Christopher Wolter aus Bleckede ist einer von Tausenden von Freiwilligen, die für ein Jahr im Ausland Entwicklungsarbeit leisten

Bleckede. Auf dem Tisch im Esszimmer seines Elternhauses hat Christopher Wolter gut einen Quadratmeter Reispapier ausgebreitet, das er nun zufrieden betrachtet. Nicht das Papier an sich erfüllt ihn mit Stolz, sondern die sorgsam getuschten chinesischen Schriftzeichen darauf. Echte Handarbeit, seine eigene, das Ergebnis eines jüngst besuchten Kalligrafiekurses. "Die beiden da", sagt Wolter und zeigt auf derer zwei, "die bedeuten Hallo." Und haucht ein bisschen näselnd die Übersetzung: "Ni Hao."

Einen Hauch von Hallo auf den Lippen wird der 18-Jährige bald gut gebrauchen können. Während China an diesem verregneten Frühsommermorgen am Stadtrand von Bleckede an der Elbe noch unglaublich weit weg erscheint, rückt es für ihn von Tag zu Tag näher. Anfang September bricht der Bleckeder auf nach China, wird aus dem Abiturienten Wolter der Assistenzlehrer Wolter. Für Jugend im Ausland, ein gemeinsames Projekt des Arbeiter Samariter Bundes und des Vereins für Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfen in Schleswig-Holstein, geht er in den Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Nach dem Aussetzen der Wehrpflicht hätte Christopher Wolter wie selbstverständlich machen können, was für Generationen von männlichen Schulabgängern vor ihm mit großem Aufwand verbunden war: sofort studieren. Aber ist gar nicht sein Ziel. "Ich wollte schon immer mal die Welt kennenlernen", sagt er.

Nun also China, die Provinz Yunnan im Nujiang-Tal. Die Region, die sich im Norden bis zur Grenze Tibets erstreckt und im Westen an Myanmar heranreicht, zählt zu den ärmsten im Reich der Mitte. Dort wird Christopher Wolter als Assistenzlehrer Englisch unterrichten und nach den Schulstunden in Hilfsprojekten mitarbeiten. "Da gibt es zum Beispiel das Seifenprojekt", sagt er. "Wir werden gebrauchte Seife aus Hotels einsammeln und an Familien verteilen, die sich keine Seife leisten können." Und sie werden bei den Reichen unter den Chinesen um abgelegte Kleidung für ihre unterprivilegierten Schützlinge bitten. Viel mehr Konkretes weiß Christopher Wolter noch nicht über seinen Einsatz. Details wird er bei einem Vorbereitungsseminar im Juli im schleswig-holsteinischen Elmshorn erfahren.

China. Das Land hat auf den computeraffinen Schüler in der Vergangenheit vor allem aus einem Grund einen besonderen Reiz ausgeübt: "Ich bin überzeugt davon, dass die Chinesen in Sachen IT bald weltmarktführend sein werden." In Yunnan freilich sind sie davon Lichtjahre entfernt, und so ist Christopher Wolter mittlerweile eher gespannt auf die ihm fremde Kultur. "Ich glaube, dass ich durch das Jahr weltoffener werde. Und ich meine, dass ich lerne, besser auf Menschen zuzugehen." Er wirkt schüchtern, tüftelt in seiner Freizeit am liebsten an Computerprogrammen, die er selbst entwickelt.

Aber allein schon die Vorbereitung auf China scheint etwas bewirkt zu haben. Plötzlich malt der eher rationale Zahlenmensch in seiner Freizeit einen Hauch von Hallo auf Reispapier. Und seit gestern nimmt er auch Sprachunterricht bei der in Lüneburg lebenden Chinesin Hong Yan Liang. "Sie will mich auch ein bisschen auf die Mentalität der Menschen vorbereiten, damit der Kulturschock für mich nicht zu groß wird." Inzwischen kann er sich sogar vorstellen, seinen Berufswunsch - Informatiker - zu überdenken. "Ich kenne Leute, die nach diesem Jahr lieber auf Lehramt studieren wollten", sagt er.

Während derlei Überlegungen noch in ferner Zukunft liegen, treibt Christopher Wolter ganz konkret die Frage nach der Finanzierung seines Aufenthalts um. 7000 bis 8000 Euro kostet das Jahr in China. Drei Viertel dieser Summe finanziert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Den vierten Teil müssen Freiwillige selbst aufbringen, und zwar nicht vom Sparkonto, sondern als Spenden. Also ist Christopher Wolter gerade dabei, Briefe im Freundes- und Bekanntenkreis zu verschicken. In Kürze will er auch eine Internetseite freischalten, auf der er über sein Projekt berichtet und um Geld bittet.

Manche mögen es als paradox empfinden, dass einer wie er erst mal bis zu 2000 Euro abliefern muss, um helfen zu dürfen - und dann vor Ort ein Taschengeld von 100 Euro im Monat bekommt. Christopher Wolter zuckt mit den Schultern. Das sind eben die Spielregeln. Zu denen gehört auch, dass er regelmäßig Berichte über sein Projekt schreiben und nach Hause schicken muss. Per E-Mail. Eines hat der Bleckeder schon herausgefunden: "Internet und WLAN gibt's auch in Yunnan."

Sofern es die Technik zulässt, wird Christopher Wolter in loser Folge an dieser Stelle über seine Arbeit in Yunnan berichten.