Kiel. Landesparteitag geplant: Kommt es zum Hauen und Stechen oder gelingt die von der AfD-Führung erhoffte Befriedung?

Die von politischen Richtungskämpfen und Personalquerelen erschütterte Nord-AfD will nach fast anderthalb Jahren erstmals wieder einen Landesparteitag abhalten. Am 21. November solle in den Holstenhallen in Neumünster eine neue Parteispitze gewählt werden, am Tag darauf sollten die Kandidaten für die Bundestagswahl bestimmt werden, sagte der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Joachim Schneider als kommissarischer Landeschef am Freitag.

Seit dem Parteiausschluss der Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte Ende August 2019 ist die Spitzenposition vakant. Es zeichnet sich eine Kampfkandidatur zwischen Gereon Bollmann und Jörg Nobis ab. Beide hätten ihre Kandidatur bereits angekündigt, sagte Schneider.

Bollmann gehörte als Vorsitzender Richter dem AfD-Landesschiedsgericht an, das Sayn-Wittgensteins Rauswurf zunächst abgewiesen hatte. Das AfD-Bundesschiedsgericht entschied am Ende. Hauptberuflich war Bollmann Richter am Oberlandesgericht in Schleswig, er ist seit Jahresbeginn pensioniert.

AfD verlor Fraktionsstatus nach Rücktritt von Brodehl

Nobis ist Chef der AfD-Landtagsfraktion, die ihren Fraktionsstatus nach dem Rücktritt des Abgeordneten Frank Brodehl am 25. September automatisch verloren hatte. Die Gespräche der Landtagsverwaltung über die "Liqidierung" der Fraktion - so ein Fachausdruck - sollen im Oktober laufen. Neben Nobis gibt es nur noch zwei weitere AfD-Abgeordnete. Sayn-Wittgenstein und Brodehl gehören als parteilose Abgeordnete dem Parlament weiter an.

Brodehl begründete seinen Austritt damit, dass der Landesverband seit dem letzten Parteitag nach rechtsaußen abgedriftet sei: "Statt an der Etablierung der AfD als bürgerlich-wertkonservativer politischer Kraft mitzuwirken, befördern sowohl der Landesvorstand als auch die deutliche Mehrheit der Kreisvorstände systematisch die Radikalisierung der Partei." Als Beispiele dafür nannte Brodehl die Verwendung von Nazi-Vokabular wie "Endsieg" oder den Begriff "Krieg des Systems gegen das eigene Volk" in Mitglieder-Mails. Und er kritisierte die öffentliche Verächtlichmachung gewählter Bundes- und Landespolitiker durch ein Landesvorstandsmitglied als "Renegaten, Verräter und Agenten", die "ausgeschwitzt" werden müssten.

Schneider wies die Vorwürfe zurück und sprach von Nachtreten. Er erwarte, dass nach dem Parteitag "eine weitere Befriedung des Landesverbandes" die Folge sein werde. Es gebe weder Flügelkämpfe noch einen Rechtsruck.

Am Parteitag dürfen alle rund 1000 AfD-Mitglieder aus Schleswig-Holstein teilnehmen

Für die Bundestagswahl will erneut der Bundestagsabgeordnete Bruno Hollnagel kandidieren. Zudem will Uwe Witt, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, kandidieren. Er sei nach einigen Jahren in Nordrhein-Westfalen wieder nach Schleswig-Holstein zurückgekehrt, sagte Schneider. Der bisherige zweite AfD-Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein, der Mediziner Prof. Axel Gehrke (78), trete nicht mehr an.

Am Parteitag dürfen alle rund 1000 AfD-Mitglieder aus Schleswig-Holstein teilnehmen. Es sei erfahrungsgemäß mit etwa 200 bis 300 Mitgliedern zu rechnen, sagte Schneider. Die große Holstenhalle biete Platz für 5000 Menschen, so dass die Corona-Auflagen erfüllt würden.