Bauherren müssten dann keine Ausgleichsflächen mehr für Straßen und Häuser schaffen. Stattdessen sollen sie Geld in einen Fond einzahlen

Hannover/Stade. Erst seit dem 1. März ist das neue Bundesnaturschutzgesetz in Kraft und schon soll es nachgebessert werden. Die Stader Landtagsabgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Kai Seefried (beide CDU) plädieren für eine schnelle Änderung des Gesetzes. Die CDU/FDP-Koalition in Hannover hat bei der Niedersächsischen Landesregierung beantragt, sich kurzfristig bei der Bundesregierung dafür stark zu machen, dass das Bundesnaturschutzgesetz nicht nur eine so genannte Flächenkompensation, also Ausgleichsflächen, für jeden Eingriff in die Natur vorschreibt, sondern dass in Zukunft auch eine Ersatzgeld-Lösung möglich ist.

"Das muss nun in Berlin entschieden werden", sagt Uwe Seggermann, Leiter des Naturschutzamtes des Landkreises Stade. Derzeit seien die Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde vollauf damit beschäftigt, ein Kataster für Natur- und Ausgleichsflächen zu erstellen, wie es das neue Bundesnaturschutzgesetzt fordert. "Wir erfassen und kartieren sämtliche naturschutzwürdigen Flächen im Landkreis. Sollten an diesen geschützten Flächen Veränderungen vorgenommen werden, müssen diese Eingriffe bei der Naturschutzbehörde vorab beantragt und Ausgleichflächen geschaffen werden", erläutert Seggermann das Prozedere. Eine Novellierung des Bundesgesetzes würde dann die Möglichkeit schaffen, dass künftig auch ein finanzieller Ausgleich geleistet werden kann, wenn ein Landkreis beispielsweise keine ausreichenden Kompensationsflächen mehr besitzt.

Landrat Michael Roesberg rechnet fest mit einer Gesetzesänderung

"Wir sehen in der Ersatzgeldlösung viele Vorteile und eine willkommene Variante, für alle die keine Ausgleichsflächen anbieten können", sagt Seggermann. Die Ersatzgeld-Lösung könne für die Natur in bestimmten Fällen wesentlich effektiver sein, so könne man mit diesem Geld große Renaturierungsprojekte gezielt verwirklichen, für die oftmals keine finanziellen Reserven verfügbar sind, so Seggermann.

Landrat Michael Roesberg (parteilos) begrüßt diesen Vorstoß, Niedersachsen habe diese Ersatzgeldvariante schließlich immer favorisiert. "Ich rechne fest mit einer Gesetzesänderung", sagt Roesberg, "denn ich denke, es schafft mehr Bewegungsfreiheit für Einzelentscheidungen und bietet Chancen vorhandene Naturgebiete gezielt aufzuwerten." Das Ersatzgeld könne in einen Fond für zielgerichteten Naturschutz fließen. "Wir haben im Landkreis Stade einen großen Flächenbedarf, etwa für die Trasse der Autobahn 22, die Trasse der Autobahn 26, für den Hafenausbau in Stade-Bützfleth, die Elbvertiefung, für neue Gewerbegebiete oder für die Kreisstraße 30", zählt Roesberg auf. Der gesamte Flächenverbrauch im Landkreis werde für geplante Projekte auf mehr als 2000 Hektar geschätzt. Nach dem geltenden Naturschutzrecht müsste die Kompensation für den Naturschutz ausschließlich mit Ausgleichsflächen erfolgen, die in Zukunft dann als reine Naturflächen belassen werden müssten und auch nicht landwirtschaftlich genutzt werden dürften.

"Das würde klar zu Lasten der Landwirte gehen, die Landwirtschaft hätte erhebliche Wettbewerbsnachteile", sagt Bernd Eckhoff, Sprecher des Landvolks beim Kreisbauernverband Stade. "Der monetäre Ansatz ist nicht der schlechteste. Wir halten eine Ersatzgeldlösung für richtig. Bei Bauprojekten geht viel kostbarer Ackerboden verloren, ein Zwang zum Flächenausgleich würde noch mehr Verlust wertvollen Acker- und Grünlandes bedeuten." Dennoch räumt Eckhoff ein, dass es "nicht der goldene Weg" sei, denn Land sei nun mal nicht beliebig vermehrbar.

Diesen Aspekt kritisiert auch Heiner Baumgarten, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Stade: "Wir halten diese Lösung nicht für zweckmäßig. Ein wirklicher Ausgleich für Eingriffe in die Natur, etwa für verlorengegangene Biotope, lässt sich eben nicht mit Geld schaffen, sondern nur im Erhalt der Natur realisieren."

Rainer von Brook, Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Stade, sagt dazu: "Es wird dazu keine einheitliche Meinung geben können. Wir sind beim Nabu noch in der Diskussion aller Aspekte zum Für und Wider einer Gesetzesnovellierung. Bei bestimmten Großprojekten, etwa beim Autobahnbau, kann eine Ersatzgeldlösung durchaus sinnvoll sein. Wenn dieses Geld gezielt für die Rettung und den Schutz besonderer Biotope, etwa das Kamper Moor bei Stade, eingesetzt werden, ist es eine sinnvolle Alternative. Für kleinere Umgestaltungen, wenn etwa Gewerbegebiete auf grünen Wiesen entstehen, sollte für die verlorenen Areale unbedingt Ausgleichsflächen geschaffen werden. Hier wird auf Landesebene noch zu prüfen sein, wie der Nabu letztendlich zu einer Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes steht."

"Das neue Bundesnaturschutzgesetz bedeutet schon jetzt, dass auch im Landkreis Stade eine neue Rechtslage zu beachten ist", sagt Uwe Seggermann. "Auf die vielen, neuen Vorgaben müssen wir uns nun schrittweise einstellen, damit wir als Naturschutzbehörde den Landwirten, Baubetrieben oder Privatpersonen genau erklären können, wo zum Beispiel Mähen, Gehölzschnitt oder ein neuer Radweg in freier Natur noch erlaubt ist."

Landwirte sind ebenso betroffen wie Schifffahrtsamt und Baubehörden

Das gilt sowohl für Landwirte, die Strukturen von Agrarflächen verändern wollen, wenn sie etwa Wiesen umpflügen, um darauf Raps oder Getreidefelder anzulegen, als auch für das Landesstraßenbauamt, wenn zum Beispiel Flächen versiegelt werden, um darauf Radwege anzulegen oder für das Wasser- und Schifffahrtsamt, wenn Eingriffe an Uferzonen oder Feuchtwiesenbereichen vorgenommen werden sollen. "Genehmigen wir als Untere Naturschutzbehörde solche Eingriffe, müssen von jenen, die den Eingriff in die Natur vornehmen, dafür so genannte Kompensationsflächen als Ausgleich geschaffen werden", erklärt Seggermann. "Das Besondere an diesen Ausgleichsflächen ist nach dem neuen Bundesnaturschutzgesetz, dass sie für die Zukunft zu hundert Prozent für den Naturschutz erhalten bleiben müssten." So müssten Landwirte nutzbare Ackerflächen für Biotope hergeben. "All diese Veränderungen müssen uns zeitnah mitgeteilt werden, damit wir sie dann in das Kataster einpflegen können", erläutert der Naturschutz-Chef des Landkreises das Prinzip des neuen Gesetzes.

Die SPD-Opposition spricht von einem "Antrag für die Mülltonne"

Die CDU bemängelt indes, dies alles geschehe auf Kosten der Landwirtschaft, die ihre Flächen dann abgeben müsse und wirtschaftliche Nachteile erleide. Das sehen auch mehrere Umweltverbände inzwischen so, so Seefried. Die CDU-Landtagsabgeordneten Seefried und Dammann-Tamke erwarten daher von einem geänderten Naturschutzgesetz positive Auswirkungen für die Landwirte in der Region Stade und auch qualitative Verbesserungen für den Naturschutz. Kritiker allerdings bezeichnen die angestrebte Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes als "Aufweichung des Naturschutzes und Freifahrtschein für ökologischen Raubbau". So lehnen die Oppositionsfraktionen im Landtag den CDU/FDP-Antrag ab. Die Landtagsabgeordnete Brigitte Somfleth (SPD) sprach in Hannover von einem unverantwortlichen Handeln und einem "Antrag für die Mülltonne".