Grüne wollen Finanz- und Umweltministerium. In CDU verzichtet niemand für de Jager auf Mandat. Hamburgerin als Frauenministerin?

Kiel. Zwei Tage nach der Wahl in Schleswig-Holstein sind die ersten Top-Jobs vergeben. Die SPD stellte Parteichef Ralf Stegner, 52, für weitere zweieinhalb Jahre an die Spitze der Landtagsfraktion, die CDU bestätigte ihren Fraktionschef Johannes Callsen, 46, im Amt. Im Landeshaus schossen derweil Spekulationen darüber ins Kraut, wer Schleswig-Holstein unter der Flagge der Dänen-Ampel an der Seite des designierten Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD), 48, regieren könnte.

Eine Kabinettsentscheidung scheint bereits gefallen. Die Frontfrau des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), Anke Spoorendonk, 64, pocht zwar darauf, dass die Partei der dänischen Minderheit in einem rot-grün-blauen Kabinett nicht am Katzentisch sitzt, also ein wichtiges Ministerium erhält. Selbst in die Regierung wechseln will die Spitzenkandidatin und Fraktionschefin des SSW aber wohl nicht. Die Lehrerin sieht ihre Zukunft im Landtag, wo sie seit mehr als 15 Jahren CDU und FDP, aber manchmal auch SPD und Grüne aufs Korn nimmt.

Spoorendonk, die nicht nur in SSW-Wahlkampfclips gern Fahrrad fährt, gehört zu der schwindenden Zahl der Politiker, für die das Parlament nicht Bühne, sondern Brutstätte der Demokratie ist. Die mit allen Wassern gewaschene Abgeordnete weiß zudem genau, dass sie als Mitglied der Regierung der Kabinettsdisziplin unterliegt, also dem Ministerpräsidenten nicht öffentlich die Meinung sagen kann. Als Vorsitzende der SSW-Fraktion hat sie einen größeren Spielraum, mehr Einfluss auf die Regierungspolitik und zudem die Gelegenheit, als mächtigste Frau im Landeshaus dem mächtigsten Mann, SPD-Boss Ralf Stegner, 52, die Stirn zu bieten.

Stegner ließ sich gestern von der neuen SPD-Fraktion (22 Abgeordnete), die es formal noch gar nicht gibt, mit 18 Stimmen (zwei Nein, zwei Enthaltungen) zu ihrem Chef küren. Danach ließ der rote Strippenzieher keinen Zweifel daran, dass er die Dänen-Ampel (SPD, Grüne, SSW) in den Koalitionsverhandlungen ab nächster Woche entscheidend mit schmieden werde. "Verhandlungsführer der SPD ist der Parteivorsitzende." Albig werde "ein sehr bestimmender Teil" sein. Anders als Stegner hat Albig allerdings noch einen anderen Job. Der Kieler Oberbürgermeister, der für den Wahlkampf Urlaub genommen hatte, ist für einige Wochen ins Rathaus zurückgekehrt.

+++ Mandate des SSW sind nach Rechtslage vollwertig +++

Seine neue Stärke verdankt Stegner auch Albigs Schwäche. Der Spitzenkandidat hatte für die SPD bei der Wahl nur gut 30 Prozent geholt und damit zu wenig, um von der linken Landespartei als Leitfigur akzeptiert zu werden. Albig dürfte das wenig scheren. Er geht davon aus, dass er als Ministerpräsident mit einem eigenen Mitarbeiterstab problemlos Stegner an die Wand regiert.

Bei der CDU ist weiter "Land unter". Die neue CDU-Fraktion (22 Abgeordnete) wählte Callsen zwar fast einmütig (eine Enthaltung) zu ihrem Vorsitzenden. Ob Callsen, der im Sommer für den gestrauchelten Christian von Boetticher eingesprungen war, den Posten aber auf Dauer behält, ist fraglich. In der CDU wird weiterhin nach einem Abgeordneten gesucht, der sein Mandat "freiwillig" zurückgibt und so den Weg für den Spitzenkandidaten Jost de Jager in den Landtag ebnet. Rückt der Parteichef nach, dürfte er auch den Fraktionsvorsitz übernehmen und Oppositionsführer werden.

Im Landeshaus wurden erste Namen für ein rot-grün-blaues Kabinett gehandelt. So könnte für einen Ministerpräsidenten Albig Ex-Staatssekretär Ulrich Lorenz, 57, (SPD) als Chef der Staatskanzlei die Kohlen aus dem Feuer holen. Lorenz, in Hamburg geboren, schaffte das über Jahre im Kieler Innenministerium, auch unter Ressortchef Stegner.

Sichern dürfte die SPD sich auch das Innenministerium, ein Querschnittsressort, über dessen Tische jeder Gesetzentwurf läuft. Erste Wahl als Minister ist aus Sicht vieler Genossen Rendsburgs Bürgermeister Andreas Breitner, 45. Er ist Vizechef der Landes-SPD, bestens vernetzt und so gut im politischen Geschäft, dass er fast die Qual der Wahl hat. Breitner könnte sich auch um die Nachfolge Albigs als Kieler OB bewerben. In diesem Fall wäre Elmshorns Bürgermeisterin Brigitte Fronzek, 59, im Spiel. Sie war im Wettstreit um die SPD-Spitzenkandidatur gegen Albig und Stegner angetreten.

Die Grünen schielen auf das Finanzministerium, das zweite Querschnittsressort. Als Ministerin so gut wie gesetzt ist die Finanzexpertin der Landtagsfraktion, Monika Heinold, 53. Auf der Wunschliste der Öko-Partei steht auch ein starkes Umweltminsterium, das die Landesplanung übernehmen und die Energiewende vorantreiben soll.

Setzen die Grünen ein solches Superministerium bei SPD und SSW durch, würde Fraktionschef und Spitzenkandidat Robert Habeck wohl auf dem Ministersessel Platz nehmen. Hinter den Kulissen haben SPD und Grüne sich offenbar schon darauf verständigt, dass die Flensburger Uni-Präsidentin Waltraud Wende, 54, neue Schulministerin wird.

+++ Albig will offenbar Aydan Özoguz als Ministerin +++

Für den SSW könnte der Friese Lars Harms mitregieren, entweder als Wirtschafts- oder aber als Sozialminister. Als Ministerin im Gespräch ist auch Aydan Özoguz, Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Frau von Innensenator Michael Neumann (SPD). Das berichtet die "Welt" in ihrer Onlineausgabe. Özoguz, die auch stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende ist, solle auf Albigs Wunsch in Kiel Ministerin für Frauen, Gleichstellung, Familie und Integration werden.