Eine Hochstaplerin im Schuldienst manipulierte ihre Examenszeugnisse. Das Land fordert nun das ausbezahlte Gehalt von rund 200.000 Euro zurück.

Mölln. Mindestens 15 Jahre war sie im Schuldienst, und niemand hat etwas gemerkt: Im schleswig-holsteinischen Mölln ist eine Deutschlehrerin aufgeflogen, die ihre Examenszeugnisse gefälscht hatte. Vor ihrer Möllner Zeit hatte sie an Gymnasien in Berlin und Brandenburg gearbeitet. Die Frau wurde jetzt entlassen. Das Bildungsministerium hat Strafanzeige erstattet und fordert das ausbezahlte Gehalt zurück. Das teilte Thomas Schunck, der Sprecher des Ministeriums, am Dienstag auf Anfrage mit. "Einen vergleichbaren Fall hat es in Schleswig-Holstein noch nicht gegeben", sagte er.

Die 47-Jährige unterrichtete seit 2008 am Marion-Dönhoff-Gymnasium in Mölln die Fächer Deutsch sowie Wirtschaft und Politik (WiPo). Die falsche Lehrerin stammt aus der ehemaligen DDR und hatte noch zu DDR-Zeiten an einer pädagogischen Hochschule im Land Brandenburg Deutsch und Staatsbürgerkunde studiert. Ihr Abschluss fiel direkt in eine Phase bedeutender politischer Umwälzungen, die zur deutschen Einheit führten. Im November 1989 fiel die Berliner Mauer, im Juli 1990 erwarb die angehende Lehrerin ihr Diplom, im Oktober 1990 trat die DDR der BRD bei. Was war ihr Studium jetzt noch wert? Die Frau befürchtete offenbar, gerade wegen ihres Diploms in Staatsbürgerkunde keine Arbeit mehr zu finden. In diesem Fach wurden damals die ideologischen Grundlagen des DDR-Sozialismus vermittelt. Also fälschte sie ihr Diplom und machte aus Staatsbürgerkunde das Fach Sozialkunde.

Ob sie sich jemals bemüht hat, an einer Universität das Wissen nachzuholen, das ihr nun für eine Stelle im Schuldienst fehlte, ist nicht bekannt. Tatsache ist aber, dass sie überall gefälschte Zeugnisse einer nordrhein-westfälischen Universität vorlegte. Was durchaus aufwendig ist, schließlich absolvieren Lehrer ein erstes und ein zweites Staatsexamen, die in getrennten Zeugnissen dokumentiert werden. Die Zeugnisse sind auf den Juli 1991 und den Juli 1992 datiert. Aus dem lückenhaften Lebenslauf der 47-Jährigen geht weiter hervor, dass sie von 1995 bis 2000 als Beamtin an Schulen in Brandenburg unterrichtet hat. Möglicherweise hat sie dort zuvor als Angestellte gearbeitet. Im Jahr 2000 schied sie jedenfalls aus dem Beamtenverhältnis aus, die Ursachen sind unklar.

Danach bewarb sie sich mit ihren gefälschten Zeugnissen in Berlin. Ihrem Arbeitgeber ist das damals nicht aufgefallen. Sie bekam eine Stelle und wurde im Jahr 2002 verbeamtet. Auch bei ihrem Wechsel von Berlin nach Mölln, der im Zuge eines Lehrertausches stattfand, stolperte niemand über die Fälschungen. Offenbar war an den Zeugnissen zunächst nichts Verdächtiges festzustellen.

Zum Verhängnis wurden ihr schließlich die guten Examensnoten, die sie sich selbst gegeben hatte. Dem neuen Schulleiter des Marion-Dönhoff-Gymnasiums, Thomas Brademann, seit 2010 im Amt, fiel auf, dass mit der Kollegin irgendetwas nicht zu stimmen schien. "Er bekam Zweifel, weil die Top-Noten aus dem Examen nicht mit dem persönlichen Eindruck und den Leistungen im Unterricht zusammenpassten", sagte Pressesprecher Thomas Schunck. Brademann informierte die Schulaufsicht. Die schaute sich die Akten genauer an. Und hakte irgendwann bei der Universität in Nordrhein-Westfalen nach. Ergebnis: Die Examenszeugnisse waren gefälscht.

Zum Ende 2012 wurde die Lehrerin entlassen. Sie wird sich wohl wegen Urkundenfälschung vor Gericht verantworten müssen. Außerdem fordert das Ministerium das ausbezahlte Gehalt zurück, vermutlich rund 200.000 Euro. Der Schulleiter Thomas Brademann mochte sich zu dem Fall der falschen Lehrerin nicht äußern. Die Eltern waren mit dem Unterricht der Frau ohne Examen offenbar zufrieden. "Von Beschwerden ist mir nichts bekannt", sagte Pressesprecher Schunck.

Rund 850 Schüler hat das Marion-Dönhoff-Gymnasium, an dem nun diese jahrzehntelange Köpenickiade zu Ende gegangen ist. Sind die Noten, die die falsche Lehrerin vergeben hat, eigentlich in Ordnung? Thomas Schunck: "Natürlich muss sich jemand, der sich prüfen lässt, darauf verlassen können, dass der Prüfer dazu auch befähigt ist." Über Abiturientenschicksale habe die Frau aber nicht entschieden. Und eine Versetzungsbenotung werde nicht allein von einem Lehrer festgelegt, sondern sei Sache der Schulkonferenz. Im Fach Deutsch sei die Lehrerin nicht in der Oberstufe eingesetzt gewesen, im Fach WiPo schon. "Dort unterrichtete sie zuletzt erstmals in einer 12. und einer 13. Klasse", so Thomas Schunck. Der Schulleiter habe für diese Klassen Fachtage organisiert, die von einem anderen Lehrer geleitet worden seien. "Dort gibt es nun also eine Basis für eine verlässliche Benotung."