Neustadt/Holstein. Sie ist kratziger als feine Merino-Wolle und nichts für Empfindliche, aber für Strickjacken oder Stulpen perfekt geeignet: die Wolle von Schafen der Rasse Scottish Blackface von Marion Jünke aus der Nähe von Neustadt in Holstein.
Jünke und ihre Tiere sorgen für die Wolle, und Tanja Zielinski verkauft diese in ihrem Geschäft „Wolle und Kunst“ in der Neustädter Innenstadt. Regional ist diese Kooperation und äußerst charmant.
Ostsee: Hobbyschäferin gibt Wolle ihrer Schafe ab
Die Tiere erinnern mit ihren schwarzen Gesichtern an Shaun das Schaf, führen aber anders als die Zeichentrickfigur ein ganz normales Schafleben ohne Abenteuer. Mit Aufregung aber schon. Vor allem, wenn Border-Collie-Hündin Jessie die 25 Tiere aus ihrem Stall in der Nähe der Ostsee aus dem Stall hinaus auf die Weide treibt. Wie ferngesteuert und stets im Gleichklang scheinen die Schafe über das Gras zu schweben, während die Hütehündin ihre Arbeit macht.
Hobbyschäferin Marion Jünke gibt Kommandos, wie „jump in“ (nach rechts gehen!), „lie down“ (stop!) oder „turn off“ (links!). Faszinierend, wie Hund und Halterin als Team funktionieren und wie Jessie das perfekt macht, wofür Border Collies jahrhundertelang gezüchtet wurden: nämlich die Schafe zu führen.
Die Wolle aus Ostholstein ist kratzig und derb
Aufregender vielleicht noch als das Hüten durch Jessie ist für die Tiere die jährliche Schur im Mai: anstrengend und stressig, aber unerlässlich, um die Schafe im Sommer vor zu großer Hitze zu schützen. In ungepflegter und zu langer Wolle können sich Milben oder Zecken einnisten. Das Vlies erreicht eine Länge von bis zu 30 Zentimetern. Ein Großteil der Wolle aus Neustadt wird zu natürlichem Dünger verarbeitet.
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Eigentlich sind die Scottish Blackface von Hobbyzüchterin Marion Jünke Fleischschafe. Doch ihr Fleisch geht lediglich an Bekannte, es ist kein eigener Geschäftsbereich. Ohne lange Transporte werden sie vor Ort geschlachtet.
Für das Verabeiten der Wolle gibt es kaum noch Spinnerein
Die Idee von Geschäftsfrau Tanja Zielinski ist es, möglichst viel von den Tieren zu verwerten. Und die Wolle, findet sie, ist viel zu schade, um nur als Düngemittel auf den Feldern zu landen. Daraus Wolle zum Stricken zu spinnen, ist jedoch gar nicht so einfach. Denn es gibt kaum noch Spinnereien in Deutschland. Gefunden hat Tanja Zielinski schließlich einen Betrieb in Nordrhein-Westfalen.
Wenn sie ihre Wolle dorthin bringt, ist allerdings Geduld gefragt. Denn: „Es dauert ein Jahr, ehe ich die gesponnene Wolle zurückbekomme.“ In der Spinnerei wird die Wolle gewaschen, gekämmt und gesponnen. Am Ende bleiben 20 bis 100 Kilo, die die Neustädterin verwerten kann. Das letzte Mal hat sie vor zweieinhalb Jahren Wolle von den heimischen Schafen bekommen. Solange hat der Vorrat gereicht.
Bei der jährliche Schafschur bei Neustadt in Holstein ist die Wollverkäuferin dabei
Bei der jährlichen Schafschur ist Tanja Zielinski dabei, um sich einen kleinen Teil der Wolle für ihren Laden herauszusuchen. Sie schnappt sich dann das Vlies, das am besten zu Wolle gesponnen werden kann. Wichtig ist, dass es nicht verfilzt und nicht zu schmutzig ist.
Vor sechs Jahren kam die Besitzerin des Woll-Ladens in der kleinen Hafenstadt in der Lübecker Bucht auf die Idee, das Produkt von heimischen Schafen zu verkaufen. Klar, Merino ist weicher und verkauft sich besser. Und doch schätzen viele ihrer Kunden die Wolle aus der kleinen privaten Hobbyzüchterei um die Ecke, darunter sind auch viele Touristen.
Es ist eben ein ganz besonderes Souvenir von der Ostseeküste. Tanja Zielinski, eine studierte Kunsthistorikerin, die in einem Galeristenhaushalt aufgewachsen ist und lange in München gelebt hat, legt Wert auf qualitativ hochwertige Wolle: „Ich verkaufe kein Billigprodukt, sondern nur Naturmaterialien.“ An den Wänden in ihrem Geschäft finden Besucher auch viele Bilder – Originale und Grafiken professioneller Künstler.
„Das ist ein Material wie bei den Jankerjacken in Bayern“
Die Laden-Chefin trägt an diesem nasskalten Tag selbstverständlich eine Jacke aus Holsteiner Wolle. Die mag etwas kratzig sein, dafür hält sie schön warm. „Das ist ein Material wie bei den Jankerjacken in Bayern“, sagt sie: eine robuste Wolle ohne Firlefanz in den Farben Braun oder Beige. Eben in den Farben, wie die Wolle vom Schaf herunterkommt.
„Die Schafe bestimmen die Farben“, sagt Tanja Zielinski. Diese Wolle eigne sich auch perfekt als Gummistiefelsocke über einem Baumwollstrumpf. Denn die Sohle verfilzt mit der Zeit, und das sorgt für Wärme und einen angenehmen Tragekomfort.
„Wolle & Kunst“, Waschgrabenstraße 1, Neustadt in Holstein.
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