Man muss kein Freund der Christdemokraten sein, um zu verstehen, weshalb viele ehemalige CDU-Anhänger müde geworden sind, ihr Kreuz auf dem Wahlzettel bei der Partei Angela Merkels zu machen.

In der Familien- und Sozialpolitik hat die CDU längst SPD-Ideen umgesetzt. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik agiert die CDU machtlos, in der inneren Sicherheit und in der Migrationspolitik spielt sie praktisch keine Rolle mehr. Und nun schickt sich die Union auch noch an, bei den Fragen der Außenpolitik, bei Wehrpflicht, Atomausstieg und Autobahnmaut die Grünen links zu überholen.

Mag sein, dass Angela Merkels Kurs der Mitte dafür gesorgt hat, die CDU in die gesellschaftliche Wirklichkeit zu führen. Mag sein, dass die Union jetzt mit fast jeder anderen Partei koalieren kann und ihre Macht deshalb mittelfristig verstärkt hat.

Aber welchen Grund sollten all jene noch haben, CDU zu wählen, die sich als Konservative alter Art verstehen? All jene, die ihre Kinder nicht in Krippen betreuen lassen wollen? All jene, die möchten, dass der Staat härter gegen Kriminelle vorgeht? All jene, die es unverantwortlich finden, wie viel deutsches Steuergeld im EU-Rettungsfonds landet? Und all jene, die Zweifel haben, ob dieses Land in Sachen Integration tatsächlich genug tut?

Die Versuchung, dass die Jorker CDU ihren ehemaligen Partei- und Fraktionschef Hinrich Rohbohm nun in die äußerste rechte Ecke stellt, ist aus wahltaktischen Gründen sicher groß. Schließlich könnten er und seine neue Partei der CDU bei der nächsten Wahl wichtige Prozentpunkte abjagen, die ihr am Ende fehlen. Besser wäre es allerdings, die CDU würde sich darauf besinnen, wieder das gesamte konservativ-bürgerliche Spektrum abzubilden. Dann wären Rohbohm & Co. chancenlos. So aber läuft die CDU Gefahr, sich ihre eigene Konkurrenz zu schaffen. Vielleicht sollten sich die Christdemokraten mal Rat bei der SPD holen. Die bereut es nämlich noch immer, dass sie die Partei Die Linke hat stark werden lassen.