Ein Energieplus-Haus in Helmstorf erzeugt mehr Energie, als es verbraucht. Zur Eröffnung heute kommt auch der Landesumweltminister.

Helmstorf. Der Rasen leuchtet in sattem Grün, auf der Terrasse blühen in Pflanzkübeln Hortensien in Weiß und Rosa. Vor dem Rotklinkerbau steht ein Motorroller. Die letzten Handwerker sind gerade abgerückt, haben Haus und Hof in einem perfekten Zustand hinterlassen. An der Helmstorfer Ortsdurchfahrt ist ein neues Eigenheim entstanden, die neuen Besitzer scheinen gerade eingezogen zu sein.

Karl-Heinz Pertek öffnet die Tür und heißt den Besucher willkommen. Er verkörpert perfekt den stolzen Hausherren, auch wenn dies nur bedingt die Rolle des 69-Jährigen ist. Pertek, im benachbarten Bendestorf zu Hause, ist in Diensten des Fertighausherstellers Schwörer Haus aus dem schwäbischen Hohenstein Vertriebsleiter für den Norden; der schicke Neubau in Helmstorf in der Gemeinde Seevetal ist ein Musterhaus. Aber nicht irgendeines, wie Pertek betont. "Es ist ein Energieplus-Haus", sagt er, und seine Augen funkeln vor Begeisterung.

Energieplus, das ist zumindest momentan der Superlativ für Energiesparen. Mehr geht nicht. Denn während Niedrigenergie-Häuser mit sehr wenig Energie auskommen und sogenannte Passivhäuser gar keine benötigen, setzt der neue Standard noch einen drauf. Pertek: "Dieses Haus erzeugt mehr Energie, als es selbst verbraucht." Ein kleines Kraftwerk mit fünf Zimmern und 150 Quadratmetern Wohnfläche.

Ein Haus, das vollkommen autark von anderen Energieanbietern ist, das weder Erdöl noch Erdgas braucht, für das kein Atomkraftwerk und auch kein Kohlekraftwerk Strom erzeugen muss - das ist nach Überzeugung des Schwörer-Vertriebsleiters der perfekte Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende. "Das ist es ja, was auch die Bundesregierung anstrebt", sagt Pertek.

In der Tat ist das Interesse an dem Musterhaus in der Politik groß. Zur offiziellen Eröffnung heute hat sich Landesumweltminister Stefan Birkner (FDP) angekündigt, der einen Vortrag über "Umwelt- und klimapolitische Ziele" halten wird. Joachim Bordt, Landrat im Landkreis Harburg, will kommen, Gemeinde- und Ortsbürgermeister sowieso. Auch Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Fertigbau, wird erwartet, dazu eine Handvoll Fachjournalisten der einschlägigen Zeitschriften für schönes Wohnen. Großer Bahnhof für ein kleines Haus. Alle wollen wissen, wie ein Einfamilienkraftwerk funktioniert.

+++ Die KfW fördert den Bau von Energiespar-Häusern +++

Perteks Kollege Frank Bartnik, 37, der das Sparwunder ab sofort als einer von zwei Bauberatern tagsüber "bewohnen" wird, führt ins Herz des Hauses, einen acht Quadratmeter großen Raum. Darin steht eine Anlage vom Format und von der Anmutung eines Kühlschranks, an der anderen Wand ein zweites Gerät, das Ähnlichkeit mit einem weißen Sideboard hat. Silberfarben isolierte Rohre führen hinein und hinaus.

"Das sind Wärmetauscher", erklärt Bartnik. Einer, der mit Kühlschrank-Ähnlichkeit, stellt die Warmwasserversorgung sicher. Der andere ist quasi die Heizungsanlage. Das Prinzip, stark vereinfacht ausgedrückt: Die Innenluft in den Räumen wird nach außen abgepumpt. Die darin enthaltene Wärme wird in einem Wärmetauscher gespeichert. Diese Wärme heizt das Leitungswasser, aber auch Frischluft, die von außen angesaugt wird. Luft aus- und wieder einpumpen - das bringt noch einen weiteren Aspekt mit sich: "Die Raumluft im gesamten Haus wird alle drei Stunden komplett ausgetauscht", sagt Verkaufsleiter Pertek. Für die Stromgewinnung sorgt eine voll in die Dachfläche integrierte Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 43 Quadratmetern.

Eine kleine Spielerei am Rande: ein Hometrainer im Obergeschoss. Die dort von Bewohnern mit Muskelkraft gewonnene Energie verpufft nicht, sondern fließt in die positive Energiebilanz des Hauses ein. Der gesamte im und auf dem Gebäude erzeugte Strom wird dort nicht zwischengespeichert, sondern ins Stromnetz eingespeist. Die Bewohner müssen also trotzdem, wie jeder andere Haushalt auch, einen Liefervertrag mit einem Stromanbieter abschließen.

Unterm Strich kaufen sie aber gut 600 Kilowattstunden jährlich weniger ein, als sie verkaufen. Bauberater Bartnik zückt seinen Taschenrechner. "Das macht eine Differenz von 150 Euro im Jahr." Bei dieser Rechnung ist er von einem Preis von 24 Cent pro Kilowattstunde Strom ausgegangen, sowohl bei der Einspeisung als auch beim Rückkauf. 150 Euro im Jahr klingt nicht viel. Auf der anderen Seite fallen Strom- und Öl- oder Gaskosten gar nicht erst an, sodass es - im Vergleich mit einem konventionellen Haus - im Endeffekt um einige Tausender im Jahr geht.

In Seevetal-Helmstorf haben die Schwörer-Leute ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und dargestellt, was sich mit gut 600 Kilowattstunden gewonnenen Stroms noch so alles anstellen ließe. Ein Elektroauto oder ein Elektroroller könnten zum Beispiel gespeist werden. Oder auch ein vollautomatischer Rasenmäher.

Ein Schnäppchen wäre dieses spezielle Haus, wie es in Helmstorf steht, trotz allem nicht. Über die Baukosten redet Vertriebsleiter Pertek nicht so gern, denn sie liegen ganz deutlich über denen für ein vergleichbares Modell im heute üblichen KfW-70-Standard. So deutlich, dass sich der Mehrpreis auf absehbare Zeit nicht amortisieren würde. Aber darauf kommt es Schwörer gar nicht an. Verkaufsleiter Pertek: "Was dieses Haus ausmacht, ist die Kombination aller technischen Besonderheiten, die wir hier vorführen wollen." Es ist eben ein Musterhaus. Und sicherlich ein Modell für die Zukunft.

Morgen und am Sonntag kann das Musterhaus, Garbershoff 1, Helmstorf, jeweils von 10 bis 17 Uhr erstmals von der Öffentlichkeit besichtigt werden.