Eutin. Wegen der Energiekrise leuchtet das Eutiner Schloss nachts nicht mehr so glanzvoll wie früher, doch bald werden die Lichter des Weihnachtsmarkts auf dem Schlossvorplatz am gegenüberliegenden Ufer in der Dunkelheit glitzern. Der Blick aus dem Hotel SeeLoge in Eutin ist zu jeder Tageszeit spektakulär, denn die großen Fensterflächen des kürzlich eröffneten Neubaus geben den Blick frei auf den Großen Eutiner See, die Fasaneninsel und eben auch das Schloss.
Das Besondere an diesem Hotel mit den 44 Zimmern in der Stadtbucht, wo früher das heruntergekommene „Haus des Gastes“ stand: Es ist ein Inklusionshotel – hier arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen Hand in Hand und sorgen für Hotelgäste und solche, die nur zum Essen oder auf einen Kaffee reinschneien.
Hotel SeeLoge von der OHDG betrieben
Bauherr ist die gemeinnützige Gesellschaft „Die Ostholsteiner“, betrieben wird die SeeLoge von deren Tochterunternehmen, der Ostholsteiner Dienstleistungsgesellschaft (OHDG), einem gemeinnütziges Inklusionsunternehmen mit dem Ziel, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zu schaffen.
Bosse Willenberg (27) leitet das Hotel, er hat auch schon die gesamten Bauarbeiten begleitet. Für den gebürtigen Lübecker, der früher bei der Hotelgruppe
Uptalsboom gearbeitet hat, ist es die erste Stelle als Hoteldirektor. Berührungsängste gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen hatte er nie, sagt er, weil er durch sein familiäres Umfeld schon immer daran gewöhnt war. Wer an der Rezeption eincheckt, trifft beispielsweise auf André Balke.
André Balke erlebte eine schwierige Schulzeit
Der 34-Jährige hat nie eine Ausbildung abgeschlossen, aber eine Weiterbildungsmaßnahme im Bereich Bürokaufmann. Er habe eine schwierige Schulzeit mit vielen Hänseleien und Übergriffen erlebt, sagt der gebürtige Eutiner, er sei ausgegrenzt worden und habe psychische Probleme und eine Panikstörung entwickelt. Erst als er selbst auf seine Hände zeigt, fällt auf, was an ihm anders ist. Er hat seit seiner frühesten Kindheit verstümmelte Finger. Amnion-Schnürfurchensyndrom heißt die Krankheit. Nun arbeitet Balke an der Rezeption und hat die anfängliche Unsicherheit abgebaut.
Laut Reinhard Sohns, Geschäftsführer der „Ostholsteiner“, ist die SeeLoge das dritte Inklusionshotel Schleswig-Holsteins, aber das erste, für das ein Neubau geplant wurde. „Es ist ein wunderschönes Haus, ein wunderschöner Ort. Ich sehe das Hotel als Mehrwert für ganz viele – für Touristen, aber auch für die Einheimischen“, sagt er.
„Die Ostholsteiner“ betreiben eigene Wäscherei
Das Hotel biete seh- und erlebbare Inklusion, „man kann sehr niedrigschwellige Begegnungen haben. Das ist ein Teil von Normalität, die wir wollen.“ Bundesweit gibt es etwa 80 Inklusionshotels. Das Hotel SeeLoge profitiert von Synergien, denn „Die Ostholsteiner“ betreiben beispielsweise eine eigene Wäscherei, in der die Hotelwäsche gereinigt wird, aber auch eine Gebäudereinigung sowie Garten- und Landschaftspflege.
Neben den großen Fensterfronten mit Eichenholzrahmen haben die Architekten viel Holz, aber auch viel Sichtbeton verarbeitet. Auf dem Boden der Eingangshalle, in der sich auch die Bar befindet, wurde Wittmunder Klinker verlegt, das Kopenhagener Büro Wuttke & Ringhof Architekten war nicht nur für den Entwurf, sondern auch für die Inneneinrichtung verantwortlich. Im Restaurant mit 65 Plätzen, das auch Nicht-Hotelgästen offen steht, sorgen große Spiegel an der Wand dafür, dass auch Gäste, die mit dem Rücken zum See sitzen, einen hervorragenden Blick nach draußen haben. Im Übergang von der Bar zum Restaurant gibt es einen Kamin, der abends befeuert wird.
„Reizarm und trotzdem gemütlich“
Es gibt zudem einen Veranstaltungsraum, der auch für Familienfeiern mit bis zu 40 Personen genutzt wird, dann kann auch ein Teil der großen Terrasse abgetrennt werden. Auch die Mitarbeiter haben vor ihrem Pausenraum eine Terrasse und wurden nicht in den Keller verbannt, wie häufig üblich. Einen Keller gibt es im Hotel nicht, weil das Gebäude sehr dicht am See steht. Auf den ersten Blick fallen nur die Türklinken, die sehr niedrig angebracht sind, auf.
Die Zimmer zur Seeseite (20 bis 22 Quadratmeter) haben alle Balkons oder Loggien, die Zimmer zur Landseite sind etwas kleiner (15 Quadratmeter), haben dafür Abendsonne und große Sitzbänke an den Fenstern. „Reizarm und trotzdem gemütlich“, beschreibt Willenberg die Einrichtung. Vier der 44 Zimmer sind rollstuhlgerecht, in den Kleiderschränken gibt es einen Kleiderlift. Die Zimmer haben tagesaktuelle Preise und kosten ab 109 Euro für zwei Personen im Doppelzimmer inklusive Frühstück.
Stefan Metz als Haustechniker angestellt
Stefan Metz arbeitet eher im Verborgenen. Der 54-Jährige ist als Haustechniker angestellt. Vor fünf Jahren hatte ihn ein Schlaganfall ereilt, erzählt Metz. Danach musste er alles von Grund auf neu lernen – Lesen, Schreiben, Sprechen. „Ich konnte nicht einmal mehr Farben zuordnen“, sagt Metz, nur das technische Wissen und seine diesbezüglichen Fertigkeiten habe er erstaunlicherweise nicht verloren.
Jana Zeiner hat in der SeeLoge ebenfalls eine neue Chance für sich gesehen. Die 53-Jährige hat ihr Leben lang in der Gastronomie gearbeitet. Als ihr früherer Arbeitgeber das Lokal aufgab, habe sie überlegt, aus dem Bereich auszusteigen, sagt sie, ehe sie die Stellengesuche der SeeLoge studierte. „Hier erfindet sich noch einmal alles neu“, sagt Frau Zeiner. Und nun arbeitet die Eutinerin Seite an Seite mit Service-Kollegen, die unterschiedliche Beeinträchtigungen haben – einer beispielsweise hat wegen einer Erkrankung kein Kurzzeitgedächtnis.
Kleine Pannen sind nicht schlimm
„Wir haben hier schon viel gelacht“, sagt Bosse Willenberg, der kleine Pannen im Gästekontakt nicht schlimm findet. Wer im Hotel bucht, wisse natürlich, dass er in einem Inklusionshotel eincheckt, für externe Restaurantgäste sei das nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Eher, wenn eine Bestellung auch nach mehrmaligem Nachfragen noch nicht auf den Tisch kommt. Allerdings kennt man das auch aus anderen Lokalen. Offensiv darauf hinweisen, etwa in der Speisekarte, wolle er trotzdem nicht, sagt der junge Hoteldirektor.
„Wir wollen ja keinen Mitleidstourismus.“ Und längst nicht jede Schwerbehinderung sei auf den ersten Blick sichtbar. Ihm ist wichtig, dass die Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen, die 40 Prozent der Belegschaft ausmachen, nun mal auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein können.
„Die Seeloge hat eine sehr große Bedeutung für Eutin"
Eutin ist zwar eine Kleinstadt mit 17.500 Einwohnern und etwas abseits von der Küste, aber durch die zahlreichen Veranstaltungen im Schloss ein beliebter Anlaufpunkt für Gäste. „Die Seeloge hat eine sehr große Bedeutung für Eutin. Wir haben immer noch zu wenige Betten", sagt Michael Keller, Geschäftsführer der Eutiner Touristikgesellschaft. Derzeit gibt es in der Stadt 420 Gästebetten und 130 Stellplätze auf dem Campingplatz.
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Dass sich die SeeLoge auch für externe Besucher öffnet, gehört zum Konzept. So steht der Saunabereich auch Tagesgästen offen, die Panoramasauna mit Blick über den See wird allerdings nur von 16 bis 22 Uhr auf Anfrage beheizt. Derzeit kostet der Besuch (vier Stunden) noch 15 Euro, soll aber wegen der hohen Energiekosten auf 20 Euro erhöht werden.
Hotel SeeLoge bietet keine Halbpension an
Mit dem Personalstamm ist Willenberg zufrieden, allerdings kann es auch hier mal eng werden. Und wenn dann plötzlich in der Küche wegen Urlaub und Krankheit zu viele Mitarbeiter fehlen, dann schließt das Restaurant eben auch mal am späten Nachmittag. „Wir bieten auch keine Halbpension an, denn wir möchten, dass die Gäste die Freiheit haben, in Eutin zu speisen. So kommen unsere Gäste auch an den Geschäften vorbei. Das ist ein Geben und Nehmen.“
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