Nachweis soll Kenntnisse belegen und Unfälle vermeiden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor. Stader Experten sind dafür

Stade/Buxtehude. Hundebisse, die tödlich enden, sind selten. Im Jahr 2006 starben in Deutschland insgesamt fünf Menschen nach Beißattacken von Hunden, 2007 und 2008 gab es jeweils ein Todesopfer nach einem Hundebiss. 2009 gab es gar keinen Unfall dieser Art. Allerdings gibt es weitaus mehr Beißunfälle mit weniger drastischen Folgen. Die meisten finden im familiären Umfeld statt und werden niemals gemeldet. Frauen und Kinder sind überdurchschnittlich häufig die Opfer.

Regelung bezieht sich auf Menschen, die sich erstmals einen Hund zulegen

Um Unfälle dieser Art künftig zu vermeiden, hat die niedersächsische Landesregierung ein neues Hunde-Gesetz auf den Weg gebracht. Nur wer die erforderliche Sachkunde besitzt, darf demnach einen Hund halten. Der Kabinetts-Beschluss sieht vor, dass interessierte Hunde-Käufer, die zuvor noch nie einen Hund hatten, künftig einen Sachkunde-Nachweis vorlegen müssen.

Der geforderte Nachweis beinhaltet grundlegende theoretische Kenntnisse über die Vierbeiner und ihre Haltung. Die Prüfung dazu wird von Behörden, anerkannten Sachverständigen, Tierärzten oder Hundetrainern abgenommen und soll etwa 50 bis 200 Euro kosten. Dabei lernen die Besitzer unter anderem etwas über das Sozialverhalten von Hunden, die Eigenschaften der Rassen und das Erkennen von Gefahrensituationen. Wer bereits zwei Jahre lang einen Hund gehalten hat und dies anhand gezahlter Hundesteuer nachweist, muss diesen "Hundeführerschein" nicht ablegen.

"Das neue Gesetz ist im Ansatz sinnvoll", sagt Professor Hansjoachim Hackbarth, Leiter des Instituts für Tierschutz und Verhalten an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Besonders der Sachkundenachweis könne eine deutliche Verbesserung zum Schutz der Tiere sein, so der Universitätsprofessor.

"Wissen schützt Tiere, das ist unser Motto an der Hochschule", sagt Hackbarth. "Viele Tierhalter quälen ihre Lieblinge aus Unwissenheit und lauter Liebe zu Tode. Deshalb wäre mein Appell, den Sachkundenachweis vor dem Kauf eines Hundes zu fordern. Dann bliebe manchem Bernhardiner das Dasein in einer Zweizimmer-Stadtwohnung im elften Stock erspart. Aber soweit geht das Gesetz leider nicht", bedauert der Hundeexperte.

Gut sei vor allem, dass man in Niedersachsen weiterhin auf eine so genannte Rasseliste verzichtet. "Rasselisten sind dummes Zeug, denn Aggressivität liegt nicht an der Rasse sondern allein am Besitzer, der den Hund erzieht", sagt Hackbarth.

Diesen Aspekt bewertet auch Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Fachtierärztin für Verhaltens- und Tierschutzkunde an der Universität Kiel, positiv. Denn Deutsche Schäferhunde und Mischlinge dieser Rasse führen die Beißstatistiken an. "Ein Sachkundenachweis böte eine breit gefasste Prophylaxe. Denn das Sicherheitsproblem sind unsozialisierte Haushunde, die von Besitzern ohne Hundeverstand gehalten werden", sagt Feddersen-Petersen. "Das genetisch bedingte Beutefangverhalten aller Hunderassen ist gefährlich. Viele Menschen wissen das nicht, deshalb wären Informationen dazu in der Ausbildung unerfahrener Hundehalter das Wichtigste", sagt die Expertin für das Verhalten von Haushunden.

Auch Dr. Sibylle Witthöft, Amtstierärztin im Landkreis Stade, befürwortet den neuen Gesetzentwurf, weil er tierschutzrechtliche Aspekte und Gefahrenabwehr vereint. "Sachkunde-Nachweise für Tierhalter in Theorie und Praxis, die von autorisierten Stellen angeboten werden, versprechen künftig mehr Sicherheit", sagt Witthöft. Derzeit müssen im Kreis Stade pro Jahr etwa 52 Halter auffälliger Hunde zur amtlichen Kontrolle, so Witthöft. "Führungszeugnis, Sachkundenachweis, Versicherung und Wesenstest des Hundes entscheiden bislang, ob den Personen das Halten eines auffälligen Hundes erlaubt wird", so die Amtstierärztin.

Kritisch sieht Witthöft bestimmte Kriterien der Schutzhundprüfung, ohne die Deutsche Schäferhunde und andere Schutzhundrassen nicht zur Zucht zugelassen werden. Der genetisch ausgeprägte Schutztrieb des Hundes, also im Ernstfall einen Angreifer kämpfend oder beißend abzuwehren, wird für solche Prüfungen gezielt trainiert.

Gesetzentwurf sieht auch eine Haftpflichtversicherung vor

Andrea Althaus von der Stader Initiative Haustierrechte sieht im neuen Gesetzentwurf Ansätze, langfristig auch mehr Schutz für Tiere zu bekommen. "Einen billigen Hund von verantwortungslosen Hinterhofzüchtern als spontanes Weihnachtsgeschenk für Kinder, das wird es nicht mehr so einfach geben", sagt Althaus. Denn neu wäre nach Verabschiedung des Gesetzes auch die Kennzeichnung der Hunde per Chip mit einer 15-stelligen Erkennungsnummer. Alle Angaben zum Hund und Personalien seines Halters sollen in einem zentralen Register vom Landwirtschaftsministerium gespeichert werden. Per Gesetz bestimmt würde auch eine Haftpflichtversicherung für Personenschäden.

Der Sachkunde-Nachweis und die Informationen über Halter und Hund werden erst zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Pflicht, also im Laufe des Jahres 2013. Das Gesetz wird jetzt in den Landtag eingebracht und soll noch dieses Jahr in Kraft treten. Zuständig für die Einhaltung sind dann die Gemeinden.

Verstöße gegen das Hundegesetz können mit einer Geldbuße bis zu 10 000 Euro geahndet werden.