Grossmann investiert drei Millionen Euro in ein neues Lager, stockt zudem die Zahl der Lehrstellen auf und kreiert diverse neue Salate.

Hamburg. Am Anfang ist der Chili. Deutlich hebt er sich ab in der Edelstahl-Rührmulde. Umgeben von gelbem Honigsenf bildet sein Rot einen scharfen Kontrast. Senf und Chili sind die ersten Zutaten für den Flusskrebssalat, den Alexander Ludwig jetzt mischen wird. Der ausgebildete Koch gibt eine abgestimmte Menge Öl hinzu, während Vorarbeiter Patrick Wede eine Lade mit den Krebsen anreicht. Die Tiere in dem Behälter zu vermischen ist Handarbeit. Bis zu den Ellenbogen, geschützt durch Armstulpen aus Plastik, greift Ludwig hinein und rührt den Salat an. Morgen wird er in der Frischetheke eines Kunden des Feinkostherstellers Grossmann in Reinbek bei Hamburg stehen. Zunächst geht die fertige Charge aber in einen Kühlraum und Ludwig ist bereits auf dem Weg zur nächsten Rührmulde.

In der "großen Küche" des Lebensmittelspezialisten ist die Arbeit von Ludwig typisch. "Sie lässt sich mit der von Hausfrauen vergleichen", sagt Produktionsleiter Uwe Stöhr, der zur Geschäftsleitung zählt. "Der Unterschied ist: die kühle Temperatur von 13 Grad und unsere Hygiene in der Fertigung." In dieses Herzstück der Firma, dem ein Kühllager sowie Putzräume für Gemüse vorgelagert sind, geht es nur durch Durchschreitbecken. Dort umspült eine Desinfektionslösung die Schuhe. Hinter der inneren Schleusentür sind Einwegkittel, Haube und Überschuhe Pflicht. "Unsere Luft entspricht fast dem Niveau in Operationssälen", sagt Wede. Ein leichter Überdruck in den Räumen schirmt die Atmosphäre zusätzlich vor Keimen von außen ab.

Hirtensalat, Kräutermatjes oder auch verarbeitete Großgarnelen: Alles wird bei Grossmann in Kilogramm gerechnet, nicht in Tonnen wie in der Lebensmittelindustrie. Die Produkte für die Frischetheken, mit Abstand das Hauptgeschäft der Reinbeker, werden in kleinen Chargen angerichtet. Bestami Dogans griechischer Salat, für den der Koch gerade Tomaten, Fetakäse, Zwiebeln und Mayonnaise in einer Mulde zusammenstellt, wiegt 90 Kilo. "Wir arbeiten so, dass der Verbraucher beim Essen noch alle Zutaten genau erkennen kann. Nichts wird zerdrückt oder zerrührt", sagt Alexander Schmolling, Grossmanns Marketingchef. Mit je 400 Kilogramm an drei Tagen in der Woche gehört Matjessalat, für den Gurken und Tomaten in Würfel mit exakt einem Zentimeter Kantenlänge geschnitten werden, zu den Verkaufsschlagern. Insgesamt kommt Grossmann auf eine Jahresproduktion von 10 000 Tonnen. Davon sind 500 Tonnen Heringe, das neben den Salatölen am meisten verwendete Rohprodukt.

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Damit spielen die Reinbeker in der Bundesliga der Hersteller für feine Salate sowie von Spezialitäten für Top-Hotels oder Cateringfirmen. Experten schätzen den Gesamtumsatz mit Salaten in Deutschland auf 800 Millionen Euro. Das Thekengeschäft, das nur einen Teil davon ausmacht, wird dabei durch die rückläufige Zahl von selbstständigen Händlern und dem gegenläufigen Trend bei den Supermärkten geprägt, die ihren Kunden Hochwertiges immer häufiger in besonderen Auslagen anbieten. "Wir gehören hier zu den drei führenden Firmen", sagt Stöhr.

Wie viel Umsatz das bedeutet, dazu äußern sich Stöhr und Schmolling jedoch nicht. Das bleibt Geheimnis der Eignerfamilie Wernsing. Nur so viel: Deren in Addrup bei Oldenburg beheimate Muttergesellschaft, die das Unternehmen 2001 nach einem kurzen Intermezzo bei Unilever übernahm, kommt mit 2900 Mitarbeitern auf einen Erlös von 800 Millionen Euro. Grossmanns Anteil dürfte bei weniger als einem Zehntel liegen. Immerhin vereinfachen die zehn Schwesterfirmen, die in Polen, den Niederlanden, Belgien, Schweden und Dänemark ebenfalls Lebensmittel verarbeiten, den Reinbekern den Zugang zu europäischen Märkten. Damit bleibt die 1967 in Hamburg von Wolfgang Grossmann gegründete und 1989 verkaufte Firma auf Wachstumskurs. "Drei Prozent Umsatzplus im Jahr sind drin", sagt Stöhr und schiebt nach, dass man mit den Ergebnissen zufrieden sei.

Die werden seit 2003 durch die Aufnahme einer Antipasti-Produktion zusätzlich abgesichert. Gerade im Spätsommer, wenn Urlauber vom Mittelmeer zurückkommen, verkaufen sie sich am besten. Aber schon jetzt werden Oliven oder Paprika am Band in Reinbek jeweils zu 80 Stück auf Zellbretter gesetzt und von Hand als Appetithappen vorbereitet - etwa mit Frischkäse, der wie ein Hüttchen in offene Minipaprikaschoten gespritzt wird. Gleich nebenan landen Krabben oder Riesengarnelen nebst Garnitur in durchsichtigen Plastikschälchen, die maschinell mit einer aufwendigen Papierbanderole umfasst werden. Mit solch hochwertigen Fischprodukten bedient Grossmann Kunden, die sich rasch aus einer offenen Frischetheke versorgen wollen und bereit sind, für 100 Gramm auch mal mehr als zwei Euro zu bezahlen. Konservierungsstoffe werden auch hier nicht zugefügt. "Wir bleiben unserer Strategie zu frischen Produkten treu", sagt Schmolling. Trotz Verpackung und Kühlschrank bleiben diese Produkte nicht länger als zwölf Tage essbar.

Haltbarkeit, Geschmack und Anmutung der Produkte: Das alles sind Themen, denen sich Björn Sänger täglich annimmt. Der Lebensmitteltechniker leitet die Produktentwicklung in Reinbek. Jährlich kümmert er sich um rund 200 Ideen, wie sich Zutaten kombinieren, Fische, Krabben oder auch Würste zu Fleischsalaten zusammenstellen lassen. "Vier Wochen dauert es im Schnitt, bis eine Kreation verkaufsbereit ist. Von den 200 Vorschlägen wird aber nur jeder zehnte realisiert", sagt Sänger. Von Anfang Juli an sollen nun seine mit Frischkäsecreme gefüllten Minikürbisse verkauft werden.

Heute kommt Grossmann auf 170 Salate vor allem mit Fisch und 60 Antipasti. Tendenz: weiter steigend. Als Grundlage dafür wird gerade das Lager für drei Millionen Euro von 2000 auf 5000 Quadratmeter erweitert. "Wir sind ein Beispiel für ein kontinuierlich wachsendes Familienunternehmen mit einer Stammbelegschaft, deren Mitglieder meist länger als zehn Jahren hier sind", sagt Marketingchef Schmolling. "Old economy eben."

Die kommt aber offensichtlich auch bei jungen Menschen gut an. "Innerhalb von zwei Monaten waren alle neun Ausbildungsplätze für den Herbst besetzt", sagt Rainer Wiedemann. Der Personalchef hat die Zahl der Lehrstellen innerhalb von fünf Jahren auf 21 verdoppelt. Mit den jungen Leuten sollen ausscheidende Mitarbeiter ersetzt und die Belegschaft, zu der außerhalb Reinbeks noch 20 Außendienstler zählen, ausgebaut werden. "Alle, die ausgelernt haben, wollen wir übernehmen", sagt Wiedemann. Mit 250 Beschäftigten ist man noch nicht am Ende.