Gut drei Wochen vor der Abstimmung über den neuen Landtag in Schleswig-Holstein rüsten die Parteien jetzt zum Endspurt.

Kiel. In Schleswig-Holstein beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes. Mittwochabend eröffnet die SPD in Kiel mit Parteichef Sigmar Gabriel den Schlussspurt, in der nächsten Woche zieht die CDU mit Kanzlerin Angela Merkel in der Sparkassen-Arena (Ostseehalle) nach, und zwischendrin starten auch die anderen Parteien durch, etwa mit einem "Polit-Boxen" zwischen den Fraktionschefs Wolfgang Kubicki (FDP) und Robert Habeck (Grüne) am Freitag in Rendsburg. Den großen Einsatz der Parteien erklärt der Kieler Politikwissenschaftler Professor Joachim Krause auch damit, dass die Wahl am 6. Mai trotz einer rot-grünen Mehrheit in allen Umfragen noch nicht entschieden ist. "In Schleswig-Holstein könnte es mal wieder sehr, sehr eng werden."

Den Ausschlag könnten die Spitzenkandidaten der Parteien geben. "Viele Menschen wählen den Politiker, der ihnen sympathisch ist", sagt Krause. Am zufriedensten sind die Schleswig-Holsteiner, so die Umfragen, allerdings mit einem Politiker, der nicht mehr zur Wahl steht. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (65, CDU), der im Wahlvolk eine Zustimmung von 55 Prozent genießt, zieht sich trotz Bitten von CDU-Chefin Angela Merkel nach der Wahl aufs Altenteil zurück. Carstensens Popularität hat kaum auf den CDU-Spitzenkandidaten Jost de Jager, 47, abgefärbt. Er liegt in der Beliebtheitsskala mit 39 Prozent auf Rang vier. "De Jager wirkt im Vergleich mit Carstensen etwas scheu und bieder", sagt Krause.

+++ Nach Ostern beginnt die heiße Wahlkampfphase +++

Besser kommt SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig (42 Prozent, Rang zwei) an. Der Kieler Oberbürgermeister höre zu und vermeide laute Töne, so Krause. "Albig führt einen Schmusewahlkampf." Vorbild sei Olaf Scholz, der vor gut einem Jahr in Hamburg siegte. Die CDU reagiert auf Albigs Kuschelkurs zunehmend verzweifelt. Die Regierungspartei, die mit ihren Leistungen werben müsste, greift Albig im besten Oppositionsstil an und gibt so den Taktstock im Wahlkampf aus der Hand.

Bei den kleineren Parteien ragen zwei Politiker heraus, der FDP-Alleinunterhalter Kubicki und Grünen-Querdenker Habeck. Kubicki, der überregional Schlagzeilen macht und keine Talkshow auslässt, hält die gebeutelten Liberalen im Gespräch. In Schleswig-Holstein hat er ebenso viele Fans wie Albig (42 Prozent), unter allen Spitzenpolitikern aber auch die meisten Kritiker (41 Prozent). "Das Wahlvolk ist bei Kubicki gespalten", sagt Krause. Der FDP-Vormann kann damit leben. Anders als de Jager oder Albig muss er nicht auf Mehrheiten schielen, sondern am Ende nur fünf Prozent der Bürger begeistern. "Kubicki allein ist für zwei bis drei Prozent gut", meint Krause. Die Liberalen würden vermutlich knapp den Wiedereinzug in den Landtag schaffen.

Voll des Lobes ist der Polit-Professor über den Grünen Habeck, 42, der von allen Plakaten der Öko-Partei lächelt. "Er hat Ausstrahlung, eine unverkrampfte Art." Dass Habeck vor Wochen mit der CDU flirtete und mittlerweile die SPD als "ersten Ansprechpartner" nennt, hat aus Sicht Krauses kaum Einfluss auf den Wahlausgang. Schwerer ins Gewicht fällt, dass der promovierte Philosoph offenbar nicht alle Bevölkerungsschichten anspricht. In der Popularitätsskala liegt Habeck (23 Prozent) auf Rang sechs, noch hinter der Frontfrau des SSW, Anke Spoorendonk (31). Die Spitzenkandidaten der Linken, Antje Jansen (15), und der Piraten, Torge Schmidt (11), fallen deutlich ab.

Die Landtagswahl in gut drei Wochen könnte aus Sicht Krauses zu einer Zitterpartie werden. SPD und Grüne haben zwar in Umfragen eine Mehrheit, liegen aber auch zusammen mit dem SSW nur so knapp vorn, dass bei geringen Verlusten plötzlich die CDU eine Regierung bilden könnte, entweder mit den Grünen oder der SPD. Zudem dürfte die eine oder andere Partei auf der Zielgeraden des Wahlkampfes ins Stolpern kommen.

Bei der SPD ist die Schwachstelle offensichtlich. Albig hat teure Wahlgeschenke geschnürt, bisher aber nicht verraten, wie er die Versprechen bezahlen will. Ungemach droht auch den Grünen bei ihrem gewagten Spagat. Sie lehnen mit Blick auf ihre Stammwähler alle großen Verkehrsvorhaben wie die A 20 ab, wollen die Projekte aber mit Blick auf bürgerliche Wähler im Fall einer Regierungsbeteiligung letztlich durchwinken. Den Grünen droht zudem wie SSW und Linken ein Aderlass durch die Piraten als neuer Protestpartei.

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Der CDU empfiehlt Krause, ihre Leistungen wie etwa die Sparpolitik stärker nach vorn zu stellen. "Man könnte mehr daraus machen." Aber selbst dann dürfte die Schulpolitik das Top-Thema des Wahlkampfs bleiben und damit just das politische Feld, bei dem die Wähler SPD und Grünen eine höhere Kompetenz zubilligen. Nicht ohne Risiko ist zudem der CDU-Kurs gegenüber der FDP. Einerseits versuchen die Christdemokraten, liberale Felder (etwa G9 an Gymnasien) zu besetzen. Andererseits braucht die Union die Liberalen im Landtag, um eine rot-grüne Mehrheit zu erschweren. Das Problem der FDP sind die Umfragewerte. Liegen die Liberalen weiter unter fünf Prozent, drohen Absetzbewegungen. So oder so fiebern alle Parteien dem Donnertag entgegen. Dann präsentiert der NDR die neue Wahlumfrage.