Die 48-Jährige unterrichtet seit fast 20 Jahren mit gefälschten Examenszeugnissen. 2012 war sie in Mölln aufgeflogen. Dann bewarb sie sich erneut – mit Erfolg.

Kiel/Schwerin. Sie hat es wieder versucht, und es hat wieder geklappt: Einer 48-jährigen Frau aus Wismar ist es nun schon im vierten Bundesland gelungen, mit gefälschten Examenszeugnissen eine gut dotierte Lehrerstelle zu ergattern. In Mecklenburg-Vorpommern wurde sie im März 2013 eingestellt, in Mecklenburg-Vorpommern ist sie – wie erst jetzt bekannt wurde – ein paar Monate später durch einen dummen Zufall aufgeflogen. Rund 20 Jahre hat sie mittlerweile im Schuldienst verbracht, mehrere Tausend Schüler wird sie in dieser Zeit unterrichtet haben – eine Köpenickiade, die im deutschen Bildungssystem ihresgleichen sucht.

Das Mecklenburger Intermezzo überrascht umso mehr, als dass die falsche Lehrerin erst wenige Monate zuvor im Nachbarbundesland Schleswig-Holstein enttarnt worden war. Am Marion-Gräfin-Dönhoff-Gymnasium in Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg) hatte sie seit 2008 gearbeitet, zuvor war sie in Berlin und Brandenburg beschäftigt. Deutsch und WiPo (Wirtschaft und Politik) waren ihre Fächer. 2010 wechselte in Mölln der Schulleiter, und dem neuen Chef, Thomas Brademann, fiel bei seinen Unterrichtsbesuchen auf, dass die Kollegin zwar ein hervorragendes Examen gemacht hatte, im Klassenzimmer aber höchst durchschnittliche Leistungen ablieferte. Das kam ihm merkwürdig vor. Brademann informierte die Schulaufsicht. Die fragte in Nordrhein-Westfalen nach. Denn an einer dortigen Universität hatte die falsche Lehrerin angeblich ihr Examen abgelegt. Die Nachfrage ergab: Die Zeugnisse waren gefälscht.

Zum Ende 2012 wurde sie entlassen. Im April 2013 gelangte die Geschichte in die Öffentlichkeit. Auch überregionale Medien berichteten, zum Beispiel der „Spiegel“ . Nur bis ins beschauliche Lübstorf in der Nähe von Schwerin drang diese Nachricht offenbar nicht vor. Dort war die falsche Lehrerein bereits wieder aktiv. Seit März unterrichtete sie an der Werner-Lindemann-Schule, einer Regionalschule. Kaum in Schleswig-Holstein entlassen, hatte sie sich mit ihren gefälschten Zeugnissen im Nachbarbundesland angedient. Die waren offenbar derart überzeugend, dass sie – wie schon in Brandenburg, wie schon in Berlin, wie schon in Schleswig-Holstein – sofort eingestellt wurde.

Dieses Beschäftigungsverhältnis hätte wohl heute noch Gültigkeit, wenn nicht die Kieler Staatsanwaltschaft aktiv geworden wäre. Die ermittelt seit dem Rauswurf in Schleswig-Holstein gegen die falsche Lehrerin. „Es geht um den Verdacht der Urkundenfälschung und des Betrugs in einem besonders schweren Fall“, sagt Staatsanwalt Michael Bimler. „Wir sprechen deshalb von einem besonders schweren Fall, weil durch den Betrug eine dauerhafte Einnahmequelle erschlossen wurde.“

Bewerbung auch in Hamburg?

Im Zuge der Ermittlungen wollten sich die Polizisten ein Bild vom beruflichen Werdegang der Frau machen. Sie hatten gehört, dass deren erste berufliche Station ein Gymnasium in Wolgast gewesen sei. Im Schweriner Bildungsministerium bestätigte man das – und stellte dann fest, dass die 48-Jährige nicht nur schon einmal in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet hatte, sondern schon wieder dort arbeitete.

Am 8. August wurde ein Auflösungsvertrag mit der Frau geschlossen. Ob sie sich zwischenzeitlich in Hamburg oder Niedersachsen beworben hat, ist unklar. Ausgeschlossen ist dies nicht – angesichts der Chuzpe, mit der sie sich nach dem Rauswurf in Mölln im benachbarten Mecklenburg eine Stelle erschlichen hat. Zudem hat sie dort offenbar mit neuen Fälschungen gearbeitet. Sie legte statt dem WiPo-Zeugnis ein Examenszeugnis für Kunst vor. Und unterrichtete dieses Fach dann auch in der mit 292 Schülern recht kleinen Regionalschule in Lübstorf.

Länder wollen Gehalt zurück

Mit dem Fach WiPo hatte ihre Fälscherkarriere begonnen. Die aus der DDR stammende Frau studierte an einer DDR-Hochschule in Brandenburg Deutsch und Staatsbürgerkunde. Im Juli 1990 erwarb sie ihr Diplom, im Oktober trat die DDR der BRD bei. Mit dem stark vom DDR-Sozialismus geprägten Staatsbürgerkunde-Studium sah die Frau ihre Chancen auf eine Festanstellung im neuen Staat schwinden. Also fälschte sie ihre Examenszeugnisse, verwandelte Staatsbürgerkunde in Sachkunde und gab sich nebenbei noch exzellente Noten. Damit war der Weg frei. Anstandslos passierte sie alle Kontrollen. Nach der ersten Station in Wolgast folgten von 1995 bis 2000 Tätigkeiten in Brandenburg. Von 2000 bis 2008 arbeitete sie in Berlin, danach wechselte sie nach Schleswig-Holstein.

Dort wird sie sich demnächst vor Gericht verantworten müssen. Die Kieler Staatsanwaltschaft ist mit ihren Ermittlungen fast am Ende. Sie hat auch die getürkte Mecklenburger Bewerbung in ihre Arbeit mit einbezogen. Der Strafrahmen liegt im Bereich zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Außerdem wollen die Bundesländer das Gehalt zurück, das sie der falschen Lehrerin gezahlt haben. In Schleswig-Holstein sind das rund 200.000 Euro, in Mecklenburg-Vorpommern exakt 11.294,07 Euro, in Berlin 70.000 Euro. Brandenburg verzichtet auf eine solche Forderung. Ohnehin ist es rechtlich durchaus fraglich, ob die falsche Lehrerin das Geld zurückzahlen muss. Denn eines ist klar: Unterrichtet hat sie.