Wer rund um den Delmer Bogen wohnt, kommt nach 21 Uhr nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum

Buxtehude. Essen gehen und dazu ein Gläschen Wein in der Altstadt, so könnte ein netter Abend aussehen. Wenn Gislinde Westphälinger einen solchen Abend mit Freunden verbringen will, muss sie sich vorher jedoch ganz genau informieren, muss schauen, wann der Bus von ihrer Haltestelle aus losfährt und wann der letzte wieder zurückkommt. Das Problem dabei ist nur, dass die 67-Jährige im Buxtehuder Süden lebt. Und dort sind Busverbindungen in die Innenstadt ein seltenes Gut.

Für Gislinde Westphälinger bedeutet das: Den Bus um 21.04 Uhr darf sie nicht verstreichen lassen, denn er ist von ihrer Haltestelle "Beim Soll" am Delmer Bogen aus der letzte Richtung Zentrum. Zurück nach Hause würde sie von dort aus nach dem Essen eh nicht mehr kommen, denn der letzte Richtung Süden ist vom Bahnhof bereits um 20.52 Uhr losgefahren. All das gilt aber nur von Montag bis Freitag. Am Sonnabend fahren die Busse noch eingeschränkter und am Sonntag gar nicht.

"Das kann doch alles nicht sein", sagt Gislinde Westphälinger. Wenn man im Buxtehuder Süden wohne und etwas unternehmen wolle, müsse man entweder viel Geld haben und ein Taxi nehmen oder zum Auto greifen, die Straßen verstopfen und ewig nach Parkplätzen suchen.

Vor allem für Jugendliche und Senioren ohne eigenen Pkw werde die Angelegenheit dann schnell zum echten Problem, findet die Buxtehuderin. "Was sollen denn die jungen Leute machen, wenn sie abends zu Veranstaltungen wie zum Beispiel zum Altstadtfest wollen?", fragt sie. Viele seien auf ihre Eltern angewiesen, die sie hinbringen und wieder abholen. Oder sie gehen zu Fuß nach Hause und ziehen dann nicht gerade geräuschlos durch die nachtleeren Straßen. Ein Problem, das man in ihren Augen vermeiden könnte, wenn genügend Linienbusse unterwegs wären.

Erst vor Kurzem habe sie per Zufall entdeckt, dass es in Buxtehude ein Anrufsammeltaxi, kurz AST, gibt, das sich als Linienbusersatz anfordern lässt. "Das wusste ich gar nicht, da frage ich mich schon, warum das nicht vernünftig beworben wird." Und tatsächlich: Auf dem Fahrplan ihrer Haltestelle "Beim Soll" ist kein Hinweis zu finden, dass außerhalb des Fahrplans das AST verkehrt. Wer sich schlau machen will, ist auf das Internet angewiesen.

Dass das eigentlich nicht gehe, sagt auch Stades Erster Kreisrat Eckhard Lantz. Das AST sei eine sehr gute Ergänzung zum Busverkehr und ermögliche es den Bürgern, auch spätabends mobil zu bleiben. Den Landkreis koste dieses Angebot 100 000 Euro pro Jahr. Das ist zwar kein Vergleich zu den jährlich 10,5 Millionen Euro, die der Landkreis als Aufgabenträger für den gesamten sogenannten straßengebundenen Personennahverkehr ausgibt. "Aber das AST ist besser als nichts", sagt Lantz und verweist darauf, dass der Landkreis mit diesem Angebot seit mehr als zehn Jahren Vorreiter sei.

Man dürfe bei der ganzen Diskussion um die Buslinien nicht vergessen, dass die Stadt Buxtehude ein Mittelzentrum mit 40 000 Einwohnern sei, mahnt Lantz an. Dass dort wie in Hamburg alle fünf Minuten Busse fahren, sei unrealistisch und nicht finanzierbar. Betrachte man allein den Buxtehuder Süden, sei der sogar besser als andere Stadtteile an das Zentrum angebunden.

Wie sehr die Nachfrage das Angebot im Personnahverkehr regelt, verdeutlicht Michael Peter, Abteilungsleiter Verkehrsplanung der landkreisweit für den Busverkehr zuständigen Kraftverkehr GmbH, kurz KVG, in Stade. "Wenn es weniger Fahrgäste gibt, fahren auch weniger Busse", sagt er. Die Pläne orientieren sich vor allem an den Ladenöffnungszeiten. Zwar könne der Landkreis auch weniger stark frequentierte Linien bezuschussen, doch müsse man ja alle Bürger gleich behandeln - und das sei schwer machbar. Stade sei nun mal ein Flächenlandkreis mit dünner Bevölkerungsdichte.

Eine konkrete Fahrgastzahl, ab wann sich eine Fahrt lohnt, kann Peter nicht nennen. "Für den Berufsverkehr gilt ein anderer Wert als für den frühen Nachmittag." Die KVG überprüfe aber regelmäßig die Fahrgastzahlen, zudem dokumentiere das AST quasi von allein die Nutzung, da sich die Fahrgäste mindestens 45 Minuten vor Fahrtbeginn dafür anmelden müssen. Faustregel sei, dass bei Linien, für die pro Fahrtrichtung zwei Taxen mit je vier Leuten notwendig sind, ein Bus billiger ist. Das müsse aber regelmäßig der Fall sein.

Dass die Busverbindungen am Delmer Bogen in naher Zukunft ausgebaut werden, dürfte deshalb recht unwahrscheinlich sein. Anwohner wie Gislinde Westphälinger werden sich wohl weiterhin genauestens informieren müssen, wenn sie abends ohne Pkw loswollen. Einen kleinen Trost zumindest hat Michael Peter für sie. "Zu besonderen Veranstaltungen wie den Pfingstmarkt bieten wir zusätzliche Fahrten an." Wenn dieses Angebot auf andere Veranstaltungen ausgeweitet werden solle, müsse die Stadt mit der KVG reden.