Sylt

Die legendäre Sturmhaube am Roten Kliff kehrt zurück

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Die legendäre Sturmhaube wird gerade renoviert: Die markante Rotunde hat bereits ein neues Reetdach bekommen.

Die legendäre Sturmhaube wird gerade renoviert: Die markante Rotunde hat bereits ein neues Reetdach bekommen.

Foto: Elisabeth Jessen

Felix Knochenhauer und seine Partner bringen eine neue Lässigkeit in das Traditionsgebäude – samt selbst gebrautem Bier und Currywurst.

Kampen. Als Jugendlicher hat Felix Knochenhauer am Strand von Kampen auf Sylt Eis an die Urlauber verkauft – in den Ferien und nachmittags nach der Schule. Das habe ziemlich viel Geld eingebracht, erzählt der heute 33-Jährige. Seine Geschäftstüchtigkeit hat er beibehalten, aber nun, gut 20 Jahre später, hat er sich wesentlich mehr vorgenommen als damals.

Der Sylter hat gemeinsam mit vier Geschäftspartnern die legendäre Sturmhaube am Roten Kliff übernommen, saniert und baut das reetgedeckte Gebäude mit der Rotunde um. Für den Herbst 2022 ist die Eröffnung von Hotel und Restaurant geplant. Genauer wollen sich die neuen Hausherren, die einen langjährigen Pachtvertrag unterschrieben haben, nicht festlegen, weil es bei Bauarbeiten derzeit so viele Unwägbarkeiten gibt.

Sylt: Eröffnung der Sturmhaube ist für Herbst 2022 geplant

Nach der Silvesterfeier 2016 wurde die Sturmhaube geschlossen und 2017 geräumt. Das Ensemble in absoluter 1-A-Lage am Roten Kliff in Kampen, Baujahr 1969, gehört der Gemeinde Kampen.

Nach Aussage von Felix Knochenhauer, dem Geschäftsführenden Gesellschafter, bestand umfassender Sanierungsbedarf, als die fünf Geschäftspartner es übernahmen. „In 30 Jahren gab es sechs unterschiedliche Pächter, das Gebäude hielt nur noch aus Gewohnheit zusammen“, sagt Knochenhauer scherzhaft. Fünf Millionen Euro wollen die neuen Pächter für den Umbau der etwa 2000 Quadratmeter Nutzfläche investieren. Weil es keinen gültigen Bebauungsplan gab, zog sich der Start lange hin, ehe das Gebäude ab dem Frühsommer 2020 entkernt werden konnte.

Die legendäre Sturmhaube am Roten Kliff war mal ein Kiosk

Ganz früher sei die Sturmhaube nur eine Art Kiosk zum Kauf von Postkarten gewesen. 1908 wurde sie zur Wartehalle für die Passagiere der rasenden Emma, der früheren Inselbahn, sagt der neue Chef. In den 1960er-Jahren riss das Meer die Kliffkante zunehmend mit sich. So musste die Sturmhaube abgerissen und weiter östlich neu errichtet werden. Das neue Gebäude steht seit 1969 an der jetzigen Stelle.

Das Reetdach auf der Rotunde, die dem Gebäude die unverkennbare Silhouette verleiht, wurde im Zuge der Sanierung neu gedeckt und leuchtet seit ein paar Wochen goldgelb in der Sonne. Das Reetdach auf der restlichen Dachfläche ist deutlich dunkler, denn es wurde schon 2013 erneuert.

Neuer Chef der Sturmhaube ist auf Sylt aufgewachsen

Felix Knochenhauer ist auf Sylt aufgewachsen und auf der Insel fest verwurzelt, obwohl er beruflich viele Jahre auf dem Festland war. Der Sohn eines Hoteldirektors hatte seine Ausbildung zum Restaurantfachmann und Barkeeper im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg gemacht und sich danach entschlossen, unbedingt für das Hotel Savoy in London zu arbeiten, das 2010 eröffnet wurde. „Das war die größte Hoteleröffnung des Jahrzehnts, da wollte ich dabei sein. Mit meinem Schulenglisch konnte ich aber nur als Page anfangen“, sagt der 33-Jährige.

Von seiner Ausbildung her sei das ein Abstieg gewesen, aber dennoch eine große Chance und eine sehr lehrreiche Zeit – und perfekt zum Geldverdienen. Der Gast sei dort absoluter König gewesen. Einmal habe er sich in den Flieger nach Amman gesetzt und ein Brautkleid geliefert, weil ein weiblicher Hotelgast sich erst nach dem Rückflug überlegt hatte, dass sie sich in London für das falsche Kleid entschieden hatte. Die Trinkgelder für solche Extratouren seien sehr großzügig. Er sei im Savoy zum Concierge aufgestiegen. Es folgten mehrere Jahre an der Rezeption des Fairmont Hotels im kanadischen Skiort Banff, wo Knochenhauer nach eigenen Angaben einer von etwa 1600 Angestellten war. 16 bis 17 Stunden-Tage seien dort die Regel gewesen, nicht die Ausnahme. Irgendwann zog es ihn zurück in die Heimat.

Sanierung der Sturmhaube auf Sylt: Es wird ein besonderer Ort

Gemeinsam mit den anderen Eigentümern will Knochenhauer in Kampen nun einen besonderen Ort schaffen. Im Erdgeschoss der Sturmhaube entsteht ein Restaurant mit 80 Plätzen, im Obergeschoss wird es sechs Hotelzimmer von 40 bis 85 Quadratmetern geben – jedes mit Meerblick und ordentlich Schallschutz zu den Nachbarzimmern. Zwei davon haben eine kleine Loggia – perfekte Logenplätze.

Die Wände werden in einem dezenten Grau gestrichen, es wird viel Holz und Naturstein verwendet. „Wir sind mitten in der Natur, sie ist der Protagonist. Wo kann man besser eine Auszeit nehmen als hier“, sagt Knochenhauer, davon solle die Einrichtung nicht ablenken (Fernseher gibt es trotzdem). Soviel Exklusivität hat ihren Preis: noch sind die Preise nicht genau kalkuliert, dürften sich aber im mittleren dreistelligen Bereich aufwärts bewegen. „Wir haben uns für große Zimmer, aber dafür wenige entschieden“, erklärt der Chef.

Neuer Sturmhaube-Chef: "Wir wollen einen Ort für jedermann schaffen"

Stets begleitet ihn Hilde auf der Baustelle, eine acht Jahre alte Promenadenmischung, die ihrem Herrchen treu ergeben ist. Für Statussymbole hat Knochenhauer wenig übrig. Er trägt ein schlichtes weißes T-Shirt, khakifarbene Chinos und weiße Sneaker. Keine fette Uhr, keine Markenlogos. „Wir wollen auch alte Klischee Kampens etwas brechen“, sagt er.

Und deshalb mutet er den Gästen des Strand Kiosks auch zu, dass sie mitten auf einer Baustelle sitzen – mit Blick auf Bauzäune – , und den unvermeidlichen Lärm aushalten. Es gibt hier auch nur eine Sorte Trinkgläser, ob die Gäste nun Wasser oder Champagner bestellen. Auch auf den Toiletten geht es individuell zu: So haben die Damen einen aufgearbeiteten Schweinefuttertrog aus Stein als Handwaschbecken, die Herren eine umfunktionierte Pferdetränke. Auf Tischdecken will er im Restaurant verzichten.

„Wir wollen einen Ort für jedermann schaffen“, sagt Knochenhauer, wobei er nicht verhehlen kann, dass das Preisniveau gehoben ist – wie vielerorts auf der Insel. Damit Eltern auch mal ein paar ruhige Minuten verbringen können, will er den Spielplatz neu beleben – mit Seilbahn, Bobbycarbahn und Klettergerüst. Wegen Lieferschwierigkeit werde das aber noch dauern.

Küchenchef der Sturmhaube: Ohne Currywurst geht es nicht

Einen Küchenchef hat er schon gefunden. Die beiden kennen sich von früher. Dieter Jensen hat 14 Jahre im Dorfkrug gearbeitet und war zehn Jahre selbstständig mit dem Restaurant Jens’ns Tafelfreuden in Kampen. Nun baut er die Küche der Sturmhaube auf und macht schon jetzt mit kleinen Gerichten im Strandverkauf die Gäste glücklich. Dass es ohne Currywurst nicht geht, hat er aber schnell gemerkt. Nachdem er bei einer kleinen Hochzeit – im Baustellenbetrieb – das Lieblings-Kantinengericht der Deutschen in Fleisch- und vegetarischer Variante serviert hatte, war es nicht mehr wegzudenken. „Currywurst geht immer, muss immer“, sagt Jensen. Fish&Chips stehen auch auf der Tafel, außerdem diverse Waffelvariationen, herzhaft und süß. Zudem gibt es ein täglich wechselndes Tagesgericht. „Wir probieren grade vieles aus“, sagt Dieter Jensen.

Er sei dabei, ein gutes Team aufzubauen, sagt der Küchenchef, „wir brauchen viele Leute, weil wir ihnen eine Fünf-Tage-Woche anbieten wollen und Schichtdienst, also Tages- und Abenddienst“. Somit ohne die lästige Zwangspause dazwischen, die verhindert, dass das Personal wirklich Freizeit am Stück hat. „Wir legen den Focus darauf, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen“, versichert Jensen. Und deshalb gebe es auch einen neuen gut ausgestatteten Personalraum mit Buffet, angrenzenden Umkleiden und Duschen. Ein Souschef und eine Patissière hätten schon einen Vertrag unterschrieben.

Sturmhaube in Kampen: 600 bis 1800 Essen pro Tag geplant

Die Sturmhaube rechnet damit, im Sommer 600 Essen pro Tag zu servieren, „es können aber auch 1800 sein“, sagt Knochenhauer. Weil das Restaurant direkt an der Küste liege, werde es viel frischen Fisch geben und Fleisch von Produzenten aus der Region. „Neo-gutbürgerlich“, nennt er die Richtung, in die es gehen soll. Auf der umlaufenden Terrasse werden noch einmal etwa 120 Plätze entstehen.

Weil Nachhaltigkeit auf der Insel, die viele Dinge vom Festland liefern lassen muss, ein immer wichtigeres Thema ist, wird in der Sturmhaube kein französisches oder italienisches Mineralwasser in Flaschen servieren, sondern Sylter Wasser aus der Leitung. „Wir installieren eine Tafelwasseranlage im Keller und wollen unseren Gästen eine Wasserpauschale anbieten, wenn sie bei uns zu Gast sind.“ Abgesehen davon, dass man so sehr viel weniger Lagerraum brauche und die Kistenschlepperei bei der Anlieferung entfalle, sei es sehr viel umweltfreundlicher, das hervorragende Sylter Wasser zu trinken.

Hauseigene Brauerei nutzt Sylter Süßwasser

Die Insel habe eine Süßwasserblase, sagt Knochenhauer, das Wasser werde auch für die hauseigene Brauerei im Untergeschoss genutzt, die gerade gebaut wird. Im Moment wird das eigene Bier, das „Kiek an“, ein Brown Ale, und das „Schnutenschlecker“, ein Golden Ale, noch in einer kleinen Anlage in Flensburg gebraut und zu je 4,50 Euro an der Strandversorgung in Flaschen verkauft. Sobald im Keller gebraut wird, wird es an der Theke direkt aus dem Keller gezapft. Die Restaurantgäste werden durch ein Glasfenster im Boden sogar beim Brauen zugucken können.

Bis zur Eröffnung werden noch sehr viele Mitarbeiter gesucht, 40 bis 60 sollen es werden, sagt Knochenhauer, der auf allen Kanälen Rekrutierungsgesuche laufen hat. Damit seine Mitarbeiter nichts aufs Pendeln angewiesen sind, habe er sich bereits um Wohnraum gekümmert und könne ab Oktober mehr als 20 Mitarbeitenwohnungen anbieten, sagt Knochenhauer, der auf der Insel sehr gut vernetzt ist. „Sylt hat schon viele Arbeitgeber, die über das Maß hinaus zu viel verlangen. Die Leute haben keine Lust mehr, 12 und mehr Stunden zu arbeiten.“ Daher biete man allen Mitarbeitern 25 Tage Urlaub, eine Fünf-Tage-Woche und eine tägliche Arbeitszeit von 8,2 Stunden. „Nur glückliche und zufriedene Mitarbeiter machen einen guten Job und können optimale Leistung erbringen. Und das merkt letztendlich auch der Gast“, sagt der neue Chef der Sturmhaube.

Das Restaurant will er möglichst sieben Tage die Woche öffnen, das sei der Anspruch, „aber fünf müssen wir schaffen“, sagt Knochenhauer. Er hofft, dass die gebotenen Arbeitsbedingungen trotz der überall herrschenden Personalknappheit potenzielle neue Mitarbeiter überzeugen. Und die will er dann hätscheln. Sein Credo: „Wir haben mehr Gäste als Mitarbeiter.“

Sylt: Wann wird die Sturmhaube eröffnet?

Bis Herbst ist also noch viel zu tun. Auf einen genauen Eröffnungstermin für die Sturmhaube will sich Felix nicht festlegen. Das ursprüngliche Eröffnungsdatum auf den Visitenkarten hat er jedenfalls schon mal übermalen lassen. Jetzt ist von Herbst die Rede. „Der Herbst wird unser Sommer“, sagt er fröhlich und beschreibt die Situation beim Ausbau so: „Der Wald brennt und wir stehen mitten drin.“

Der Strand-Kiosk, der richtigerweise Strandverkauf heißt, weil er ja oben am Kliff ist, ist täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet, ab Mitte Juli soll erst um 22 Uhr Schluss sein. Einen Verkauf direkt am Strand würde die Sturmhaube auch gern anbieten, „aber da laufen noch die Gespräche“, sagt Felix Knochenhauer. Dann wäre der Sylter Jung’ endgültig bei seinen Wurzeln angekommen.

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