Der Grünen-Politiker Sven-Christian Kindler sieht die Energiewende als Chance für die Kommunen. Kritik an Schwarz-Gelb wegen Blockade.

Buxtehude. Er ist der zweitjüngste Bundesparlamentarier in Berlin, doch der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler, der für die Grünen die Landkreise Stade und Rotenburg in Berlin vertritt, ist alles andere als grün hinter den Ohren. Er ist im Haushaltsausschuss des Bundestages tätig, dem, wie er sagt, "Königsausschuss". Dort entscheidet er mit, wofür die Bundesregierung wie viel Geld bereitstellen darf. "Die Grünen haben mir den Posten sofort zugetraut. Das hätte die Parteispitze nicht gemacht, wenn Zweifel an meiner Kompetenz bestanden hätten", sagt der 27-Jährige.

Bei den Debatten um die Finanzmittelverteilung und den Untersuchungen der derzeitigen Finanzlage ist Kindler deutlich geworden, dass es noch lange dauern wird, bis der Wirtschafts- und Bankencrash von 2008 überstanden ist. "Die Finanzkrise ist noch lange nicht vorbei", sagt er. Auch für die Kommunen nicht. Denn diese hängen, wie die Bundesregierung auch, vom Kredit- und Bankenwesen ab, um ihre Investitionen zu tätigen.

"Es wird nicht leicht, die Krise zu überwinden, denn sie hat tiefe strukturelle Gründe", sagt der Bundestagsabgeordnete. Drei Ursachen nennt er: Eine nicht nur deutschland- sondern europaweite Ungleichheit, dadurch hervorgerufene Ungleichgewichte sowie unterregulierte Märkte. "Bei den Vermögen der Bürger ist eine deutliche Veränderung zu spüren. Immer weniger Vermögende horten immer mehr Geld, während auf der anderen Seite viele Bürger immer weniger Geld zur Verfügung haben."

+++ Wo bleibt die Vermögenssteuer? +++

Dies rufe nicht nur soziale Ungerechtigkeit hervor, weil Menschen zunehmend die Teilhabe an der Gesellschaft verwehrt wird, sondern auch enorme ökonomische Probleme, da die Vermögenden ihr Geld nicht wieder der Volkswirtschaft zukommen lassen. "Das Geld wird in die Finanzmärkte im Ausland investiert und nicht etwa in das Handwerk, weil nach einer maximalen Rendite getrachtet wird. Das ist fatal für jede Volkswirtschaft", sagt der Grünen-Politiker.

Er plädiert daher dafür, die Finanzmärkte strikt zu regulieren. "Die EU und die Nationalstaaten sollten die Märkte regulieren, etwa über Reichen-Abgaben. Damit könnte die Schuldenkrise, die eine Verteilungskrise ist, überwunden werden."

Es sei nicht einzusehen, dass die hochriskanten Spekulationsgeschäfte der Reichen und der Investmentbanken ganze Länder an den Rand des Abgrundes treiben würden und die kleinen Bürger dafür aufkommen sollten. Oder dass Kommunen wegen der Schuldenlasten Jugendzentren und Theater schließen müssten, dass denjenigen, die ohnehin wenig hätten, wie etwa Hartz-IV-Bezieher, der Geldhahn zugedreht werde. "Die Schulden der Staaten und Kommunen sollen die Millionäre bezahlen. Und dafür muss es eine Gesetzesregelung geben."

Zugleich sollten sich Staat und EU dafür stark machen, dem "extrem unterregulierten Finanzmarkt" Handschellen anzulegen. Etwa indem Banken gesundgeschrumpft würden. "Der Finanzmarkt muss viel langweiliger werden. Er ist undurchschaubar. Es verstehen selbst viele Banker nicht mal mehr ansatzweise, was dort vor sich geht. Die logische Folge war die Finanzkrise, die 2008 begann. Sie hat gezeigt, dass die Lehre der freien Märkte krachend gescheitert ist und dass es Kontrollen geben muss", urteilt Kindler.

Keine Bank dürfe jemals so groß werden, als dass sie gerettet werden muss, falls sie in finanzielle Schieflage kommen sollte. Ein Zusammenbruch von großen Banken wie der Commerzbank oder der Deutschen Bank wäre aus Sicht des Politikers fatal für Deutschland und Europa. "Sollte das passieren, dann wird es richtig kritisch. Daher müssen solche Banken kleiner werden und der Investmentbereich klar vom Kundenbereich getrennt werden."

Dies zu erreichen, sei schwer. Es sei ein harter Kampf mit den Vermögenden im Land und in Europa, der der Politik bevorstehe. Ein erster Schritt zur Minderung der Gefahr besteht für Kindler darin, bestimmte Finanzmarktprodukte zu verbieten. Finanzwetten etwa. Die sind immer dann besonders beliebt, wenn es einem Land schlecht geht.

"Wenn jetzt etwa Griechenland aus der EU ausgeschlossen würde, dann würden sogleich Wetten kommen, wer als nächstes rausfliegen wird", meint Kindler. "Das schadet der Kreditwürdigkeit von Staaten und verschlimmert deren Lage zusätzlich. Der ganze Balkan könnte dadurch destabilisiert werden."

Die Lage der Kommunen ist aus Sicht des Bundestagsabgeordnete zwar nicht so dramatisch wie die Griechenlands, dennoch sei auch im Elbe-Weser-Dreieck die Ausgangslage schwierig, solange die Städte und Gemeinden nicht von einem Teil ihrer Aufgabenlasten befreit würden und grundlegende Reformen in der Gewerbesteuer angegangen würden. "Auch eine Grundsteuerreform ist überfällig, es wird immer noch mit Einheitswerten gearbeitet, die aus den 1960er-Jahren stammen und somit deutlich überholt sind", meint der Grünen-Finanzexperte.

Als für die Kommunen wichtig bezeichnet er auch die Energiewende. Sie stelle eine wirtschaftliche Chance für Städte und Gemeinden dar. Der Ausbau von Solar-, Wind-, und Biogasanlagen mache die Kommunen von großen Stormversorgern unabhängig, zugleich würde das Handwerk vor Ort gestärkt werden, indem es am Ausbau der Energieprojekte beteiligt wird. "Das sichert Arbeitsplätze und sorgt für steigende Steuereinnahmen", sagt Kindler. Vor allem im Stader Raum gebe es großes Potenzial, etwa bei der Windkraft. Dieses müsse genutzt werden.

Der Grünen-Politiker sieht aber in diesem Zusammenhang auch ein großes Problem. Und das sitzt in Berlin. "Die schwarz-gelbe Regierung blockiert derzeit alles und ist somit gerade dabei, die wichtige Energiewende grandios an die Wand zu fahren. Das darf aber nicht geschehen, wenn wir das Land und die Kommunen wirtschaftlich stabil erhalten wollen."