Kandidatenflaute: Für die Landtagswahl in Niedersachsen haben sich gerade mal zwei Liberale bereit erklärt, ein Mandat zu übernehmen.

Stade/Buxtehude. Es gab mal eine Zeit, da waren die Liberalen durchaus eine politische Größe und als drittstärkste Partei im Lande auch durchaus renommiert. Keine andere Partei war so lange in Regierungsverantwortung wie die FDP. Die bürgerliche Freiheit war ihr Credo, die FDP galt als Hüterin der persönlichen Freiheitsrechte, des parlamentarischen Systems und der Marktwirtschaft. Klangvolle Namen wie Theodor Heuss, Hildegard Hamm-Brücher, Otto Graf Lambsdorff oder Hans-Dietrich Genscher zierten die Briefbögen.

All das ist lange her. Heutzutage, das sagen selbst eingefleischte FDP-Politiker, bedürfe es großen Mutes, für die FDP zu kandidieren. Die Ära Philipp Rösler sei ganz bitter für die Liberalen. Die Partei wird vom Wähler aus einem Parlament nach dem anderen herausgekegelt. FDP - Fast Drei Prozent. Das war einmal ein Scherz. Inzwischen ist es bittere Realität für die einst so stolzen Liberalen. Und trotz der katastrophalen Wahlergebnisse kommt die Partei nicht umhin, Kandidaten für die Bundes- und Landtagswahlen zu suchen.

2013 wird der Niedersächsische Landtag gewählt. Für die FDP im Kreis Stade wird das keine leichte Sache. Das weiß die Partei selbst. "Das wird eine ganz schwere Aufgabe für uns", sagt Thorsten Cramer, Vorsitzender des FDP-Ortsverbands in Stade. "Früher war es kein Problem, jemanden für eine Kandidatur zu finden. Inzwischen ist das anders. In der Öffentlichkeit muss man sich schon fast dafür entschuldigen, für die FDP kandidieren zu wollen, so ist die Stimmung", sagt Cramer. Die Partei sei der Buhmann, werde bei ihren öffentlichen Auftritten von Bürgern verbal hart attackiert. "Das ist alles andere als schön", sagt der FDP-Politiker. Die Kritik, die die FDP vor Ort kassiere, sie schmerze, denn sie sei zum Großteil ungerecht.

"Wir werden für das, was die Partei auf Bundesebene macht, abgestraft", klagt Cramer. Auch im Kreis Stade stehe die Partei daher vor schweren Zeiten. Die Kommunalwahl war ein Debakel, wichtige Sitze in Stade, Buxtehude und im Kreistag wurden eingebüßt. Wolfgang Ehlers trat vom Parteivorsitz zurück, Serkan Tören, der inzwischen nur noch über sein Bundestagsmandat verfügt, übernahm das Zepter. Er will die Partei neu strukturieren und aus dem unruhigen Fahrwasser herausbekommen. "Ich denke, dass es langsam wieder aufwärts geht", sagt Tören. Wohl wissend, dass die Partei kaum noch tiefer in der Wählergunst sinken kann. "Was wir dringend brauchen, ist Ruhe innerhalb der Partei. Eine weitere Personaldiskussion können wir uns in Berlin jetzt nicht leisten", urteilt der Stader. Die Partei habe viele Erfolge vorzuweisen, nur würden die oft nicht in der Öffentlichkeit mit der FDP in Verbindung gebracht.

Eine Arbeitslosenquote von unter drei Millionen, Steuererleichterungen im Umfang von 24 Milliarden Euro für die Bürger, das Ende der Wehrpflicht, das reklamiert er als Erfolge seiner Partei. Und beim Schutz des geistigen Eigentums kämpfe die FDP an vorderster Front für die Wertschätzung der Arbeit von Künstlern, Schriftstellern, Fotografen, Journalisten und Musikern.

Doch vieles davon, so erklärt Cramer, sei bei den Bürgern so nicht angekommen. "Wir sind in ein tiefes Loch gefallen. Wir müssen sehen, dass wir unsere klassischen Themen, das Wahren der bürgerlichen Freiheit, stärker thematisieren, denn sie sind in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt worden", so Cramer. Und das räche sich nun. Der Wähler schaue sich derzeit anderweitig um, daran ändere auch das gute Wahlergebnis von Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein nichts. "Der macht sein eigenes Ding, da profitieren wir in Niedersachsen nicht von", meint Cramer.

Was die Partei auf Landesebene brauche, seien überzeugende Führungspersonen, die vermitteln könnten, welchen Wert die FDP für die Bürger habe. Auf Kreisebene müsse die Partei stärker zeigen, wofür sie stehe. Das habe zuletzt gefehlt. Die Wunden leckt die Partei seit dem Wahldebakel der Kommunalwahl noch immer. "Wir müssen uns neu und vernünftig strukturieren. Das wird dauern", sagt Cramer. Doch die Partei werde das schon schaffen.

Großen Anteil sollen daran Andrej Meyer aus Buxtehude und Christiane Leuchtenberger aus Stade haben. Die beiden wurden einstimmig von der Kreis-FDP als Kandidaten für die Landtagswahl aufgestellt - weitere Bewerber gab es nicht.

Leuchtenberger brauchte etwas Bedenkzeit für ihre Kandidatur, doch dann rang sich die 63-Jährige doch dazu durch. "Ich habe viel von der Gesellschaft an positiven Dingen mitbekommen. Ich bin nun in einem Alter, wo es an der Zeit ist, meinerseits etwas für die Gesellschaft zu tun", sagt die Staderin. Sie war bereits im Kreiselternrat tätig und will daher die Schulpolitik zum Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Die Herdprämie der CDU, so erklärt sie, lehne sie kategorisch ab. "Wer es sich finanziell leisten kann, bleibt eh zuhause. Den anderen, die weniger Geld haben, bringen die 150 Euro Prämie gar nichts", klagt sie. Leuchtenberger will sich daher auch dafür einsetzen, dass Steuergelder sinnvoll eingesetzt werden und nicht in Projekte, die unter dem Strich wenig bis nichts brächten.

Auch Andrej Meyer glaubt, dass er mit seiner Kandidatur Gutes für die Gesellschaft bewirken kann. Der 22-jährige Buxtehuder will sich vor allem um eine sinnvolle Integrationsarbeit auf Landesebene und in den Kommunen bemühen. "Wir können es uns nicht leisten, Migranten nicht in die Gesellschaft einzubinden. Wir müssen ihnen bessere Bildungschancen bieten und auch gleiche Jobchancen. Dafür will ich in Hannover kämpfen", sagt der junge FDP-Kandidat. Ob daraus etwas wird, werden die Wähler im kommenden Jahr am 20. Januar entscheiden.