Lübeck/Itzehoe. Die drohende Insolvenz des Windenergie-Unternehmens Prokon hat Sorge um hunderte Arbeitsplätze allein in Schleswig-Holstein ausgelöst. In der Prokon-Zentrale in Itzehoe (Kreis Steinburg) sind rund 500 von insgesamt 1300 Arbeitnehmern beschäftigt. Die Oppositionsparteien CDU und FDP im Landtag forderten am Montag von der SPD/Grünen/SSW- Landesregierung ein klares Signal zum Erhalt der Arbeitsplätze. Nach dem Aus für die Druckerei Prinovis in Itzehoe mit 1000 Mitarbeitern würde bei einer Insolvenz innerhalb kürzester Zeit der zweite große Arbeitgeber in Itzehoe verloren gehen. Gefährdet seien auch zahlreiche Handwerksbetriebe.
„Die ganze Region blickt deshalb mit großer Sorge auf Prokon“, erklärten die Steinburger CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jörn Arp und Heiner Rickers am Montag. Ministerpräsident Torsten Albig und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (beide SPD) seien in der Pflicht. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte, zunächst wolle man Informationen zur Lage einholen, bevor über Maßnahmen nachgedacht werden könne.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Christopher Vogt betonte, es sei zwar nicht die Aufgabe der Landesregierung, Unternehmen durch Subventionen vor der Insolvenz zu bewahren – „es wäre jedoch ihre Aufgabe, den regionalen Wirtschaftsstandort bei großen wirtschaftlichen Rückschlägen mit geeigneten Maßnahmen zu unterstützen“.
CDU und FDP forderten, jetzt den Ausbau der Autobahn A20 im Kreis Steinburg voranzutreiben zur Stärkung der Handwerksbetriebe in der Region und damit Schleswig-Holstein bei der wirtschaftlichen Entwicklung nicht abgehängt werde. Der Bau der A20 durch den Kreis Steinburg hätte ein Investitionsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro für die Region, meinte Arp. Bisher hat die Landesregierung einen Ausbau der A20 westlich der A7 in der bis 2017 laufenden Legislaturperiode ausgeschlossen.
Wie am Montag bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Lübeck in den vergangenen Monaten mehrere Strafanzeigen gegen das von einer Insolvenz bedrohte Windenergie-Unternehmen Prokon in Itzehoe (Kreis Steinburg) erhalten. „Wir prüfen, ob ein Anfangsverdacht wegen Betruges und weiterer Wirtschaftsdelikte besteht oder nicht“, sagte Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm. Sollte ein Anfangsverdacht bestehen, würden Ermittlungen aufgenommen.
Prokon erklärt in einem auf seiner Internetseite veröffentlichten Schreiben vom 10. Januar an seine Anleger, noch im Januar drohe Planinsolvenz, falls mehr als fünf Prozent des Genussrechtskapitals abgezogen würden. Nach wie vor kündigten zahlreiche Anleger aus Angst vor einem Verlust ihres angelegten Geldes ihre Genussrechte, hieß es. Bis zum 20. Januar sollten Anleger sich erklären, ob sie zunächst einmal bis Oktober ihre Genussanteile behalten, um eine Insolvenz abzuwenden.
Nach Angaben des Unternehmens gibt es mehr als 75.000 Anleger, die Prokon fast 1,4 Milliarden Euro über sogenannte Genussscheine anvertraut haben. Das Versprechen: Bis zu acht Prozent Zinsen. Verbraucherschützer haben wiederholt das Geschäftsmodell infrage gestellt und mangelnde Transparenz beklagt. Nachfragen bei Prokon am Montag blieben zunächst ohne Antwort, zudem war die zentrale Telefonnummer und eine Telefonnummer für Anleger dauerbesetzt oder es nahm niemand den Hörer ab.
Prokon ist nach Einschätzung des Bundesverbandes Windenergie „nicht von allergrößter Bedeutung“. Eine Insolvenz würde für die Branche keine besonderen Risiken bedeuten, sagte der stellvertretende BWE-Bundespräsident und Chef des schleswig-holsteinisches Landesverbandes, Hermann Albers, am Montag in Simonsberg bei Husum (Kreis Nordfriesland). Im Einwerben von mehr als einer Milliarde Euro Kapital habe Prokon mit seinen Werbeaktivitäten in der Branche aber eine besondere Stellung. Immer wieder sei ihm zu Ohren gekommen, dass Prokon mit frischem Kapital Zinsen für Anlegerkapital bedient habe, sagte Albers.
Die Betroffenen einer möglichen Insolvenz wären nach Einschätzung des Deutsches Verbraucherschutzrings e.V. (Erfurt/Thüringen) vor allem Kleinanleger. Denn Genussrechte konnten bereits für 100 Euro erworben werden. Vor dem Hintergrund der drohenden Pleite des Windparkfinanzierers fordern Verbraucherschützer schärfere Regeln für den sogenannten grauen Kapitalmarkt. Prokon sei dafür nur ein Beispiel in einer Reihe von Skandalen, sagte die Leiterin Finanzen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Dorothea Mohn, dem „Handelsblatt“ (Dienstag). Genussrechte könnten viele Verbraucher in den finanziellen Ruin treiben.
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