Tätowierungen stehen vor allem bei Jugendlichen hoch im Kurs. Wer sich jedoch bei der Wahl des Motivs vergreift, hat schlechte Karten.

Mit den Modetrends ist das so eine Sache: Was heute hip ist, sorgt in ein paar Jahren vielleicht für jede Menge Spott und Hohn. Doch im Gegensatz zur Klamotte, die je nach Belieben gewechselt werden kann, sind Tattoo-Sünden wie das "Arschgeweih" aus den 90er-Jahren nicht einfach wieder abzulegen.

Der Szene tut das keinen Abbruch: Allein der Verein der Deutschen Organisierten Tätowierer (DOT) registriert mehr als 5000 Studios in ganz Deutschland, Tendenz steigend. Viele bedienen den aktuellen Modetrend. Andere, wie das Red Corner in Elstorf, wollen auch dem künstlerischen Anspruch gerecht werden. André ist 31 Jahre alt und "Wiederholungstäter". Erst ließ er sich den Namen seiner Tochter in die Haut tätowieren, wenig später folgte ein so genanntes "Tribal", das sich mittlerweile vom Schultergelenk bis zum Ellbogen zieht und das jetzt nachgestochen werden muss, weil André zu häufig in der Sonne gelegen hat und aus der ehemals tiefschwarzen Farbe nach und nach ein blasses Grau wurde.

Auch Marco, 34, fing dezent an: 1996 betrat der Neu Wulmstorfer die "Älteste Tätowierstube in Deutschland" am Hamburger Berg und ließ sich einen zehn Zentimeter großen Delfin auf den rechten Oberarm stechen. "Das passte damals einfach zu mir. Ich war bei der Marine und wollte ein Bild, das was mit dem Meer zu tun hat", erzählt er. Doch dabei sollte es nicht bleiben. 16 Jahre später hat der Finanzbeamte etwa 60 zusätzliche Tätowier-Stunden auf dem Buckel. Der Delfin bekam Gesellschaft von einem roten Fisch und einem Drachen in Schwarz-Weiß. Und der linke Arm ist von der Schulter bis zum Handgelenk mit einem Buddha und bunten Blütenmotiven überzogen. "Tattoos haben schon ein gewisses Suchtpotenzial. Hat man eines, will man immer mehr. Wobei ich gestehen muss, dass ich drei Jahre lang überlegt habe, ob ich mir tatsächlich den Unterarm tätowieren lassen soll. Denn da muss man schon genau abwägen, ob das Ganze mit dem Job zu vereinbaren ist", sagt Marco.

Toni aus Hamburg macht sich da wenig Gedanken. Der 21 Jahre alte Einzelhandelskaufmann hat sein erstes Tattoo gleich für alle sichtbar auf den linken Unterarm platzieren lassen. "Aber das ist da, wo ich arbeite, auch kein Problem. Mein Chef ist selber so einer und echt locker drauf. Und ein paar meiner Arbeitskollegen sind auch gepierct und tätowiert", erzählt er. Was genau das Hamburg-Wappen mit den vielen schwarzen Sternchen und den kryptischen Zahlen zu bedeuten hat, will er nicht verraten. "Das reicht, wenn ich das weiß", sagt Toni. "Das hänge ich nicht an die große Glocke."

Gemeinsam ist den drei Männern, dass sie sich nicht tätowieren lassen, weil es "in" ist, sondern weil sie es einfach schön finden. "Das ist doch eine großartige Kunst. Ich hänge sie mir halt nur nicht an die Wand, sondern trage sie am Körper", sagt Marco. Wie die wandelnden Bilder später einmal aussehen, wenn er nicht mehr 34, sondern 64 Jahre alt ist, daran habe er bislang noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. "Das ist sowieso das ultimative Totschlagargument in der Szene. Das kann ich echt nicht mehr hören", meckert Chris, der gerade dabei ist, Andrés Tribal zu schwärzen. "Älter werden wir doch alle und auch nicht unbedingt schöner, völlig egal, ob mit oder ohne Tattoo auf der Haut. Der Unterschied ist nur, dass die, die sich ein Bild stechen lassen, damit ein ganz persönliches Erlebnis verbinden, an das sie sich im Alter gern erinnern."

Seit einiger Zeit seien vor allem tätowierte Namen und Initialen der eigenen Kinder angesagt. "Aber es gibt auch immer noch ein paar Unbelehrbare, die sich tatsächlich den Namen des Partners stechen lassen", sagt Chris. Das berühmte Steiß-Tribal, auch "Tussenlenker" oder "Schlampenstempel" genannt, werde nur noch ganz selten nachgefragt. "Dafür hat unser Auszubildender Johannes vor ein paar Tagen tatsächlich ein Indianer-Motiv tätowiert. Eine Zeit lang waren die total angesagt, dann wollte sie plötzlich keiner mehr. Aber irgendwie kommt irgendwann alles wieder", sagt Jeannette. Sie ist die Chefin im Red Corner und betreibt das Tattoo- und Piercing-studio seit Juli 2010 im Mühlenweg in Elstorf.

Jeannette kam wie der studierte Jurist Johannes, der Reiseverkehrskaufmann Chris und die Arzthelferin Melli, die seit zweieinhalb Jahren als Piercerin im Team arbeitet, als Quereinsteigerin in die Tätowierer-Szene. Nach ihrem Schulabschluss machte sie zunächst eine Ausbildung zur Sparkassenkauffrau. Anschließend arbeitete sie sogar noch fünfeinhalb Jahre in dem Job, war aber nebenbei im Harburger Tattoo-Studio "Art of Ink" tätig und lernte dort zunächst das Piercen und wenig später auch das Tätowieren. "Das war echt schräg. Ich hab mich jahrelang immer nach Dienstschluss in der Sparkasse umgezogen, weil ich mich im Kostümchen nicht nach Harburg getraut habe", erinnert sich die Geschäftsfrau. Heute sei sie froh über den konsequenten Berufswechsel. "Ich würde alles ganz genauso machen, auch, wenn das damals ziemliche Reibereien mit meinen Eltern gegeben hat. Aber das hier ist mein Leben", sagt Jeannette.

In ihrem Job versteht sie sich als Dienstleisterin und Handwerkerin. "Ein offenes Beratungsgespräch vorab ist mir wichtig, und ich lasse mich auch zu nichts überreden. Aber mit den sogenannten Modetrends habe ich keine Probleme. Ich würde meinen Kunden auch das 500. Sternchen stechen, wenn sie es unbedingt haben wollen", sagt die Chefin.

Chris hingegen würde am allerliebsten einen ganzen Körper verschönern und zum persönlichen Kunstwerk erklären. "Mal jemanden von oben bis unten mit Motiven zu tätowieren, die man mit dem Kunden entworfen hat, das wäre natürlich ein Traum."

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