Transportwege

Die lange Reise der Krabben nach Marokko und zurück

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Edgar S. Hasse
Wenn die Krabben wie hier in Husum angelandet sind, gehen sie auf eine wochenlange Reise nach Marokko, bevor sie zurück nach Deutschland kommen

Wenn die Krabben wie hier in Husum angelandet sind, gehen sie auf eine wochenlange Reise nach Marokko, bevor sie zurück nach Deutschland kommen

Foto: dpa Picture-Alliance / Carsten Rehder / picture-alliance/ dpa

Anlässlich der Husumer Festtage kritisieren Politiker und Verbraucherschützer die Weiterverarbeitung von Krabben in Afrika.

Kiel/Hamburg.  An diesem Wochenende dreht sich in Husum alles um die kleinste Speisegarnele der Welt – die kaum neun Zentimeter große Nordseekrabbe. Die Hafenstadt feiert die Krabbentage und veranstaltet sogar eine „Krabbenpul-Meisterschaft“. Dort können die flinken Hände ihr Tempo messen.

Tatsache aber ist: Gerade mal knapp fünf Prozent des Garnelenfangs wird nach Angaben der Erzeugergemeinschaft der Krabbenfischer direkt in Deutschland geschält. Die Hauptfangmenge gelangt auf 6000 Kilometer weiten Transportwegen nach Marokko und wieder zurück. In der nordafrikanischen Stadt Tétouan werden die Tierchen aus dem hohen Norden von Frauenhand gepult – viel schneller, als Maschinen es könnten, und preiswerter noch dazu.

Doch jetzt wächst die Kritik an dieser Art der Globalisierung. Die Hamburger Verbraucherzentrale und das schleswig-holsteinische Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume kritisieren die langen Transportwege und ökologischen Belastungen. „Der Transport nach Marokko und Polen widerspricht allen Nachhaltigkeitskriterien, die sehr langen Transportwege belasten die Umwelt“, sagte die Hamburger Verbraucherschützerin Silke Schwartau dem Abendblatt. Die Lastkraftwagen seien viele Tage unterwegs, darunter leide die Qualität und Frische der Ware.

Auch Schleswig-Holsteins Landwirtschafts- und Umweltminister Robert Habeck (Grüne) steht der gegenwärtigen Praxis sehr skeptisch gegenüber. Wegen des langen Transports seien Energieverbrauch und Emissionen zu hoch; zudem ergebe sich aus dem zeitlichen Verlust ein hoher Bedarf an Konservierungsmitteln, heißt es auf Abendblatt-Anfrage.

In der marokkanischen Stadt sind mehr als 1000 Frauen im Einsatz, die Nordseekrabben per Hand zu schälen. Sie erhalten dafür einen Monatslohn, der umgerechnet bei unter 200 Euro liegt. „Der Transportwahnsinn ist die eine Seite“, sagt die Hamburger Geografieprofessorin Beate M.W. Ratter. „Aber die Arbeitsplätze für Frauen in Marokko sind auch ein positiver Effekt.“

Dass die Branche noch immer auf solche Arbeitskräfte angewiesen ist, liegt nicht nur an den dort niedrigen Arbeitskosten. Bislang gebe es noch keine konkurrenzfähige Krabbenschälmaschine, sagt Nicola Kabel, Sprecherin des Kieler Landwirtschaftsministeriums.

Krabbenpul-Maschinen sind teurer als das Schälen per Hand in Afrika

Ähnlich sieht das auch Philipp Oberdörffer von der Erzeugerge­meinschaft der Deutschen Krabben­fischer. „Bisher gibt es noch keine Möglichkeit, die Entschälung in Deutschland konkurrenzfähig zu gestalten“, sagt er. Maschinen seien eine teure Alternative, weil die Ausbeute sinke und eine Nachsuche von Schalenresten notwendig sei.

Wenn die Husumer an diesem Wochenende ihre weit gereisten Krabben feiern, kann man zwar die langen Transportwege beklagen. Der Nordseekrabbenbestand aber hat sich stabilisiert. Die 180 deutschen Krabbenfangbetriebe zwischen List auf Sylt und Ditzum in Niedersachsen verzeichnen bei den Anlandungen durchschnittlich 12.000 bis 14.000 Tonnen pro Jahr. Das Kieler Landwirtschaftsministerium bewertet die Population als stabil, weist aber auch auf regelmäßige Bestandsschwankungen hin.

Verbraucherschützer fordern nun, dass die Konsumenten besser informiert werden, wenn sie heimische Krabben kaufen. Wenn Produkte wie „Büsumer Krabben“ durch Europa bis nach Nordafrika transportiert werden, könne nicht mehr von einem regionalen Produkt gesprochen werden, bemängelt Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale. Die Verarbeitung, fordert sie, müsse transparenter gemacht werden. „Zum Beispiel gehört ein Hinweis auf den Ort des Krabbenpulens auf die Schauseite eines jeden Krabbensalats.“ Wenn der Ort „ehrlich“ deklariert werden würde, sei davon auszugehen, dass sich mehr Kunden gegen den „Tranportirrsinn“ und verstärkt für in Norddeutschland gepulte Ware entscheiden würden, meint Silke Schwartau.

Die Kieler Landesregierung hofft, dass der Anteil hierzulande verarbeiteter Krabben mit der technologischen Entwicklung steigen wird. Die Verbraucher müssten dann aber auch bereit sein, 20 bis 25 Prozent mehr für das Krabbenfleisch zu bezahlen, heißt es bei der Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer.