Wertstoffbehälter soll gelben Sack bis zum Jahr 2015 ersetzen. Stades Landrat Michael Roesberg sagt, er halte die Pläne der EU und der Bundesregierung für eine Zumutung

Stade/Buxtehude. Was im Bundesumweltministerium und bei der Europäischen Union als eine gute Idee angesehen wird, sorgt im Landkreis Stade für Ärger: die Mülltonne. Drei Mülltonnenarten stehen bei den Hausbesitzern bereits auf den Grundstücken: eine für Restmüll, eine für Altpapier und eine für Öko-Abfälle. Laut den derzeitigen Plänen zum Kreislaufwirtschaftsgesetz müssen Bürger wahrscheinlich damit rechnen, eine vierte, gelbe oder orangefarbene Tonne auf ihrem Grundstück unterzubringen. Sie soll künftig den gelben Sack ersetzen.

Landrat Michael Roesberg hält wenig von der Idee, den Bürgern eine weitere Mülltonne aufzuhalsen. "Das ist ein Stück weit eine Zumutung, was da geplant ist", sagt Roesberg. In der neuen gelbe Tonne sollen, so die Vorstellungen des Ministeriums, künftig alle Verkaufsverpackungen sowie Kunststoffe aller Art und leichte Metalle gesammelt und entsorgt werden. Dazu zählen auch Gegenstände, die bisher in der Reststofftonne entsorgt wurden oder von den Bürgern direkt zum Sperrmüll gebracht wurden, so etwa kaputte Küchenmesser, Feuerzeuge oder Kugelschreiber, alte CDs und kaputte Bügeleisen. Bundesweit gehen Experten von etwa 800 000 Tonnen zusätzlich verwertbaren Wertstoffen aus, die auf diese Weise gesammelt, sortiert und dem Recycling-Prozess zugeführt werden könnten. Und um diese Wertstoffe könnte von 2015 an ein harter Konkurrenzkampf entstehen.

Noch sei aber, so Roesberg, nichts beschlossen. "Wir haben den Gesetzentwurf noch nicht gesehen, aber was wir bisher gehört haben, finde ich vollkommen unausgegoren", sagt Landrat Roesberg. Er sieht zumindest für den Landkreis Stade keinen Grund, eine weitere Mülltonne einzuführen. "Wir betreiben bereits jetzt eine sehr akribische Mülltrennung auf unseren Wertstoffhöfen. Das System hat sich bewährt", so Roesberg. Wo der Platz für das Abstellen der gelben Tonne etwa bei größeren Siedlungen oder in der eng bebauten Stader oder Buxtehuder Altstadt herkommen soll, diese Frage bleibe vorerst unbeantwortet. "Das ist so alles nicht befriedigend", sagt Roesberg. Warum bei diesen Rahmenbedingungen nun eine weitere Tonne kommen müsse, sei ihm schleierhaft.

Die Gründe sind wohl in der Öffnung des Abfallmarktes begründet. Von 2015 an wird laut Gesetz ein freier Wettbewerb um die Reststoffe in Deutschland herrschen, private Entsorger werden sich mit öffentlich-rechtlichen Anbietern messen und um lukrative Aufträge kämpfen. Die Vermutung, dass die neue Tonne nur auf Betreiben der Abfall-Lobby aufgestellt wird, um die Finanzinteressen der Abfallwirtschaft zu befriedigen, liegt nahe. Alle würden ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Je mehr Tonnenarten es gibt, argumentieren Kritiker, desto mehr Entsorger könnten Geld verdienen.

Axel Meyer, Vorstandsmitglied der Karl Meyer AG, kennt den Vorwurf, sieht dies aber differenzierter, auch wenn er die Kritik nicht zurückweist. "Wir müssen uns vor Augen halten, dass der Rohstoffbedarf in Deutschland steigt. Es stellt sich damit die Frage, was wir aus den Abfällen künftig brauchen, um diese Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen", sagt das Vorstandsmitglied. Ein verfeinertes Recycling-System könne da helfen. Zudem gebe es laut Meyer eigentlich keinen zwingenden Grund, weshalb nur kommunale Betriebe diese Leistung erbringen sollen. Sein Unternehmen bereite sich auf das neue Recycling vor, doch was genau kommen werde, sei noch nicht zu sagen. "Es ist ja auf Bundesebene noch nicht geklärt worden, ob die Aufgabe von der Privatwirtschaft oder den Kommunen bewältigt werden soll. Ebenso unklar ist, ob es überhaupt eine Tonne geben wird", sagt Meyer.

Eine Lösung mit Wertstoffbeuteln wie beim Grünen Punkt ist für Meyer theoretisch denkbar. Entscheidend sei, wie das Projekt umgesetzt werde. "Da herrscht aber auf Bundesebene noch viel Unklarheit, obgleich die neue Abfallregelung eigentlich bereits Ende 2010 hätte eingeführt werden müssen", sagt Meyer. Auch im Landkreis Stade ist das Thema auf politischer Ebene noch auf der Warteliste. Laut Roesberg hätten sich weder die Fraktionen noch die Verwaltung mit der neuen Abfallregelung bisher eingehend auseinandergesetzt. Es werde aber wohl von Sommer an auf den Tisch kommen müssen. Was dann auf die Bürger zukommt, darüber könne die Stader Kreisveraltung zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen machen.

Axel Meyer sieht das ähnlich. "Es kann sein, dass für die Bürger letztlich gar keine Mehrkosten entstehen, wenn die Wertstofferlöse hoch genug sind. Es kann aber auch sein, dass die Kosten, sofern es sich um eine Erweiterung des Dualen Systems handelt, über die Produktpreise aufgefangen werden oder dass etwa die Kommunen Gebühren erheben müssten", sagt Meyer. Die Mehrkosten könnten also in Form von indirekten Abgaben oder direkten Steuern am Ende auf die Bürger abgewälzt werden. Das gibt auch Meyer zu.

Die exakten Zusatzkosten könnten von seinem Unternehmen derzeit jedenfalls nicht ermittelt werden, weil die Zusammensetzung des Abfalls bei der neuen Wertstofftrennung vom Bund noch nicht definiert worden sei. "Solange nicht klar ist, was von den Abfällen künftig dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden soll und was nicht, kann über erzielbare Wertstofferlöse nur spekuliert werden. Allein deshalb sollten wir abwarten, was nun in Berlin beschlossen wird", sagt Meyer. Spätestens Ende 2011 soll ein klares Ergebnis vom Bund vorliegen.