In einem Kursus der Volkshochschule wird “Tierisch“ angeboten: Hunde- und Katzenhalter lernen mit ihren Tieren zu kommunizieren.

Stade. Die Augen geschlossen, in der einen Hand ein Foto von Hund oder Katze, die andere Hand leicht geöffnet auf dem Schoß: In dieser Haltung verharren die Tierhalter auf ihren Stühlen. Sie versuchen, in die Rolle ihrer Katzen und Hunde zu schlüpfen, sich schnüffelnd und mauzend durch das Haus zu bewegen. Nein, das ist kein Witz. Es ist ein Kursus an der Volkshochschule Stade, für den die Teilnehmer 56 Euro pro Person zahlen.

Für das Geld hat ihnen die Leiterin Birgit Ermers einen Einblick in die Techniken des mentalen Gesprächs mit Hund oder Katze versprochen. Dabei geht es nicht um die Deutung von Gesten oder Blicken. Deshalb ist laut Birgit Ermers die Anwesenheit des Tieres überflüssig. Das Kommunikationsmittel ist die Telepathie. Die Schnüffel-Übung ist die Vorbereitung auf den ersten Schwatz mit den Tieren - eine Übung zum Warmwerden.

Birgit Ermers ist 53 Jahre alt und eigentlich Diplombiologin. Aber nachdem es ihr ständig auf den Magen geschlagen war, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Humangenetik an der Universität Göttingen den Erbanlagen von Mäusen und Ratten mithilfe von Tierversuchen nachzuspüren, hängte sie ihren Job an den Nagel und wurde Schauspielerin.

Dann wurde eine ihrer Katzen ernsthaft krank, Ermers lernte Nicole Schöfmann kennen, die als Wegbereiterin der Tierkommunikation in Deutschland gilt. Nicole Schöfmann ist inzwischen als Katzen- und Hundeflüsterin so bekannt, dass Sandra Maischberger das Ex-Model 2010 zu sich in die Sendung eingeladen hat. Nicole Schöfmann sagt, sie könne mit Tieren sprechen und sei in der Lage, selbst Kampfhunde zu heilen. Seit fünf Jahren lässt sich Birgit Ermers nun schon von der Heilerin schulen und gibt ihr Wissen weiter.

Sechs Tierbesitzer aus dem Raum Stade nehmen an dem Kursus teil, eine zusammengewürfelte Gruppe, zu der etwa ein Tierfotograf, eine Krankenschwester und eine Verwaltungsfachangestellte zählen. Sie sitzen im Kreis auf ihren Stühlen. In der Mitte hat Birgit Ermers eine Kerze auf einem blauen Seidentuch platziert. Neben ihrem Stuhl steht eine Thermoskanne mit Tee. Gleich zu Beginn stellt die Kursusleiterin - blau-grau gestrickte Socken, Rock über der Jogginghose, Schmetterlingskette am Hals - klar: In die Esoterik-Schublade will sie nicht gesteckt werden. Wie zum Beweis holt sie in den ersten Stunden des zweitägigen Wochenendseminars weit aus. Sie spricht von alten Kulturen, von den Indianern, die großen Respekt vor der Natur und der Schöpfungskraft hatten; von Energiewellen, die wie eine Datenautobahn Mensch und Tier vor Jahrtausenden miteinander verbanden.

Damit nun keine Missverständnisse in der Unterhaltung zwischen Mensch und Tier auftreten, möchte Birgit Ermers erst mal die Energieflüsse in Ordnung bringen und beginnt mit einer Meditation. Doch für die meisten Teilnehmer ist das nichts Neues. Viele sind Reiki- und meditationserprobt. Die Teilnehmer nehmen eine aufrechte Position auf ihren Stühlen ein, stellen sich vor, sie wären eine Blume, durch die helles Licht in die Erde strömt, während das Geräusch vorbeirauschender Autos nach innen dringt, und die Uhr immer lauter tickt.

Dann kommt die Schnüffel-Nummer. Als die Tierhalter die Fotos ihrer Schützlinge zücken, erinnert Birgit Ermers sie daran, wie wichtig Schnurrbarthaare als Wahrnehmungsinstrument für Katzen sind und um ein wievieltes Mal der Geruchssinn der Hunde ausgeprägter ist als der der Menschen.

Die Tierliebhaber, bei denen die Übung funktioniert hat, berichten von knarrenden Hundekörben und vom Geruch ihrer Katze. Aber es klingen auch ihre Ängste durch: Sollte ich nicht doch öfter den Wassernapf säubern? Unternehme ich genug mit meinem Hund? Drängt sich die Katze nicht zu sehr in den Vordergrund, sodass der Hund den Kürzeren zieht? Zeit für Birgit Ermers, die erste Weisheit in den Kursus einzuschieben: "Es ist ein Geschenk, dass die Tiere bei uns sind. Je mehr wir es schaffen, innerlich mit uns Frieden zu schließen und uns von Problemen frei zu machen, desto besser geht es unseren Tieren."

Es läuft gut. Birgit Ermers ist mit den ersten Übungsergebnissen zufrieden. "So eine Erfolgsquote hatte ich noch nie", sagt sie, nachdem mehrere Teilnehmer die Farben der Bälle, die sich die Übungspartner gedanklich vorgestellt haben, "gesehen" haben. Dann müssen sich die Frauchen und Herrchen mit der Aura ihrer Tiere beschäftigen. Wieder sitzen sie mit geschlossenen Augen in sich versunken da und heben irgendwann die Arme an, und die Luft, die zwischen ihren Händen ist, soll die Aura ihrer Tiere sein. "Das ist die erste Kontaktaufnahme mit dem Energiefeld des Tieres", sagt Birgit Ermers.

Am folgenden Tag wird es ernst. Jetzt werden konkrete Fragen an das Tier gerichtet: Wo gehst du spazieren? Wo schläfst du am liebsten? Was ist dein Lieblingsspielzeug? Wie die Telepathie funktioniert, erklärt Birgit Ermers so: Man bittet das Tier vor das geistige Auge und sendet Schwingungen in Form von Worten und wartet, welche Schwingungen zurückkommen. "Der Erfolg hängt davon ab, inwieweit man sich fallen lassen kann und wie viel Empathie man für das Tier empfindet." Jutta Wiegand, 43, aus Borstel, die den kleinen Münsterländer Tell nach seinem Lieblingsplatz befragt, bekommt braunen Plüsch und Karo als Antwort. "Der Hund hat es mir gesagt, und ich hatte auch ein Bild vor mir", erklärt die Außendienstmitarbeiterin später. Für die Hundebesitzerin Sonja Tipke ist das der beste Beweis dafür, dass die Tierkommunikation funktioniert. Denn sie hat weder jemandem im Kursus von den Schlafplätzen ihres Hundes Tell aus braunem Teddyplüsch im Wohnzimmer noch vom Platz mit der rot karierten Decke im Zwinger erzählt. "King", der Mops von Jutta Wiegand, hat zwar keine Antworten auf Sonja Tipkes Fragen gegeben. Aber die Krankenschwester, 35, aus Fredenbeck glaubt, das liege eher an ihr.