wangersen haben sich an dem Hakenkreuz-Grabstein scheinbar nie gestört. Die Anzeige wurde nicht von Bürgern aus Wangersen erstattet, sondern von einem nicht ortsansässigen Passanten. Wer die Geschichte des Ortes Wangersen kennt, ahnt, weshalb. Neben Bargstedt und Brest zählt Wangersen nach Aussagen des Niedersächsischen Verfassungsschutzes seit längerer Zeit zu den Nazi-Hochburgen im Kreis Stade. In der Gaststätte "Zur Post" in Wangersen haben sich regelmäßig Neonazis getroffen, in dem Ort war auch der kürzlich verstorbene NPD-Funktionär Jürgen Rieger zu Gast. Und der Landwirt Peter Brinkmann, Ex-Kreistagsabgeordneter, Samtgemeindeabgeordneter und NPD-Politiker, wohnt hier - und ist angeblich im Dorf hoch angesehen. Er ist in zahlreichen Verbänden und Vereinen des Dorfes vertreten. Und mehr noch: Das umstrittene Grab befindet sich nach Aussage der Samtgemeinde im Besitz der Familie Brinkmann.

Genau da liege das Problem, so Polter. In der Samtgemeinde Harsefeld seien die Pachtrechte an einem Grab nicht - wie sonst oft üblich - auf 30 Jahre beschränkt, sondern zeitlich unbegrenzt. Das Grab sei somit Privatbesitz, da könne die Verwaltung nichts machen. "Herr Brinkmann hat uns gegenüber natürlich auch kein Interesse daran bekundet, das Hakenkreuz zu entfernen", sagt Polter. Auch wenn Polter persönlich das Kreuz lieber entfernt wissen würde - ihm seien die Hände gebunden. "Ich kann mich ja nicht einfach über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft hinwegsetzen", sagt er.

Die Sache sähe, so Polter, vermutlich anders aus, wenn die Inschrift auf dem Grab eine andere wäre. "Wenn da etwas von Volk, Führer, Vaterland stehen würde, dann hätte es tatsächlich volksverhetzenden Charakter."

Das Hakenkreuz als Symbol der NSDAP gilt in Deutschland als "Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation". Das Zeichen darf in der Öffentlichkeit nicht zur Schau gestellt werden, seine Verwendung steht unter Strafe. Laut Paragraf 86a des Strafgesetzbuches stehen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder aber eine Geldstrafe auf die Verwendung oder Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Auch die Ein- und Ausfuhr, Herstellung und Lagerung dementsprechend markierter Produkte sind strafbar.

Ebenso ist eine Verwendung von Symbolen, die verbotenen Zeichen zum Verwechseln ähnlich sind, strafbar. Da auf dem Grabstein aber außer dem Hakenkreuz weiter nichts Anstößiges, Volksverhetzendes zu sehen sei, würde gemäß den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch Paragraf 86a nicht greifen. Resultat: Das Hakenkreuz bleibt.

Das Problem in Wangersen ist kein Einzelfall: In Hamburg-Ohlsdorf gibt es auf dem Friedhof derzeit noch vier bekannte Steine mit Nazi-Symbolen. Doch anders als in Wangersen wurde hier einiges geändert. So wurde im Jahr 2003 in Ohlsdorf der Grabstein des verstorbenen SA-Standartenführers und Hamburger Polizeipräsidenten Wilhelm Boltz ausgetauscht. Bei dem ursprünglichen, ersetzten Grabstein wurde der Schriftzug "S.A. Standartenführer" nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zugegipst und das Hakenkreuz entfernt. Die Runenzeichen, ein Familienwappen und eine steinerne Adlerdarstellung waren dagegen noch erhalten. Nun steht dort, wo einst der mit NS-Symbolen beschriftete Grabstein stand, ein nüchterner, klassischer Grabstein ohne Insignien des Dritten Reiches.

Übrigens: Das Zugipsen oder Herausmeißeln des Hakenkreuzes auf dem Friedhof in Wangersen ist auch keine Lösung. "Das wäre nämlich Sachbeschädigung", sagt Polter.