Eine neue Gestaltungsrichtlinie soll Ordnung in die Innenstadt bringen. Einige Händler fürchten Umsatzeinbußen.

Stade. Es ist kurz nach neun Uhr. Langsam füllt sich die Stader Innenstadt mit Leben. Matthias Dressel, Inhaber des Altstadt-Cafés, stellt eine Menükarte vor dem Hökerhus auf. Dann platziert er weitere Werbeschilder neben seiner Karte. Sie verweisen auf die anderen Betriebe, die sich in dem spätmittelalterlichen Kaufmannshaus an der Hökerstraße befinden. Insgesamt gibt es dort fünf Geschäfte. Für Dressel und die anderen Inhaber sind die Werbeschilder an der Straße enorm wichtig. "Schließlich befinden wir uns in zweiter Reihe", sagt Dressel.

Aber die Politik und die Verwaltung möchten es ordentlicher haben in der Hansestadt. Neue Regelungen sollen dafür sorgen, dass es in Zukunft weniger Werbetafeln gibt, dafür einheitliche Tische und Stühle und mehr Platz für Fußgänger. Der Verwaltungsausschuss hat den Vorschlag zur Änderung der Sondernutzungssatzung, die das gesamte Stadtgebiet betrifft, sowie eine Gestaltungsrichtlinie für die Stader Innenstadt schon abgesegnet, der Rat soll diesem Beispiel noch folgen.

Die betroffenen Stader Geschäftsleute sind zwiegespalten. Auf der einen Seite finden viele es richtig, dass dem Wildwuchs an Werbeschildern oder Warenauslagen Einhalt geboten wird. Auf der anderen Seite fürchten sie, dass die Änderungen zu Umsatzeinbußen bei einigen Händlern führen könnten "Es darf nicht übertrieben werden, schließlich ist Stade auch ein Touristenort", sagt Matthias Dressel. Der Inhaber des Altstadt-Cafés war schon in der Vergangenheit persönlich betroffen. Die Folge einer früheren Neuregelung war, dass sich alle Geschäfte aus dem Hökerhus auf jeweils ein Werbeschild reduziert haben. Doch die neue Gestaltungsrichtlinie geht noch weiter. Sie besagt, dass nur ein mobiler Werbeträger zulässig ist, wenn mehrere Betriebe nur einen gemeinsamen Zugang zur Straße haben. "Es wäre schlimm für uns, wenn das beschlossen wird. Ich bin darauf angewiesen, ein Schild an der Straße zu haben", sagt Dressel.

Dennoch wäre er kompromissbereit. Er spielt auch schon mit dem Gedanken, ein Schild herstellen zu lassen, das zu dem denkmalgeschützten Haus an der Hökerstraße passt. Es müsse ein gesunder Mittelweg gefunden, "mit dem beide Seiten zufrieden sind", sagt er. Der Geschäftsmann will zunächst jedoch abwarten, bis die Richtlinie konkret umgesetzt wird. "Ich lasse alles auf mich zukommen", so Dressel.

Wolfgang Drusell, Vorsitzender der Stader Werbegemeinschaft "Aktuelles Stade", ist froh, dass es in der Stadt künftig mehr Ordnung geben soll. Der wachsende Schilderwald ist ihm schon länger ein Dorn im Auge. Schilder oder Warenauslagen vor einigen Läden würden häufig einfach nicht mehr zum Stadtbild passen. Zudem seien Schaufenster kaum noch zu sehen, weil einige Geschäfte "alles vor die Tür stellen".

Bislang hatte das Ordnungsamt keine Sanktionsmöglichkeiten. In einigen Fällen seien Beschäftigte der Stadt sogar, unter Androhung eines Hausverbots, aus den Geschäften gebeten worden, sagt Drusell. Er ist der Auffassung: "Die Stadt muss die Möglichkeit haben zu bestrafen, aber behutsam für Ordnung sorgen." Gemeinsam mit Rolf Knetemann, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Einzelhandel, hat Drusell die Stader Verwaltung bei dem Entwurf der Gestaltungsrichtlinie und der Änderung der Sondernutzungssatzung beraten.

Klaus Ney, Inhaber des Schuhhauses Ney, ist nicht direkt von der neuen Gestaltungsrichtlinie betroffen, weil sich seine Warenauslagen ausschließlich auf Privatbesitz befinden. Er befürwortet die Richtlinie. Schließlich seien die Werbemaßnahmen einiger Händler "teilweise eine Zumutung", so Ney. Zum einen würden sie den Verkehr behindern, zum anderen das attraktive Stadtbild beeinflussen. Wenn es neue Auflagen gibt, müssten diese allerdings "überprüfbar und für alle nachvollziehbar sein".

Direkt betroffen wäre Wolfgang Tannenberg, Inhaber des Ladens "Glas und Keramik". Zwar sei die Änderung der Sondernutzungssatzung samt Gestaltungsrichtlinie auch seiner Meinung nach "von der Sache her" richtig, weil zum Teil zu viel platziert werde, was nicht vor die Fassade der Häuser passe. Eine Beschränkung auf maximal drei Verkaufs- und Ausstellungsgegenstände pro Geschäft wäre für ihn allerdings eine große Einschränkung.

Zurzeit präsentiert Tannenberg auf einer Frontfläche von etwa acht Metern einen Wagen mit Namensbechern, einen mit Gartenartikeln und einen mit Pflanzen. Hinzu kommen diverse Postkartenständer. Der Geschäftsmann habe bislang immer gedacht, es passe ins Stadtbild. Eine Einschränkung wäre für ihn ein Problem. "Spontankäufe würden zurückgehen, und wir hätten Umsatzeinbußen", sagt Tannenberg.