Verärgerte Gemüsebauern, desinfizierte Krankenwagen und weitere Kranke - EHEC-Epidemie hat die Region im Griff

Harburg/Lüneburg/Stade. Die Herkunft des gefährlichen EHEC-Keims ist scheinbar geklärt, er soll von Spanien aus nach Norddeutschland gekommen sein. Doch hier, wo zunächst die Quelle des Übels vermutet wurde, haben die Warnungen vor frischem Gemüse Spuren hinterlassen. Verbraucher sind verunsichert, Gemüsebauern und Markthändler leiden unter dem Verkaufseinbruch. Noch immer haben Ärzte und Sanitäter mit der Versorgung der Erkrankten alle Hände voll zu tun.

13 bestätigte EHEC-Fälle waren im Landkreis Stade gemeldet. "Weitere sechs sind angekündigt", sagte Dr. Gerhard Pallasch vom Gesundheitsamt. Allerdings gebe es viele Durchfallerkrankungen mit ähnlichen Symptomen, wie zum Beispiel Norovirus oder Salmonellen. Im Landkreis Harburg stieg die Zahl der EHEC-Patienten auf elf, drei Bestätigungen stehen noch aus.

Eine leichte Entspannung vermeldet das Lüneburger Klinikum. "Von den elf Patienten, die stationär behandelt wurden, konnten vier entlassen werden", erklärte Pressesprecherin Angela Wilhelm. Es habe keine neuen Fälle des lebensbedrohlichen Hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) gegeben, so dass auch keine Patienten mehr nach Hannover verlegt werden mussten. Insgesamt sind im Landkreis mittlerweile 15 Menschen infiziert, bei acht von ihnen ist HUS aufgetreten. Weitere 44 Verdachtsfälle wurden gestern geprüft.

Unterdessen geht trotz der Identifizierung spanischer Gurken als EHEC-Träger die Suche nach weiteren möglichen Infektionsquellen weiter. "Am Dienstag und Mittwoch haben Lebensmittelkontrolleure des Veterinäramts Proben bei Landwirtschaftsbetrieben genommen", so Katrin Peters, Sprecherin des Landkreises Lüneburg. Ergebnisse der Untersuchungen lägen am Montag vor.

Im Landkreis Harburg wurden ebenfalls Proben genommen. "Wir haben bei drei überregional agierenden Gemüsebetrieben Salatproben gezogen", sagt Sprecher Georg Krümpelmann. Die Kontrollen koordiniert das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Krümpelmann: "Wir hatten aber schon auf eigene Initiative Lebensmittel im Handel getestet."

Die Behr AG in Seevetal, Deutschlands größter Gemüseanbaubetrieb, wird Salat, Tomaten und Gurken nicht mehr los. Die großen Lebensmittelketten nehmen die Ware seit gestern Morgen nicht mehr an. Obwohl das Unternehmen laut Chef Rudolf Behr das gesamte Sortiment von einem unabhängigen Institut hat prüfen lassen - der Keim wurde in keiner Probe festgestellt. "Aber die Verbraucher sind natürlich verunsichert", sagt Behr. Der 59-Jährige kritisiert, dass das Robert-Koch-Institut vor Salat aus Norddeutschland gewarnt hat. "Ich halte es für äußerst stümperhaft, wenn ein Bundesinstitut solche Meldungen verbreitet. Es sollte entweder einen Nachweis haben oder sich zumindest gründlich über die Anbaumethoden in Norddeutschland informiert haben." Hier werde Gemüse nicht mit Gülle gedüngt. Nun wird die nicht verkaufte Ware zerkleinert und in den Boden gepflügt.

Auch auf dem Markt in Lüneburg blieb viel Gemüse liegen. "Der Mittwoch war ganz schlimm", klagt Sabine Prigge vom Gemüsebetrieb Harald Prigge, "es war eine einzige Fragestunde." Die Verbraucher seien enorm verunsichert, viele Landwirte befürchteten existenzbedrohende Einnahmeverluste. "Es ist sehr frustrierend, wenn man unschuldig unter Verdacht gerät." Hans-Joachim Alvermann vom Demeter-Hof Darzau bei Neuhaus sagt: "Ich habe noch keinen gesehen, der auf Gemüse Gülle gebracht hat. Gerade Salate würde doch niemand mehr sauber bekommen. Und frische Gülle gibt es ohnehin nur aus Ställen mit Spaltböden, also Massentierhaltung." Auf seinem Hof werde nur Mist produziert, der zwei bis drei Jahre lagere, bis er auf die Felder gebracht wird. Auch der Hof Koch aus Glüsingen bringt laut Mitarbeiterin Katarzyna Gardemann keine Gülle auf die Felder. "Das dürfen Biobetriebe generell nicht."

Aber auch der konventionell arbeitende Landwirt Heinrich Steinhauer aus Thomasburg sprüht keine Gülle auf seine Äcker. Er setzt Gründüngung ein, indem er Pflanzen ausbringt, die den Nährstoff- und Humusgehalt des Bodens anreichern. Dieter Meyer vom Gemüsehof Meyer in Drage/Stove düngt mit Blaukorn. Im Herbst fährt er Kuhmist auf die Felder, der über den Winter im Boden friert. Dass ein Landwirt Gemüse mit Gülle düngt, kann sich auch Meyer nicht vorstellen: "Das gehört höchstens auf Mais oder Grasland für spätere Silage."

Da neben ungewaschenem Gemüse vor allem rohes Fleisch mit gesundheitsgefährdenden Keimen belastet sein kann, bestellen nun einige Kunden den Restaurants in der Region ihr Fleisch lieber "durch" als "englisch". Doch die meisten ließen sich nicht vom Fleischgenuss abschrecken, sagt Manuela Wetzling, Kellnerin im Harburger Restaurant Steak Hammer. Farid Nobakhi, Inhaber des Restaurants Amadeus in Buxtehude, sagt, bei seinen Gästen sei keine Angst vor EHEC zu spüren.

"Wir verfolgen die Entwicklung sehr aufmerksam, merken bisher jedoch keinen Unterschied bei den Bestellungen", sagt Pavlos Maheridis, Chef des griechischen Restaurants Dionysos in Stade. Verhaltener reagiert die Kundschaft im Lüneburger Steakhouse Texas. Restaurantchefin Maria Kosec: "Die Gäste sind seit einigen Tagen auffällig zurückhaltend und bleiben aus." An der Salatbar von Warnckes Edeka-Frischecenter in Neu Wulmstorf gebe es keine Zurückhaltung, sagt der stellvertretende Marktleiter Enriko Dibbern. Lediglich bei abgepacktem Salat sei der Verkauf leicht zurückgegangen.

Die Stader Rettungskräfte sind zum ersten Mal mit dem EHEC-Virus konfrontiert. Bislang haben sie drei daran erkrankte Patienten transportiert. Trotz der zunehmenden Zahl der Verdachtsfälle gebe es für die Helfer kaum Veränderungen, sagt Thomas Waskow, Leiter des Rettungsdienstes vom Deutschen Roten Kreuz. Die Hygienemaßnahmen seien identisch mit denen, die bei anderen leicht übertragbaren Krankheitserregern, wie zum Beispiel beim MRSA-Bakterium, eingehalten werden müssen. Dazu gehöre vor allem die gründliche Desinfektion des Rettungswagens. Außerdem tragen die Rettungskräfte Schutzhandschuhe, Mundschutz, Kittel und Schutzbrille.